Tag 16: 18.10.2022

Zu allererst muss ich mich korrigieren. Ich habe gestern nicht Wildschweine sondern „Schwarze Nebrodi Schweine“ gesehen. Diese Nebrodi Schweine, so habe ich mir von einem Kellner beim Frühstück erklären lassen, sind dem Wildschwein sehr ähnlich, bilden mehr Fett und sind viel kleiner als ein Hausschwein. Man hält in der Gegend keine Hausschweine sondern jagt ausschließlich Nebrodi Schweine und verarbeitet deren Fleisch zu sehr hochwertiger Wurst, Schinken und Fleisch. Die Produkte sind sensationell, das kann ich bestätigen, da ich gestern Abend zu jedem Kurs Nebrodi Schwein hatte. Da habe ich nicht die Verbindung noch nicht hergestellt zwischen den Schweinen, die ich gesehen habe und meinem Essen. Der Kellner bestätigt, dass die Population dieser Tiere sehr groß sei und sie sich schnell fortpflanzten. Auch heute sehe ich, sobald ich im Wald bin immer, häufig kleinere und größere Gruppen. Einmal dauert es sehr lange, bis mich eine Familie wahrnimmt, so dass ich sie etwas genauer beobachten kann: die Nebrodi Schweine haben kaum erkennbare Hauer, sind viel kürzer als ein Hausschwein, wieselflink und ihr Grunzen hört sich an wie ein sehr tiefes Bellen.

Auch heute gehe ich wieder 35 Kilometer aber nur etwas mehr als 800 Höhenmeter. Nachdem ich nun 5 Tage hintereinander zwischen 30 und 36 km und um die 1.000 Höhenmeter gewandert bin, fühle ich mich ausgepowert. Morgen werde ich daher einen kurzen Trip an den Fuß des Etnas machen. Übermorgen geht es dann hoch zum Etna auf die Höhe der verschiedenen Refugios. Von dort habe ich vor, den Etna bis zu den Kratern zu besteigen.

Die Landschaft heute ist sensationell: Wälder und Almen wechseln sich ab mit Blick zum Etna und zum Meer. Wunderschöne Seen, Bäume und Wiesen erfreuen mich.

Der Weg ist leicht zu finden. Ich treffe kaum auf Menschen. Autos kommen auf den Gravel-Roads gelegentlich vorbei. Auf einer der Almen spricht mich ein älterer Herr an. Er hat gerade seine Tochter hier hoch gebracht, die sich mit zwei Pferden einer Stute mit ihrem Fohlen auf den Weg ins Tal macht. Er selbst hat bei VW in Wolfsburg gearbeitet und lebt nun wieder in seiner Heimat. Über mich kann er nun den Kopf schütteln.

Heute übernachte ich in einem Hotel. Meine Erwartungshaltung ist, dass ich an eine Rezeption komme, mir der Schlüssel ausgehändigt wird und ich so schnell auf mein Zimmer komme. Weit gefehlt: ich komme in ein Geschäft, das Wirst und Käse verkauft. Auf mich als Hotelgast ist man nicht eingerichtet. Es wird wild herum telefoniert. Nach zehn Minuten kommt ein Herr und erklärt mir, dass ich noch zehn Minuten warten muss. Ich werde in einem Raum platziert, der als Trattoria genutzt wird. Irgendwann kommt das „Hausmädchen“, um das Zimmer zu machen. Nach etwa 3/4 Stunde kann ich dann tatsächlich aufs Zimmer. Hier muss ich mich erstmal um die Heizung kümmern: es ist sehr kalt und meine Wäsche wird ohne Heizung sicher nicht trocken. Ich finde zwar alle Schalter – nichts passiert. Jetzt muss ich versuchen mit meinen nicht vorhandenen Italienisch Kenntnissen und Internet Translator klar zu machen, dass das Zimmer zu kalt ist. Im „Hotel“ spricht man nur Sizilianisch und das in einer Geschwindigkeit, dass ich noch nicht mal die Sprache erkennen kann. Das Problem ist allerdings schnell gelöst. Lediglich eine Sicherung am zentralen Schaltschrank muss eingeschaltet werden.

Ich habe mir ein Restaurant heraus gesucht, das offen hat. Als ich runter komme, sitzen drei Englisch sprechende Leute in der Trattoria und essen eine Vorspeise. Also frage ich, ob ich auch hier Abendessen kann. Ich kann und bekomme Antipasti mit den Produkten aus ihrem Laden und anschließend eine Pasta mit Schwarzem Nebrodi Schwein.

Mit dem anderen Tisch komme ich schnell ins Gespräch. Sie sind ebenfalls Hiker: ein Ehepaar aus USA, die eine Führerin aus der Toskana engagiert haben. Ich scheine bereits mehr von Sizilien gesehen zu haben als die Führerin. Sie lässt sich von mir eine Reihe Hinweise geben.

Zum Schluss stellt man dem Dreier-Tisch und auch mir zwei Flaschen Schnapps und selbst gebackene Plätzchen hin. Ich nehme einen selbst gebrannten Mandel-Schnaps. Es wird zwischen den Tischen, die Inhaber sitzen mittlerweile auch an einem, zugeprostet. Wenn ich jetzt nicht schnell gehe, wird morgen der kurze Weg doch möglicherweise sehr lang.

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