Welch eine hinreißend schöne Landschaft! Wasser fließt überall in Flüssen und Bächen, auf den Wegen und über Felsen hinweg in die Täler. Zusammen mit dem Sonnenschein erzeugt das eine fette Vegetation, die sich in allen Grüntönen präsentiert. Sensationell!
Der Tag hatte es in sich. Obwohl nur gut 27 Kilometer dafür aber 1.100 Höhenmeter, war das heute nach den beiden Olymp-Tagen die schwerste Etappe.
Im Dunst der Mittagshitze kann man die Ägäis erkennen
Mein Ziel liegt genau im Süden von Lamia, hoch oben in den Bergen. Das bedeutet, ich durchquere zunächst die Flussebene, die sich im Osten bis zum Ägäischen Meer hinzieht. Danach wandere ich in die gemächlich ansteigenden Berge. Als ich nach etwa 8 Kilometern an einer Bar vorbei komme, ich hatte befürchtet, heute gibt es keine Versorgungsmöglichkeit, mache ich daher schon eine frühe Rast und „betanke“ meinen Körper.
Vorbei an Wasserquellen und an Klöstern, von denen es eine ganze Reihe gibt – ich vermute, das liegt an dem reichlich vorhandenen Wasser – wird es immer steiler. Da es keine Kneipen mehr gibt, mache ich nach gut 20 Kilometern Halt an einer öffentlichen Wasserstelle, die es in vielen Orten gibt, hier aber überall zu finden sind.
Bisher war mein Weg geprägt von Straßen und gut angelegten Wegen. Das ändert sich, als die landwirtschaftliche Nutzung endet. Kein Mensch braucht in den Bergen Wege. Zum Vergnügen wandern die Einheimischen nicht und beruflich gibt es keinen Nutzen. Der Weg, den selbst Google Maps kennt und vorgeschlagen hat, war wohl mal ein Weg. Jetzt ist er oft völlig zu gewuchert, manchmal von den reißenden Bächen unterspült und gelegentlich einfach nicht da. Weil das Gelände steil ist – nicht nur hoch auch runter – ist nicht nur einen Pfad finden eine Herausforderung sondern auch das Gehen selbst. Die Disteln stechen, die Dornen einiger Sträucher malträtieren mich, der Untergrund ist geröllig oder glatt durch die Nässe, durchzogen mit tiefen Gräben und und und. Das ist nicht nur unangenehm, sondern erfordert meine volle Konzentration. Meine stechenden und mich umschwirrende Freunde begleiten mich ebenfalls seit einiger Zeit wieder. Sie versuchen meine Aufmerksamkeit weg vom Weg, auf sich zu lenken.
Nach einem anstrengenden Abstieg wate ich durch einen breiten dafür langsam dahin plätschernden Fluss. Die Durchquerung ist äußerst schwierig, da die Steine glatt und rutschig sind und beim Auftreten wegrollen. Hier möchte ich mir weder einen Fuß vertreten und schon gar nicht das Bein brechen. Hilfe bekomme ich in diesem Gelände sicher nicht. Meine Quälgeister scheinen das zu wissen und werden am Fluss, und das startet schon beim ausziehen der Strümpfe, immer aggressiver. Mir scheint, es bereitet ihnen größtes Vergnügen, mich bis aufs Blut zu quälen.
Auf der anderen Seite des Flusses finde ich den Weg dann gar nicht mehr. Ich versuche mit dem GPS und meiner Einschätzung des Geländes, meinem Ziel näher zu kommen und frage mich, ob der Weg weiß, dass er hier sein sollte und warum er das nicht ist. Noch einmal 300 Höhenmeter unter diesen Bedingungen verlangen mir alles ab und entziehen mir die letzten Kräfte. Ich bin völlig erschöpft. Oben angekommen, ist der Weg auf einmal wieder da und ich habe einen sensationellen Blick.
Der Ort, in dem ich ein Zimmer gemietet habe, ist tatsächlich so vereinsamt, wie ich schon aus dem Kartenmaterial vermutet hatte. Gut dass ich gestern vorsorglich zwei Nudelsuppen eine für heute Abend und eine Fürs Frühstück und ein Päckchen Nüsse gekauft habe. So muss ich wenigstens nicht hungern. Satt werde ich allerdings auch nicht. So eine Suppe hat am Ende eben nur gut 300 kKalorien und das letzte mal gegessen habe ich heute Morgen im Hotel. Das Frühstück war dort, wie meist in Griechenland, alles andere als üppig. Ich bin sicher, dass ich heute mehr Energie verbraucht als meinem Körper zugeführt habe.
Ist das nicht ein hübsches Waschbecken?