Tag 3: 09.03.2023 —> Lykischer Weg: Kayaköy/Levissi

Mein linker Fuß schmerzt. Ich glaube, es ist wieder die Sehne von der zweiten Zehe zum Knöchel – wie schon das eine oder andere mal in der Vergangenheit. Grund war immer ein zu schwerer Rucksack. Also muss ich an mein Proviant ran, der fast 1,5 kg ausmacht. Auch wenn es mir schwer fällt, nicht auf mehrere Übernachtungen ohne Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants vorbereitet zu sein, der Rucksack muss leichter werden. Schweren Herzens trenne ich mich von meiner Wurst, Nüssen und einem Teil der Fertignudeln: ein Kilogramm macht das zusammen. Den Gewichtsunterschied merke ich beim Anheben des Rucksacks nicht. Ich weiß aber aus Erfahrung, dass meine Füße es spüren und mir dankbar sein werden.

Da ich in der Mitte von Fethiye übernachtet habe, muss ich noch etwa fünf Kilometer bis an das südöstliche Ende der Stadt auf Straßen laufen. Um meinen linken Fuß etwas zu entlasten, gehe ich auf der rechten Straßenseite. Da Straßen meist etwas zum Straßenrand hin abfallen, steht das linke Bein etwas höher und damit knickt der linke Fuß etwas ab, was ihn entlastet. Am Ende von Fethiye stoße ich dann schließlich auf den offiziellen Beginn des Lykischen Wegs.


Blick zurück auf Fethiye

Jetzt geht es gefühlt querfeldein steil den Berg rauf. Der Weg ist mit rot weißen Zeichen markiert. Ich muss sehr aufpassen, nicht vom Weg abzukommen, da man spärlich mit den Markierungen umgegangen ist. Nach einer halben Stunde klettern, geht der Pfad in eine „Straße“ über. Später am Tag frage ich in einem Restaurant, wo ich eine Kleinigkeit zu Mittag esse, das Personal, was es mit dieser „Straße“ auf sich hat, die sich so weitläufig durch die Berge zieht. Sie ist gepflastert, wie ich dies von Römerstraßen kenne. Sie ist gut erhalten, was dafür spräche, dass sie neuer ist – definitiv vor der Autoära; mit einem Auto kann man sie nicht befahren. In niedrigeren Bereichen ist sie von Oleanderbüschen, die leider noch nicht blühen, gesäumt. Weder das Personal des Restaurants noch die anderen Gäste können mir Auskunft geben. Die Einen kennen sie gar nicht, für die Anderen ist sie schon immer da.


Römerstraße?

Ich stelle die Hypothese auf, weil mir das gefallen würde, dass es sich um eine Römerstraße handelt, die zur Zeit Konstantin des Großen von Byzans nach Efesus und weiter nach Antiochia am Orantes gebaut wurde, um die bedeutendsten Städte des Oströmischen Reiches zu verbinden, wobei ich gar nicht weiß, ob Antiochia zum Oströmischen Reich gehört hat. Genauso wenig kann ich einen Beitrag zur Verifizierung meiner Hypothese leisten – leider. Ich habe allerdings noch einen Schlaumeisen-Beitrag: das Oströmische Reich war das erste Land in der das Christentum Staatsreligion war, weshalb man in Kleinasien auf viele Christliche Spuren stößt.


Antike Grabstelle

Zu Mittag habe ich in Kayaköy gegessen. Ein kleiner unbedeutender Ort. In gewisser Weise ist aber bekannt. Im 18. Jahrhundert haben dort Griechen auf den Ruinen des antiken Ortes Carmylessus eine Stadt mit dem Namen Levissi errichtet. Die Stadt hat um die 3.000 Häuser, zwei Kirchen und eine Kapelle hoch oben auf dem Berg mit Blick aufs Meer, um auf Angriffe vom Meer aus gewappnet zu sein, und ins Tal, so dass man ein anrückendes Heer frühzeitig sehen konnte. Die Stadt wurde vor genau ein hundert Jahren verlassen und die Gebäude verfallen allmählich vor sich hin. In die beiden Kirchen darf man entsprechend aus Sicherheitsgründen nicht mehr rein.


Blick von Westen von der Kapelle auf Levissi

Warum wurde die Stadt verlassen? 1922/1923 wurden die Griechisch Orthodoxen Christen aus der Stadt vertrieben. Basis für die Vertreibung war der Vertrag von Lausanne, der nach dem Griechisch-Türkischen Krieg den Frieden besiegelte.


Low Church (Baustil ist identisch mit der High Church – soweit man das von der Ferne beurteilen kann)

Ich frage mich, warum die türkischen Bewohner des Ortes die vorhandenen Häuser nicht übernommen haben, da die Bausubstanz eine hohe Qualität vermittelt, was man bei den Häusern im Tal nicht uneingeschränkt behaupten kann. Neben der Qualität ist die Hanglage des alten Levissi viel attraktiver.


Blick von Osten auf die High Church

Ich nehme mir fast zwei Stunden Zeit, die Hauptstraßen abzulaufen und mir alles ausführlich anzuschauen. Dabei komme ich ganz schön ins Schwitzen. Aus dem Tal, wo sich die ersten Häuser und die Low Church befinden, bis hoch zur Kapelle sind es sicher 120 bis 150 Höhenmeter. Von der Kapelle gehe ich wieder runter auf etwa halbe Höhe, wo die High Church liegt. Die einzigen Bewohner sind Landschildkröten, die die Ruinen zu ihrem Zuhause gemacht haben.


Die neuen Bewohner von Levissi

Danach mache ich mich auf den Weg. Von Kayaköy / Levissi an ist der Lykische Weg trotz kleinster Trampelpfade bestens markiert. Mein linker Fuß scheint sich erholt zu haben; ich verspüre keine Schmerzen. Hoffentlich bleibt das so. Gut gelaunt komme ich nach Ölüdeniz – Beach, wo ich mir ein Hotelzimmer gebucht habe. Der Ort liegt direkt am Wasser und mein Hotel etwas erhaben am Berg mit Blick auf das Meer. Heute mache ich es mir einfach und esse im Restaurant, das zum Hotel gehört.


Vom Balkon meines Hotelzimmers auf die See

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