Eine Asiatische Instant-Nudelsuppe von einem Chinesischen Hersteller ist nicht unbedingt Bestandteil meines typischen Frühstücks. Mangels Alternativen gibt es die heute Morgen. Es ist sicherlich kein kulinarisches Highlight aber die Suppe sättigt und ich halte bis heute Abend – zwar mit knurrendem Magen – durch, was vermutlich an dem Liter Limonade liegt, den ich über den Tag verteilt trinke. Ich liebe beim Wandern, wenn ich ausgepowert bin, eine kalte Limonade zu trinken und den anschließenden Zuckerschub, der mir neue Kraft gibt. Und heute brauche ich mehr als einmal wieder neue Kraft, um mein Ziel zu erreichen.
Auf dem Weg runter fängt alles ganz normal an. Erst eine kurze Strecke auf der Straße, dann auf einen Feldweg und jetzt muss ich mich entscheiden, nehme ich den OpenStreetMap Weg oder den GoogleMaps Weg. Ich entscheide mich für letzteres. Nach den Erfahrungen vom gestrigen Aufstieg, will ich keine Experimente eingehen.
Schnell entpuppt sich die Entscheidung als falsch. Aus dem schönen Feldweg wird ein zugewucherter Wiesenweg und irgendwann gibt es keinen Weg mehr. Aufgrund der Topographie kann es da auch keinen Weg geben. Also versuche ich, mir einen Weg durch das hohe Gras in Richtung des OpenStreetMaps Wegs zu bahnen. Das Wandern durch das hohe Gras ist unangenehm, unter anderem da ich ständig Tiere aufschrecke, die vor mir weglaufen. Ich hoffe nur, dass nicht eine Schlange oder ein anderes unangenehm beißendes Tier aus Angst nach mir schnappt. Das Gras juckt mir auf der Haut.
Tief unter mir liegt ein ausgetrockneter Bachlauf. Da muss ich runter und auf der anderen Seite wieder hoch, um in die angepeilte Richtung zu kommen. Der steile Abstieg in das Bachbett erweist sich mit dem Rucksack gar nicht so einfach. Unten angekommen wird mir klar, hier komme ich auf der anderen Seite nicht hoch. Daher laufe ich, gar nicht so schlecht, in der Hoffnung in dem Bachbett bergab, dass die Böschung irgendwann niedriger wird. Auch das ist eine Täuschung. Kurze Zeit später mündet der ausgetrocknete Bach in ein anderes wasserführendes Flüsschen.
Nächste Entscheidung. was nun. Erneut bemühe ich meine Karte. Der angestrebte Weg ist ungefähr 400 Meter rechts von mir durch einen dichten Wald mit einer kaum zu erklimmenden Böschung. Links von mir gibt es nach 300 Meter eine Bahnlinie. Die Böschung links komme ich hoch und oben ist eine Wiese mit hohem Gras. Damit ist diese Option deutliche einfacher zu gehen als durch den Wald mit seinem Dickicht. Tatsächlich schaffe es die Böschung hoch aus dem Bachbett. Ich bin nicht nur verschwitzt sondern auch völlig verdreckt. Was soll’s, keiner da, den das verwundern könnte. Nach 300 Meter stehe ich wieder vor einer hohen Böschung. Oben ist die erhoffte Bahnlinie. Wenn ich aus einem Bachbett aufsteigen kann, werde ich auch die Bahnlinie erklimmen können. Auf der Bahnlinie ziehe ich erstmal Schuhe und Strümpfe sowie mein Shirt aus und entferne, was ich in den letzen beiden Kilometern alles aufgesammelt habe. Dann kann es weitergehen. Ich laufe auf der Bahnstrecke, bis ich auf eine Straße stoße. Dann ist es auch nicht mehr weit und ich bin zurück auf meinem geplanten Weg.
So komme ich in eine ausgedehnte Hochebene. Die ich von West nach Ost vorbei an einem Ferienhotel mit einer Heerschar von Kindern, wo es einen ersten Kaffee und anschließend zwei Limos gibt, weiter durch den einen und anderen Weiler bis in den Ort, wo es nach Süden in die Berge abgeht. Auf einer wunderschönen Terrasse mit Blick auf die Kirche trinke ich eine zweite Tasse Griechischen Kaffee und natürlich eine Limo. Die Wirtin, die sehr gut Englisch spricht, fragt mich wo es heute hin geht und ich erzähle ihr, das mein Ziel unweit von hier in den Bergen liegt: Eptalofos. Sie lacht und sagt mit dem Auto wäre ich in zehn Minuten oben. Ich frage, wie der Weg zum Laufen sei. Das weiß sie nicht, sie ist noch nie hoch gelaufen. Der Ort sei sehr schön mit vielen Hotels und Restaurants. Nachts könne man dort gut schlafen, da es nicht zu warm sei.
Es geht über einen schönen Forstweg seicht den Berg hoch. Der Weg ist schön, links und rechts mit vielen Lichtungen und immer wieder Wasserstellen. An einer tausche ich mein warmes Wasser gegen frisches kühles aus. Ich komme an einem kleinen Wasserkraftwerk vorbei. Dann ist es vorbei mit dem schön ausgebauten Weg. Erst wird er enger, dann stehen Ginster- und Salbeibüsche im Weg. Schließlich wird es ein Pfad und danach fängt eine Baustelle an: eine Wasserleitung wird auf dem engen und immer steileren Weg (neu?) verlegt. Überall liegt Werkzeug wie Spitzhacken und Schaufeln rum und es ist nicht leicht zu laufen in der Rinne, die durch die Verlegung der der Wasserleitung gebuddelt wurde. Die offene Leitung macht es auch nicht leichter.
Weiter oben ist die Leitung bereits fertig, was es nicht viel einfacher macht, da die Erde noch lose ist und oft sehr ausgesetzt. Ich muss auf jeden einzelnen Schritt achten. Was nicht einfach ist, weil ich vermute, dass ich auf den Ginster allergisch reagiere. Meine Nase läuft und ist völlig verschleimt. Meine Augen sind zugeschwollen. Leider hilft mir mein neues Histamine Präparat, das mir meine HNO Ärztin verschrieben hat, überhaupt nicht. Sie hatte sich geweigert Telfas, was ich bisher immer benutzt habe, zu verordnen, mit dem Hinweis das sei ein altes Präparat, das man heute nicht mehr verwende und zu viele Nebenwirkungen habe. Das, was sie mir verschreibt, sei modern mit besserer Wirkung und ohne müde, zu machen. Das hätte ich mich stutzig machen sollen. Aus meinen Projekterfahrungen mit Traditioneller Chinesischer Medizin und der Homöopathie, weiß ich: ein Produkt ohne Nebenwirkungen hat auch keine Hauptwirkung. So ist das hier auch auch. Ich habe heute bereits die dritte Tablette genommen; keine Wirkung. Nase läuft, Augen zu.
Balancieren oder versuchen einen Weg weiter oben suchen? Kann doch Nadine größere Herausforderung sein als ein Baumstamm. Trotzdem 5 Meter tief fallen möchte ich auch nicht. Trau Dich, Harald!
Noch weiter oben ist die Verlegung der Leitung bereits so lange her, dass die Natur sich den Weg „zurück geholt“ hat. Er ist mit Ginster zu gewachsen. Durchkommen schwierig. Nach vielen Anstrengungen komme ich schließlich in ein sehr schönes Bergdorf mit eine Reihe von Hotels und Restaurants. Alles sieht nett aus. Überall gibt es Wasserstellen. An einer wasche ich mir Hände und Gesicht, bevor ich mein Guesthouse für die Nacht suche.
Ganz am Ende des Ortes, am höchsten Punkt liegt das Haus. Eine ältere Dame, mindestens so alt wie ich, öffnet mir und schenkt mir als Begrüßung einer Kräuterschnaps ein. Da sie nur Griechisch spricht können wir uns nicht verständigen. Trotzdem ist mir klar, sie mir zu versteh geben, dass es ein Schnaps aus dem Dorf sei. Dann kommt ein jüngerer Mann, mit dem ich Englisch sprechen kann. Er kennt sich in den Bergen gut aus. Als er fragt, wie mein Aufstieg war und ich ihm von der Baustelle berichte, sagt er, dass ihm das bewußt und er an dem Projekt beteiligt sei. Es sei auch geplant, den Weg oben wieder begehbar zu machen.
Später im Dorf. Als ich auf dem Dorfplatz köstlich esse, treffe ich ihn wieder und er setzt sich kurz zu mir. Ich frage ihn über den morgigen Weg aus und ob ich auf ähnliche Probleme stoße wie gestern und heute. Das verneint er. Der Weg hoch zu einem Skigebiet und anschließend runter nach Delphi sei anstrengend aber der Weg sei in gutem Zustand. Es gäbe auch unterwegs drei Wasserstellen. Er erzählt weiter, dass die Saison für das Dorf zu Ende sei. Man lebe hier vornehmlich vom Winter. Das erklärt auch, dass die Häuser gut aussehen und nicht verfallen sind. Auch herrscht Ordnung und es gibt keine Grundstücke die zugemüllt sind. Den Touristen und deren Wohlgefallen sei Dank.
Ich esse in einem Restaurant auf dem Hauptplatz, der genauso lebendig ist wie in Lamia. Ich bekomme heute einen Griechischen Salat und Lammkoteletts, alles eine Empfehlung des Wirtes. Die Karte kann ich nicht lesen, nur in Griechisch verfügbar. So verlasse ich mich auf ihn. In einem Mischmasch aus Englisch/Deutsch, das er spricht, verständigen wir uns schnell auf das Menü. Der Salat ist gut und nicht so lieblos, wie ich ihn bisher oft bekommen habe, und die Lammkoteletts sind interessant geschnitten aber wirklich lecker zubereitet. Sie müssen sehr frisch sein, so dass ich sogar das Fett mit esse, zum Abschluss bekomme ich ein Orangentarte – auch wenn er mit mir übt, ich kann den Namen auf Griechisch nicht wieder geben. Gefühlt dauert es zehn Sekunden, um ihn auszusprechen. Das Wasser holt er an einer Wasserstelle direkt an einer der beiden riesigen Kastanienbäume. Hier fühle ich mich wohl!