Tag 14: 16.10.2022

Es ist zwar kalt als ich das Hotel verlasse, deshalb habe ich über dem T-Shirt noch mein Wanderhemd an, aber der Himmel ist wolkenlos und das bleibt den ganzen Tag so.

Das Hemd ziehe ich schon nach einem Kilometer wieder aus. Es geht den Berg hoch und damit fängt mein Körper sofort an, ordentlich Wärme zu erzeugen.

Den Berg hoch geht es eigentlich, so mein Gefühl, den ganzen Tag. Natürlich gibt es auch bergab Passagen, die scheinen immer deutlich kürzer zu sein als die bergauf.

Der Weg heute ist recht abwechslungsreich: Almwiesen, Wald in einem Naturpark, Windräder, Äcker, nur keine Ortschaften. Selten aber doch gelegentlich kommt ein Auto vorbei. Fast alle halten an und bieten an, mich mitzunehmen, nachdem sie erfragt haben, was mein Ziel ist. Es ist nicht einfach zu erklären, dass das Wandern bereits das Ziel ist und nicht bequem sein Hotel zu erreichen.

Als ich etwa 2/3 meiner Strecke geschafft habe, quält mich Hunger. Ich suche mir, nachdem ich das Hungergefühl nicht unterdrückt bekomme, ein Plätzchen, wo ich mir eine Suppe warm machen kann. Auch wenn die Suppe nur lauwarm wird, schmeckt sie herrlich. So nehme ich den Rest des Weges mit gefülltem Bauch in Angriff.

Meine heutige Herberge liegt in Capizzi, das hoch oben im Berg klebt. Das bedeutet zum Ende hin noch einmal ein Anstieg von 250 Metern. Das bringt mich noch einmal ordentlich zum Schwitzen.

So komme ich verschwitzt bei meiner Unterkunft an. Niemand da. Dabei hatte ich doch extra vorher die Uhrzeit meiner Ankunft mit einer Reihe von Chats vereinbart. Auf die Klingel und die WhatsApp, die ich dem Vermieter schicke, reagiert er nicht. Als ich anrufe, versichert er mir, dass jemand in 5 Minuten da ist. Dann erhalte ich zusätzlich eine WhatsApp, dass sein Neffe in 5 Minuten kommen wird. Das tut der Bursche aber nicht. Die Sonne ist weg und im Schatten ist es kalt. Ich kühle sehr schnell ab. Ich habe Sorge, mich zu erkälten. Daher werde ich ungeduldig und melde mich noch einmal. Der Neffe sei doch bereits da, bekomme ich als Antwort. Pustekuchen. In Summe warte ich eine halbe Stunde und bin echt sauer, was der Junge nicht verstehen will. Ich bin alleine im Haus; ich habe ein Deluxe Zimmer gebucht und bezahlt; ich bekomme ein Zimmer, eiskalt, mit einem Bad über den Flur. Im Grunde ist mir das egal, da ich alleine im Haus bin, trotzdem ärgert mich das und das bekommt der junge Mann auch zu spüren und macht sich schnell aus dem Staub. Jetzt muss ich erstmal schauen, wie ich die Heizung zum Laufen bringe. Schnell finde ich das zentrale Bedienpanel fürs Haus und bringe das Zimmer und mein Bad auf Temperatur.

Zum Abendessen gehe ich in eine Tratoria, das einzige Lokal im Ort. Die Einrichtung der Tratoria ist so steril wie ein OP. Der Inhaber steht versteckt hinter einem „Rednerpult“. Ich bekomme steif einen Tisch zugewiesen. Bezüglich des Essens spricht der gute Mann nun in einem Stakkato auf mich ein, so dass ich nicht ein einziges Wort verstehe. Also sage ich meinen Standardsatz für diese Fälle: io non parlo Italiano. Darauf macht er großen Augen und die beiden anderen Tische, die schon besetzt sind, versuchen mit englischen Worten, die sie in den Raum werfen, zu helfen. Die Mama kommt aus der Küche und versucht mit hingeworfenen Italienischen Worten meine Verwirrung zu steigern. Als sich alles beruhigt hat, versuche ich mit meinen eingeübten Sätzen und Worten, zu hinterfragen, ob ich Pizza essen muss, wie die anderen Gäste oder auch eine Vorspeise und anschließend eine Pasta bekommen kann. Könnte ich, wird mir aber abgeraten. Also bestelle ich, eine Pizza Salami picante, einen gemischten Salat, eine Flasche Wasser und Rotwein. Ich werde für mein Italienisch gelobt, mache aber klar, dass mein Italienisch beim Bestellen von Standardgerichten endet. Jetzt wird es voll in dem Lokal, obwohl ich dachte, ich bin um 20:30 Uhr spät dran, denn man schließt bereits um 22:30 Uhr. Erst kommt ein Tisch mit Frauen so zwischen 30 und 40 alle in ihren Super-Fashion-Sonntags-Dress. Sie sind zu Neunt. Dann kommt ein Tisch mit zwei Paaren. Kaum hat die Begrüßung – jeder begrüßt jeden im Restaurant: fehlt nur, dass ich auch von jedem Neuankömmling in den Arm genommen werde und Küsschen links, Küsschen rechts erhalte – dann kommen sieben Jungs in ihren 20igern rein. Same procedure. Jetzt denkt man, jeder redet mit jedem. Das ist nicht der Fall. Man bleibt gesprächsweise untereinander. Nur gelegentlich steht jemand vom einen Tisch auf und unterhält sich mit jemandem vom anderen Tisch. Es herrscht nun eine unglaubliche Lautstärke in dem OP – eine reine Kakophonie. Zwischendurch kommen noch Leute rein, die bestellte Pizzen abholen. Jedesmal das selbe Begrüßungszeremoniell: unglaublich! Btw. der Damentisch ist gekleidet als würde man nach dem Essen in die Oper gehen wollen. Die Tische mit den Paaren sind leger in Jeans und der Männertisch in Traingsanzügen hier – nur zwei haben ein Hemd an. Hier könnte man Gesellschaftsstudien durchführen: der Damentisch trinkt Cola und Wasser, man unterhält sich. Am Männertisch spielt jeder mit seinem Handy, man unterhält sich nur gelegentlich – auch sie trinken nur Cola und Wasser. Mittlerweile sind alle Tische belegt. Nicht an einem wird Alkohol getrunken. Das ist in den Bars ganz anders. Als ich auf meinen Hotelwirt bzw. dessen Neffen gewartet habe, habe ich in einer Bar in Sichtweite zur Unterkunft, Wasser für heute Nacht und Morgen eingekauft. Die Bar war voll und dort wurde Bier, Wein und auch stärkere Alkoholika getrunken.

So, ich muss schlafen. Morgen geht es zurück in die Berge und ich habe mir wieder viel vorgenommen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.