Wie starten spät, da wir keine 15 Kilometer zwar gut 800 Höhenmeter vor uns haben. Trotzdem ist das in gut 3 Stunden zu bewältigen und wir haben uns für 14:00 Uhr zum Check-in angemeldet.
Also trinke ich gleich in der ersten Bar einen Cappuccino und esse ein Hefeteilchen, da die Brioches entweder mit Crema oder Schokolade gefüllt sind. Dann geht es, jetzt bereits fast halb zehn, richtig los. Wir müssen zunächst in eine Städtchen, das hoch oben auf einem Berg liegt: Tiriolo.
Bis dorthin müssen wir die Passstraße hoch. Nach etwa zwei oder drei Kilometer kommt eine Polizeifahrzeug und hält neben uns. Eine Polizist sitzt am Steuer und eine Polizistin auf dem Beifahrersitz; beide sehr jung. Ich denke, sie stören sich daran, dass ich Pedro nicht angeleint habe. Sie fragen zunächst von wo ich komme und wo ich hin will. Jetzt bekomme ich das Gefühl, die halten mich für einen Landstreicher und wollen mich aus ihrem Revier verjagen. Als ich ihnen mitteile, dass ich den Sentiero gehen, steigen sie aus, fragen, ob ich Englisch spreche und wollen mir helfen. So kann man die Zeit auch totschlagen. Ich bekomme eine genaue Beschreibung der Gegend, was ich mir unbedingt anschauen muss und wie mein Weg verläuft. Die glauben ernsthaft, dass ich mir merken kann, wo ich in fünf Kilometer nach verschiedensten Richtungsänderungen an der dortigen Weggabelung nach rechts oder links abbiegen muss. Das ganze dauert bestimmt zehn Minuten. Zum Abschluss warnen die beiden mich vor den Wildschweinen und ich mache den Fehler zu sagen, dass ich vor Tieren keine Angst habe. Jetzt gibt es Erklärungen, warum Wildschweine für Menschen hoch gefährlich sind. Ich habe genug und gehe darauf nicht ein, verabschiede mich höflich und gehe weiter. Die beiden fahren weiter in meine Richtung, kommen aber nach etwa fünf Minuten zurück, grüßen wieder freundlich und wünschen mir erneut einen schönen Tag.
Dann erreiche ich endlich Tiriolo. Im heutigen Zentrum kehre ich in eine Bar ein. Trinke natürlich mit den meist älteren Italienern zwei Café – also Espresso. Wie immer bewundern alle Pedro, dass er sich hinlegt, wenn ich ihm das sage, er nicht bellt, so niedlich aussieht etc. etc. Pedro scheint die Aufmerksamkeiten durchaus zu genießen.
Triolo: eine bedeutungslose wie typische Kleinstadt in den Bergen
Da Nebel aufzieht und es sehr nach Regen aussieht, brechen wir auf, obwohl wir durchaus noch Zeit hätten. Aus Tiriolio keuchen wir über Treppen und einen wunderschön angelegten Weg den Berg hoch. Der Weg ist, untypisch für die Gegend für Autos gesperrt. Auffällig ist, dass jeder Weg befahren wird, selbst wenn nach unseren Standards dieser für Autos ungeeignet ist. Es läuft auch niemand, außer zum Pilze sammeln. Selbst der kürzeste Weg, z. B. zum Nachbar, der 50 Meter weg ist, setzt man sich ins Auto. Also unser Weg endet hoch oben in den Bergen an dem Osservatorio Astronomico der Comune Tiriolo „Andrea Perrelli“. Auch wenn das Gebäude in gutem Zustand ist, scheint es eine Art Ruine zu sein. Nach meiner Internet Recherche handelt sich um eine private, nicht professionelle Einrichtung aus dem 18. Jahrhundert. Genutzt wird das Gelände nur noch als Sendeantenne. Andrea Perrelli war wohl ein Notar im 18. Jahrhundert ansässig in Tiriolo. Trotz seines Engagements wurde Tiriolo keine Stadt der Wissenschaft. Bedeutungslosigkeit war, ist und wird das Schicksal von Tirolo sein.
Anders als in Heidelberg hat die private Investition in ein astronomisches Observatorium nicht zu Weltruhm geführt
Nachdem wir uns bei dem Observatorium etwas umgeschaut haben wird unser Weg zu einem Klettersteig entlang eines Berggrades. An der einer oder anderen Stelle muss ich Pedro helfen. Aber wir managen das zusammen trotz der Wolken, die uns immer wieder umhüllen, trotz der stürmischen Böen und des Nieselregens. Auch wenn wir immer wieder Schwierigkeiten aufgrund des Wetters mit der Orientierung haben, finden wir unseren Weg und kommen gut voran.
Klettern im Nebel bei stürmischem Wind
Kurz bevor wir das Hotel erreichen, fängt es dann an wirklich zu regnen. Durchnässt erreichen wir unser Hotel viel zu früh. Alles ist dunkel und verschlossen. Ich schreibe eine kurze Nachtlicht, dass wir bereits angekommen sind. Der Hotelwirt, eine etwas mürrischer Hüne, kommt nach etwa zwanzig Minuten angerauscht. Öffnet uns und gibt mir die Zimmerschlüssel. Schnell verabschiedet er sich bis zum Abendessen.
Pedro und ich machen es uns in dem Zimmer gemütlich während draußen ein Unwetter mit Starkregen und Sturm tobt. Erst zum Abendessen bewege ich aus dem Bett, in das wir beide uns gekuschelt haben.
Das Restaurant, das Mitten im Nichts liegt, ist erstaunlich gut besucht. Ich hatte aufgrund der Lage vermutet, dass ich der einzige Gast sein werde. Weit gefehlt. Es kamen weitere Hotelgäste und das Restaurant ist um kurz nach neun voll, trotz des gruseligen Essens. Das Restaurant scheint eine Institution zu sein. Die meisten Gäste, vor allem die weiblichen, haben sich aufgebrezzelt. Es wird die Mode von vorgestern zur Schau gestellt. Gegessen wird Pizza und Bier getrunken. Um die Besonderheit des Restaurants herauszustellen gibt es als Aperitif Prosecco. Mir wird auch einer angeboten: man fragt mich, ob ich Vinegar haben möchte. Als man meinen erstaunt fragenden Blick sieht, wechselt man sprachlich ins Italienische und jetzt verstehe ich, dass man auch mir einen Prosecco anbieten möchte.