Tag 20: 22.10.2022

Ein Traum von einem Wandertag: die Landschaft überwältigend schön, herausfordernde Wege und zurück im Sommer. So könnte ich den heutigen Tag zusammenfassen.

Aber alles der Reihe nach. Um 07:00 Uhr klingelt der Wecker. Ich habe keine so richtige Lust aufzustehen. Deshalb gammele ich etwas rum und brauche eine drei-viertel Stunde bis ich endlich das Haus verlasse. Ich muss wieder die vier Kilometer und 200 Höhenmeter hoch zum Refugio Sapienzia. Dort gehe ich in die erste beste Bar, die offen hat und frühstücke wie die Italiener mit Croissants und Cappuccino.

Jetzt umrunde ich zunächst den Etna auf der Südseite und gehe wieder hoch bis auf gut 2.000 Meter. Als ich fast oben aus dem Wald komme, eröffnet sich mir ein spektakulärer Blick auf den Etna mit seinem Krater, der vor 20 Jahren entstanden ist, auf eine Lavafeld, das bei einem Ausbruch vor etwa 110 Jahren eine grauenhafte Verwüstung vom Gipfel bis ans Meer angerichtet hat, und auf ein sehr steiles Tal mit Büschen und Bäumen.

Diese Landschaft berührt mich sehr und erzeugt bei mir ein absolutes Glücksgefühl.

Auf dem Grat von Leben und Tod: zur einen Seite das grüne Tal mit altem Baumbestand wie latschenartigen Kiefern, Buchen und vereinzelten Birken und auf der anderen Seite das Lavafeld grau, schwarz und ohne sichtbares Leben führt nun mein Weg. Zu beiden Seiten fällt der Berg extrem steil ab. Der Weg ist schmal, mal auf der einen Seite und mal auf der anderen Seite des Grates geht es bergauf und bergab sehr sehr langsam vorwärts. Manchmal brauche ich Beine und Arme, um die Kletterpartien sicher gehen zu können. Das geht so etwa zwei Kilometer mit etwa 400 Meter hoch und 600 Meter runter, für die ich mehr als zwei Stunden brauche. In den Alpen wäre der Weg als Klettersteig ausgewiesen. Hier gibt es solche Kategorien nicht und Sicherungen fehlen natürlich auch. An vielen Stellen ist auch die Wegführung uneindeutig, was ein Sicheres gehen um so mühevoller macht.

Später komme ich in einen Wald, in dem es steil bergab geht. Allein in dem Wald „verliere“ ich 1.000 Höhenmeter. Der Weg ist steil, voller Pilze aber vor allem schwer zu begehen, nicht nur wegen seiner Steilheit sondern wegen des tiefen Lavasands, der sich mir ständig in die Schuhe spült, des Laubes und der Unmengen an Kastanien, die durch die Schuhe piksen und zusätzlich rutschig machen.

In Summe laufe ich heute 26 Kilometer und verliere 2.250 Höhenmeter. Letztere haben mich ermüdet: meine Knie tuen mir weh, meine Oberschenkelmuskulatur ist ganz hart und der Lendenwirbelbereich schmerzt. Deshalb beschließe ich, Morgen am Meer ohne großes rauf und runter entlang zu laufen. Es soll auch als Test dienen, ob ich bis Messina am Meer entladen wandern kann. Alle Apps zur Planung meines Weges dorthin wollen mich zurück in die Berge leiten. Das würde allerdings den Weg unnötig verlängern und mich zwingen mehrmals hintereinander zu Zelten. Das würde dann auch bedeuten, dass noch mehr Essen und Wasser mitnehmen müsste. Zum Andern führt eine Autobahn und eine Staatsstraße direkt am Meer lang, was so meine Vermutung, auch der Grund ist, durch die Berge zu gehen.

Zurück zu heute: ich habe ein Zimmer in einem B&B in unmittelbarer Nähe des Duomos von Giarre, einer Stadt etwa 100 Höhenmeter oberhalb des Meeres. Die Stadt hat sicher schon bessere Zeiten erlebt. Die Mehrzahl der Häuser zerfällt und sind in einem jämmerlichen Zustand. Mir gefällt aber die Anlage der Stadt mit vormals toll gestalten Plätzen, geraden Linien mit Blick zum Meer und schließlich einem Dom, der die Stadt optisch dominiert bzw. zentriert.

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