Athen: 30.05.22

Ich bin in Athen! Eine Stadt in der das Leben pulsiert. Ich habe ein Hotel am Fuße der Akropolis, die ich natürlich besichtige. Nachfolgend einige Impressionen und anschließend eine Zusammenfassung meiner Wanderung durch Nord-Griechenland.


Theater des Dionysus


Dionysus Eleuthereus


Tempel der Athene


Tempel der Athene


Odeon, römisch


Erechtheum 


Erechtheum: wer trägt die Last?


Parthenon 


Parthenon 

Schnell wurde mir klar, den E4, wie er ausgeschildert ist, werde ich nicht laufen. Das hat mehrere Gründe. Bei der Planung des E4 scheint man so vorgegangen zu sein, den Weg möglichst abseits der Zivilisation unter Mitnahme aller Gebirge und fernab jeglicher Infrastruktur anzulegen und dabei alle Städte zu meiden. Das hätte für mich bedeutet, weitgehend zu campen und mein Essen mitzunehmen. Beides gehört nicht zu meiner favorisierten Form des Reisens.

In den Bergen ist es im Mai – vor allem im Norden – noch sehr kalt. Ab etwa 1.400 Höhenmeter liegt noch recht viel Schnee. Die Wege sind aufgrund der Winterschäden, wie umgestürzte Bäume, abgebrochene Äste nur mit Schwierigkeiten passierbar. Ich bin in den Bergen daher nur sehr langsam vorwärts gekommen. Weiter im Süden wurde dies deutlich besser.

Müsli und Instantfood kann ich mal essen aber dies die meiste Zeit machen zu müssen, ist nicht mein Ding. Dafür bin ich dann doch zu sehr Genussmensch. In vielen Dörfern gibt es keine Tavernen und schon gar keine Restaurants. Selbst Einkaufsmöglichkeiten sind nicht die Regel, weshalb ich oft fahrende Händler getroffen habe, die ihre Waren von ihren Pickups herunter verkaufen. Vor allem im Norden konnte ich mich nicht auf die Eintragungen in Google Maps hinsichtlich Restaurants und Bars verlassen. Entweder gab es diese aufgrund von Coronavirus gar nicht mehr oder sie waren Saisonbedingt noch geschlossen. Ab Elassona hat sich das geändert. Die Karteneintragungen waren fast immer korrekt. Auffallend ist die Anzahl Restaurants bzw. Tavernen. Ich erkläre mir das damit, dass die Einheimischen zwar auswärts etwas Trinken aber zuhause Essen.

Die Küche, wie ich sie vor fünfzig Jahren bei meinem ersten Griechenlandaufenthalt, erlebt habe, ist weitgehend ausgestorben. Die Italienische Küche hat auch Griechenland erobert. Überall bekommt man Pizza, Pasta und Risotto. Als Beispiel, die Moussaka früher gefühlt vorherrschend bekommt man fast garnicht mehr.

Ab dem vierten Tag habe ich meinen Weg mit neuen Prioritätsregeln geplant. Gibt es eine Unterkunft, gibt es eine Möglichkeit Abendessen, zu bekommen. Vermeidung von Straßen. Randbedingung: Überquerung des Olymp, Kalambaka/Meteora und Delphi als Ziel. Damit war mein Weg etwas kürzer statt 750 bin ich nur 680 Kilometer gewandert bei ca 14.000 Höhenmeter statt knapp 30.000.

Vergleiche ich meine bisherigen Wandertouren, so ist das Wandern in Griechenland tagsüber eine einsame Angelegenheit. Auf dem Weg selbst bin ich nicht einmal jemanden begegnet. In den Orten sitzen in den Bars die alten Männer scheinbar den ganzen Tag, um sich die Zeit zu vertreiben. Überall, ob in den Bars, in den Unterkünften oder in Geschäften, ist mir höchste Freundlichkeit und eine ebenso große Hilfsbereitschaft entgegengebracht worden. Jeder hat versucht, mit mir zu kommunizieren. In den Dörfern oft in Deutsch, da immer jemand mal in Deutschland gearbeitet hat, in den Städten eher in Englisch. Die Bevölkerung unter 40 scheint durchweg Englisch gelernt zu haben.

Hunde sind definitiv ein Thema. Hunde sind unabhängig ihrer Größe ängstliche Tiere, weshalb sie zwar bellen und die Zähne fletschen, was Ausdruck ihrer Ängstlichkeit ist. Trotzdem ist es nicht angenehm, wenn man von mehreren Hunden umringt wird und diese einen bösartig wirkend ankläffen. Denn man kann sich nie sicher sein, ob einer nicht doch aus seiner Angst heraus zubeißt. Was mich immer wieder massiv geärgert hat, sind die Hundebesitzer, und hier kritisiere ich vornehmlich die Schäfer, die mitbekommen, dass ihre Hunde einen stellen und sich noch nicht einmal die Mühe machen, ihre Hunde zurückzurufen. Größere wilde Tiere habe ich nicht gesehen. Zu Beginn habe ich viele Bärenspuren auf den Wegen gesehen. Meine anfängliche Vermutungen wurden später von einem Einheimischen bestätigt. ImmGras muss man aufpassen, weil es überall Schlangen gibt. Ob diese einen ernsthaft verletzen können, weiß ich nicht, möchte aber nicht von einer gebissen werden. An machen Tagen bin ich von morgens bis abends von Insekten umschwirrt worden, die leider mich öfters gestochen haben. Zeitweise hatte ich an den Oberarmen dicke Pusteln davon.

Anders als in Spanien und Italien hatte ich nicht in einem Ort den Eindruck, dass dies am Sterben sind. Überall bin ich einer großen Lebendigkeit begegnet und immer Generationen übergreifend.

Bürgersteige sind in den Orten fast überall vorhanden. Sie sind nur nicht für den Fußgänger geeignet. Sie sind für die Aufstellung von Laternen, Strommasten, Blumen, Bäume und natürlich Mülltonnen. Müll ist definitiv ein Problem. Wenn der Müll keinen Platz in den öffentlich aufgestellten Mülltonnen hat, wird er am Straßenrand, im Wald und im Feld entsorgt. Ost sieht man am Straßenrand Autowracks, die zusammen mit Müll häufig auf den eignen Grundstücken deponiert werden, was viele Grundstücke wie Müllhalden aussehen lässt. Da man die Terrassen und Veranden prinzipiell zur Straße ausrichtet, kann das Grundstück hinterm Haus gut für den Abfall genutzt werden. Ich bin an sehr vielen Wohnhäusern, Bauernhöfe und Gewerbegebäuden vorbeigekommen, die am zerfallen sind und oft genug Ruinen sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie sich auf bewirtschafteten und besiedelten Grundstücken befinden. Müll, Autowracks und Ruinen sind ein Problem.

Griechenland ist die Wiege unsere Kultur und Werte. Wenn ich in Delphi oberhalb des Theaters auf den Apollo Tempel hinunter schaue und auf der Akropolis in Athen vor dem Parthenon stehe, spüre ich diese Wurzeln tief in mir. Mir stellt sich dort immer wieder die Frage, wie war es möglich, dies vor mehr als 2.500 Jahren zu erschaffen. Damit meine ich nicht nur die Gebäude und künstlerischen Arbeiten sondern viel mehr noch ein modernes Leben mit Theater und Musik zu führen, das Demokratie, Philosophie und Naturwissenschaften erschaffen hat. Wollte ich damals gelebt haben? Von der geistig künstlerischen Inspiration unbedingt. Aber unter keinen Umständen, was die restlichen Lebensumstände angeht aus das fängt bei der Hygiene an und hört nicht bei der medizinischen Versorgung auf.

Tag 26: 29.05.22

Ich befinde mich auf dem Fundament unserer Kultur. Bevor Rom die Weltherrschaft übernahm und bevor die Weltreligionen wie das Christentum und der Islam die Macht über alles irdische für sich in Anspruch genommen haben, stand Delphi für das Zentrum von Politik, Finanzen und Kultur. Delphi das Machtzentrum der Antike und nicht nur Ort des Orakels.

Die Ausgrabungen mit den Ausstellungstücken im Museum vermitteln mir ein Bild, wie das Leben Auserwählter in Delphi gewesen sein könnte. Mir gehen die Sagen der Antike durch den Kopf, auch das Wirken der Griechischen Philosophen, Mathematiker und Naturwissenschaftler. Was für eine Hochkultur, in der nicht schon fast jeder Gedanke einmal gedacht und nieder geschrieben wurde. Mich berührt dieser Ort wieder einmal tief in mir.


Schatzhaus Athens


Schlange des Aeskulap


Apollo Tempel von Osten und Sitz des Orakels


Apollo Tempel von Westen


Apollo Tempel vom Theater


Apollo Tempel von oben


Apollo Tempel oben


Apollo Tempel von nah


Theater von der Bühne


Theater mit Apollo Tempel im Hintergrund


Stadion


Sphinx – war auf einer 11 m hohen Säule


Athleten 


Portal

 
Figuren auf Säulenkapitell


Statuen vor Szenenbild


Lenker eines Streitwagens – Streitwagen ist bei einem Erdbeben zerstört worden


Zurück im neuzeitlichen Delphi: Kirche

Tag 25: 28.05.22

Ein Tag der Superlative!

Es gibt ein sensationelles Frühstück mit ausschließlich selbst erzeugten und hergestellten Produkten mit Honig, Marmelade, Ziegen-/Schaafsbutter, Brot, Eiern und nicht zu vergessen Kirschen aus dem Garten. Nur die Orangen für den frisch gepressten Orangensaft kommen aus Lamia.

So gestärkt, fällt es mir nicht schwer, die 650 Höhenmeter über sehr gut zu laufenden Wald- und Wiesenwegen gleich zu Beginn des Tages zu meistern. Oben auf dem Hochplateau wandere ich immer wieder über ausgedehnte fette, grüne Almwiesen. Nur Herden gibt es keine – dafür zwei einsame nicht zusammengehörende Ski.

Das Hochplateau eröffnet mir schliesslich einen Blick auf den höchsten Berg der Gegend, den Parnassus mit seinen knapp 2.500 Metern. Um ihn und die umliegenden Gipfel gibt es ein Skigebiet mit einigen Sesselbahnen und Gondeln.

Danach geht es fast 1.000 Höhenmeter runter nach Delphi, das immer noch 500 Meter über dem Meer mit Blick nach Süden am Berg klebt. Auf einem Weg, der sich nach unten schlängelt, hat man einen überwältigenden Blick auf den Ort und das Meer. Fast 2 Stunden brauche ich für den Abstieg, nicht weil es diese Zeit zum Wandern bräuchte, sondern weil ich immer wieder stehen bleibe oder auf einen Felsvorsprung klettere, um mich an diesem einmaligen Ausblick sattzusehen.

Kurz bevor ich das heutige Delphi erreiche, bekomme ich die Chance, einen ersten Blick auf das antike Delphi zu werfen. Das antike Stadion liegt linker Hand von mir und ist gut zu sehen. Morgen werde ich mir das antike Delphi genauer anschauen. Mal sehen, ob ich zum Orakel vorgelassen werde.

Tag 24: 27.05.22

Eine Asiatische Instant-Nudelsuppe von einem Chinesischen Hersteller ist nicht unbedingt Bestandteil meines typischen Frühstücks. Mangels Alternativen gibt es die heute Morgen. Es ist sicherlich kein kulinarisches Highlight aber die Suppe sättigt und ich halte bis heute Abend – zwar mit knurrendem Magen – durch, was vermutlich an dem Liter Limonade liegt, den ich über den Tag verteilt trinke. Ich liebe beim Wandern, wenn ich ausgepowert bin, eine kalte Limonade zu trinken und den anschließenden Zuckerschub, der mir neue Kraft gibt. Und heute brauche ich mehr als einmal wieder neue Kraft, um mein Ziel zu erreichen.

Auf dem Weg runter fängt alles ganz normal an. Erst eine kurze Strecke auf der Straße, dann auf einen Feldweg und jetzt muss ich mich entscheiden, nehme ich den OpenStreetMap Weg oder den GoogleMaps Weg. Ich entscheide mich für letzteres. Nach den Erfahrungen vom gestrigen Aufstieg, will ich keine Experimente eingehen.

Schnell entpuppt sich die Entscheidung als falsch. Aus dem schönen Feldweg wird ein zugewucherter Wiesenweg und irgendwann gibt es keinen Weg mehr. Aufgrund der Topographie kann es da auch keinen Weg geben. Also versuche ich, mir einen Weg durch das hohe Gras in Richtung des OpenStreetMaps Wegs zu bahnen. Das Wandern durch das hohe Gras ist unangenehm, unter anderem da ich ständig Tiere aufschrecke, die vor mir weglaufen. Ich hoffe nur, dass nicht eine Schlange oder ein anderes unangenehm beißendes Tier aus Angst nach mir schnappt. Das Gras juckt mir auf der Haut.

Tief unter mir liegt ein ausgetrockneter Bachlauf. Da muss ich runter und auf der anderen Seite wieder hoch, um in die angepeilte Richtung zu kommen. Der steile Abstieg in das Bachbett erweist sich mit dem Rucksack gar nicht so einfach. Unten angekommen wird mir klar, hier komme ich auf der anderen Seite nicht hoch. Daher laufe ich, gar nicht so schlecht, in der Hoffnung in dem Bachbett bergab, dass die Böschung irgendwann niedriger wird. Auch das ist eine Täuschung. Kurze Zeit später mündet der ausgetrocknete Bach in ein anderes wasserführendes Flüsschen.

Nächste Entscheidung. was nun. Erneut bemühe ich meine Karte. Der angestrebte Weg ist ungefähr 400 Meter rechts von mir durch einen dichten Wald mit einer kaum zu erklimmenden Böschung. Links von mir gibt es nach 300 Meter eine Bahnlinie. Die Böschung links komme ich hoch und oben ist eine Wiese mit hohem Gras. Damit ist diese Option deutliche einfacher zu gehen als durch den Wald mit seinem Dickicht. Tatsächlich schaffe es die Böschung hoch aus dem Bachbett. Ich bin nicht nur verschwitzt sondern auch völlig verdreckt. Was soll’s, keiner da, den das verwundern könnte. Nach 300 Meter stehe ich wieder vor einer hohen Böschung. Oben ist die erhoffte Bahnlinie. Wenn ich aus einem Bachbett aufsteigen kann, werde ich auch die Bahnlinie erklimmen können. Auf der Bahnlinie ziehe ich erstmal Schuhe und Strümpfe sowie mein Shirt aus und entferne, was ich in den letzen beiden Kilometern alles aufgesammelt habe. Dann kann es weitergehen. Ich laufe auf der Bahnstrecke, bis ich auf eine Straße stoße. Dann ist es auch nicht mehr weit und ich bin zurück auf meinem geplanten Weg.

So komme ich in eine ausgedehnte Hochebene. Die ich von West nach Ost vorbei an einem Ferienhotel mit einer Heerschar von Kindern, wo es einen ersten Kaffee und anschließend zwei Limos gibt, weiter durch den einen und anderen Weiler bis in den Ort, wo es nach Süden in die Berge abgeht. Auf einer wunderschönen Terrasse mit Blick auf die Kirche trinke ich eine zweite Tasse Griechischen Kaffee und natürlich eine Limo. Die Wirtin, die sehr gut Englisch spricht, fragt mich wo es heute hin geht und ich erzähle ihr, das mein Ziel unweit von hier in den Bergen liegt: Eptalofos. Sie lacht und sagt mit dem Auto wäre ich in zehn Minuten oben. Ich frage, wie der Weg zum Laufen sei. Das weiß sie nicht, sie ist noch nie hoch gelaufen. Der Ort sei sehr schön mit vielen Hotels und Restaurants. Nachts könne man dort gut schlafen, da es nicht zu warm sei.

Es geht über einen schönen Forstweg seicht den Berg hoch. Der Weg ist schön, links und rechts mit vielen Lichtungen und immer wieder Wasserstellen. An einer tausche ich mein warmes Wasser gegen frisches kühles aus. Ich komme an einem kleinen Wasserkraftwerk vorbei. Dann ist es vorbei mit dem schön ausgebauten Weg. Erst wird er enger, dann stehen Ginster- und Salbeibüsche im Weg. Schließlich wird es ein Pfad und danach fängt eine Baustelle an: eine Wasserleitung wird auf dem engen und immer steileren Weg (neu?) verlegt. Überall liegt Werkzeug wie Spitzhacken und Schaufeln rum und es ist nicht leicht zu laufen in der Rinne, die durch die Verlegung der der Wasserleitung gebuddelt wurde. Die offene Leitung macht es auch nicht leichter.

Weiter oben ist die Leitung bereits fertig, was es nicht viel einfacher macht, da die Erde noch lose ist und oft sehr ausgesetzt. Ich muss auf jeden einzelnen Schritt achten. Was nicht einfach ist, weil ich vermute, dass ich auf den Ginster allergisch reagiere. Meine Nase läuft und ist völlig verschleimt. Meine Augen sind zugeschwollen. Leider hilft mir mein neues Histamine Präparat, das mir meine HNO Ärztin verschrieben hat, überhaupt nicht. Sie hatte sich geweigert Telfas, was ich bisher immer benutzt habe, zu verordnen, mit dem Hinweis das sei ein altes Präparat, das man heute nicht mehr verwende und zu viele Nebenwirkungen habe. Das, was sie mir verschreibt, sei modern mit besserer Wirkung und ohne müde, zu machen. Das hätte ich mich stutzig machen sollen. Aus meinen Projekterfahrungen mit Traditioneller Chinesischer Medizin und der Homöopathie, weiß ich: ein Produkt ohne Nebenwirkungen hat auch keine Hauptwirkung. So ist das hier auch auch. Ich habe heute bereits die dritte Tablette genommen; keine Wirkung. Nase läuft, Augen zu.


Balancieren oder versuchen einen Weg weiter oben suchen? Kann doch Nadine größere Herausforderung sein als ein Baumstamm. Trotzdem 5 Meter tief fallen möchte ich auch nicht. Trau Dich, Harald!

Noch weiter oben ist die Verlegung der Leitung bereits so lange her, dass die Natur sich den Weg „zurück geholt“ hat. Er ist mit Ginster zu gewachsen. Durchkommen schwierig. Nach vielen Anstrengungen komme ich schließlich in ein sehr schönes Bergdorf mit eine Reihe von Hotels und Restaurants. Alles sieht nett aus. Überall gibt es Wasserstellen. An einer wasche ich mir Hände und Gesicht, bevor ich mein Guesthouse für die Nacht suche.

Ganz am Ende des Ortes, am höchsten Punkt liegt das Haus. Eine ältere Dame, mindestens so alt wie ich, öffnet mir und schenkt mir als Begrüßung einer Kräuterschnaps ein. Da sie nur Griechisch spricht können wir uns nicht verständigen. Trotzdem ist mir klar, sie mir zu versteh geben, dass es ein Schnaps aus dem Dorf sei. Dann kommt ein jüngerer Mann, mit dem ich Englisch sprechen kann. Er kennt sich in den Bergen gut aus. Als er fragt, wie mein Aufstieg war und ich ihm von der Baustelle berichte, sagt er, dass ihm das bewußt und er an dem Projekt beteiligt sei. Es sei auch geplant, den Weg oben wieder begehbar zu machen.

Später im Dorf. Als ich auf dem Dorfplatz köstlich esse, treffe ich ihn wieder und er setzt sich kurz zu mir. Ich frage ihn über den morgigen Weg aus und ob ich auf ähnliche Probleme stoße wie gestern und heute. Das verneint er. Der Weg hoch zu einem Skigebiet und anschließend runter nach Delphi sei anstrengend aber der Weg sei in gutem Zustand. Es gäbe auch unterwegs drei Wasserstellen. Er erzählt weiter, dass die Saison für das Dorf zu Ende sei. Man lebe hier vornehmlich vom Winter. Das erklärt auch, dass die Häuser gut aussehen und nicht verfallen sind. Auch herrscht Ordnung und es gibt keine Grundstücke die zugemüllt sind. Den Touristen und deren Wohlgefallen sei Dank.

Ich esse in einem Restaurant auf dem Hauptplatz, der genauso lebendig ist wie in Lamia. Ich bekomme heute einen Griechischen Salat und Lammkoteletts, alles eine Empfehlung des Wirtes. Die Karte kann ich nicht lesen, nur in Griechisch verfügbar. So verlasse ich mich auf ihn. In einem Mischmasch aus Englisch/Deutsch, das er spricht, verständigen wir uns schnell auf das Menü. Der Salat ist gut und nicht so lieblos, wie ich ihn bisher oft bekommen habe, und die Lammkoteletts sind interessant geschnitten aber wirklich lecker zubereitet. Sie müssen sehr frisch sein, so dass ich sogar das Fett  mit esse, zum Abschluss bekomme ich ein Orangentarte – auch wenn er mit mir übt, ich kann den Namen auf Griechisch nicht wieder geben. Gefühlt dauert es zehn Sekunden, um ihn auszusprechen. Das Wasser holt er an einer Wasserstelle direkt an einer der beiden riesigen Kastanienbäume. Hier fühle ich mich wohl!

Tag 23: 26.05.22

Welch eine hinreißend schöne Landschaft! Wasser fließt überall in Flüssen und Bächen, auf den Wegen und über Felsen hinweg in die Täler. Zusammen mit dem Sonnenschein erzeugt das eine fette Vegetation, die sich in allen Grüntönen präsentiert. Sensationell!

Der Tag hatte es in sich. Obwohl nur gut 27 Kilometer dafür aber 1.100 Höhenmeter, war das heute nach den beiden Olymp-Tagen die schwerste Etappe.


Im Dunst der Mittagshitze kann man die Ägäis erkennen

Mein Ziel liegt genau im Süden von Lamia, hoch oben in den Bergen. Das bedeutet, ich durchquere zunächst die Flussebene, die sich im Osten bis zum Ägäischen Meer hinzieht. Danach wandere ich in die gemächlich ansteigenden Berge. Als ich nach etwa 8 Kilometern an einer Bar vorbei komme, ich hatte befürchtet, heute gibt es keine Versorgungsmöglichkeit, mache ich daher schon eine frühe Rast und „betanke“ meinen Körper.

Vorbei an Wasserquellen und an Klöstern, von denen es eine ganze Reihe gibt – ich vermute, das liegt an dem reichlich vorhandenen Wasser – wird es immer steiler. Da es keine Kneipen mehr gibt, mache ich nach gut 20 Kilometern Halt an einer öffentlichen Wasserstelle, die es in vielen Orten gibt, hier aber überall zu finden sind.

Bisher war mein Weg geprägt von Straßen und gut angelegten Wegen. Das ändert sich, als die landwirtschaftliche Nutzung endet. Kein Mensch braucht in den Bergen Wege. Zum Vergnügen wandern die Einheimischen nicht und beruflich gibt es keinen Nutzen. Der Weg, den selbst Google Maps kennt und vorgeschlagen hat, war wohl mal ein Weg. Jetzt ist er oft völlig zu gewuchert, manchmal von den reißenden Bächen unterspült und gelegentlich einfach nicht da. Weil das Gelände steil ist – nicht nur hoch auch runter – ist nicht nur einen Pfad finden eine Herausforderung sondern auch das Gehen selbst. Die Disteln stechen, die Dornen einiger Sträucher malträtieren mich, der Untergrund ist geröllig oder glatt durch die Nässe, durchzogen mit tiefen Gräben und und und. Das ist nicht nur unangenehm, sondern erfordert meine volle Konzentration. Meine stechenden und mich umschwirrende Freunde begleiten mich ebenfalls seit einiger Zeit wieder. Sie versuchen meine Aufmerksamkeit weg vom Weg, auf sich zu lenken.

Nach einem anstrengenden Abstieg wate ich durch einen breiten dafür langsam dahin plätschernden Fluss. Die Durchquerung ist äußerst schwierig, da die Steine glatt und rutschig sind und beim Auftreten wegrollen. Hier möchte ich mir weder einen Fuß vertreten und schon gar nicht das Bein brechen. Hilfe bekomme ich in diesem Gelände sicher nicht. Meine Quälgeister scheinen das zu wissen und werden am Fluss, und das startet schon beim ausziehen der Strümpfe, immer aggressiver. Mir scheint, es bereitet ihnen größtes Vergnügen, mich bis aufs Blut zu quälen.

Auf der anderen Seite des Flusses finde ich den Weg dann gar nicht mehr. Ich versuche mit dem GPS und meiner Einschätzung des Geländes, meinem Ziel näher zu kommen und frage mich, ob der Weg weiß, dass er hier sein sollte und warum er das nicht ist. Noch einmal 300 Höhenmeter unter diesen Bedingungen verlangen mir alles ab und entziehen mir die letzten Kräfte. Ich bin völlig erschöpft. Oben angekommen, ist der Weg auf einmal wieder da und ich habe einen sensationellen Blick.

Der Ort, in dem ich ein Zimmer gemietet habe, ist tatsächlich so vereinsamt, wie ich schon aus dem Kartenmaterial vermutet hatte. Gut dass ich gestern vorsorglich zwei Nudelsuppen eine für heute Abend und eine Fürs Frühstück und ein Päckchen Nüsse gekauft habe. So muss ich wenigstens nicht hungern. Satt werde ich allerdings auch nicht. So eine Suppe hat am Ende eben nur gut 300 kKalorien und das letzte mal gegessen habe ich heute Morgen im Hotel. Das Frühstück war dort, wie meist in Griechenland, alles andere als üppig. Ich bin sicher, dass ich heute mehr Energie verbraucht als meinem Körper zugeführt habe.


Ist das nicht ein hübsches Waschbecken?

Tag 22: 25.05.22

Die Flussebene, die ich gestern erreicht habe, führt ca. 20 Kilometer östlich von Lamia an die Ägäis. 30 Kilometer sind es vom Hotel bis nach Lamia. In der Ebene zu wandern ist im Normalfall angenehm, weil man ohne allzu viele Mühen ordentlich ausschreiten kann. Nur heute bedeutet es 30 Kilometer neben und auf einer Straße zu gehen, die für hiesige Verhältnisse viel befahren ist, und das macht es dann wieder langweilig und aufgrund des Verkehrs nervig.

Um mich abzulenken, stecke ich gegen meine Gewohnheiten gleich meine Airports ins Ohr und höre fast bis nach Lamia SWR3,.

Vorteil von Ebenen und viel befahrenen Straßen sind die regelmäßig an der Straße liegenden Dörfer und damit Bars, in die ich einkehren und eine Pause machen kann. Oft findet man die Bars nicht an der Hauptstraße sondern am Hauptplatz bei der Kirche. Schön sind die Dörfer meist nicht. Das liegt nicht an den öffentlichen Einrichtungen, sondern daran, dass die privaten Häuser nicht gepflegt werden, die Besitzer ihr Eigentum verfallen lassen und ihre Grundstücke als Müllhalten und Schrottplätze nutzen.

Wie bisher auf meinem Weg durch Griechenland werde ich in den Bars überaus freundlich empfangen, jeder interessiert sich woher ich komme und warum ich mit einem großen Rucksack in der Gegend rumrenne. Scheinbar erzeugt das so viel Mitleid, dass ich fast überall auf einen Kaffee eingeladen werde.

Neben den Bars gibt es einen weiteren Vorteil, in der Ebene zu wandern. Es gibt keine Insekten, die mich piesacken. In den letzten Tagen haben es die stechenden Tierchen vorfallen auf meinen rechten Oberarm abgesehen. Ich habe eine Vielzahl von juckenden, dicken und roten Pusteln, die heute die Chance haben zu heilen ohne, dass neue hinzukommen. Dass es hier so gut wie keine Fliegen und Mücken gibt, erkläre ich mir mit der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung und der damit verbundenen Insektenbekämpfung. Ein klassisches Dilemma. Auf der einen Seite bin ich heilfroh, nicht „verstochen“ zu werden, auf der anderen Seite ist mir bewusst, dass damit die Natur und in diesem Fall mindestens die Insektenvielfalt bzw. -vielzahl leidet: Fluch und Segen. Die Frage nach der Priorität ist alles andere als leicht zu beantworten. Daher sind mir diejenigen in der Gesellschaft, die eine klare und einfache Antwort haben suspekt. Wer bedingungslos nach Naturschutz ruft, muss auch beantworten, ob wir mit dem, was daraus folgt, leben möchten. In diesem speziellen Fall heißt das: viele Insekten = Reduktion von Lebensqualität z. B. in Form von keinen Picknicks auf der Wiese ohne, dass sich Insekten an einem selbst und am Picknick gütlich tun. Ich habe keine Antwort darauf. Ich könnte mir vorstellen, dass die jugendlichen Fridays for Future Anhänger die ersten sind, die hysterisch auf einen Stich einer dicken fetten und schön schmutzigen Bremse reagieren würden. Aber klar ist auch, wir können nicht alles töten, was uns unangenehm ist. Die Natur ist uns alles andere als freundlich gesinnt.

Zurück zu meinem Weg. Kurz vor Lamia überquere ich eine Autobahn: nach links —> kein Verkehr – nach rechts —> kein Verkehr! Ist das Zufall oder ist die Frage zulässig, warum die Griechen Straßen bauen, die keiner nutzt?

Lamia ist eine lebendige Stadt am Nördlichen Ende des Flussdeltas am Berg gelegen. Teilweise geht es steil nach oben. Der Höhenunterschied beträgt bis zu 150 Meter. Wie in den Dörfern auch liegt der Hauptplatz in der direkten Umgebung der Kirche. Der Unterschied zu Dörfern: hier gibt es mehr als eine Bar und die gesamte Bevölkerung sitzt in den Bars und nicht nur die alten Männer. Vergleichbar ist auch, dass ausschließlich Bars um den Platz herum angesiedelt sind. In den Seitenstraßen gibt es Fastfood jeder Art. Eine Griechische Küche, wie ich sie von meinem ersten Besuch als Teenager in Griechenland, was zugegebenermaßen mit einem halben Jahrhundert schon lange her ist, habe ich bisher nur in Kaditsa bekommen.

Ich habe nicht nur das Restaurant sondern auch die komplette Gasse für mich. Heute gibt es frittierte Aubergine und als Hauptgericht einen Hühnchenspiess mit den hier obligatorischen Pommes Frites. Gesellschaft bekomme ich auch. Allerdings eine sehr aufdringliche Gesellschaft.

Tag 2: 05.05.22

 

Um 06:30 Uhr geht die Sonne auf, schnell erwärmt sich die Luft und ich versuche noch etwas Schlaf in der Sonne zu bekommen. Ich stehe daher erst um 08:00 auf. So kann ich mich anziehen ohne das Gefühl zu haben, ich erfriere bei dem Vorgang. Ich baue das Zelt ab und packe meine Sachen zusammen. In der Sonne mache ich meine Morgentoilette und frühstücke eine Kleinigkeit. Dann geht‘s los.

Weitere 150 Meter muss ich hoch. Hier herrscht Winter

Dann geht es 800 Meter runter. Wegen der umgestürzten Bäume und der sich türmenden Äste, komme ich nur sehr langsam vorwärts. Mit jedem Meter den ich absteige komme ich dem Frühjahr näher.

Im Tal ist Frühjahr und ein fast 1.000 Meter Anstieg über einen Pass erwarten mich. Also wieder geht es vom Frühjahr in den Winter und später zurück in frühlingshafte Gegenden. Natürlich warten auch hier wieder Schneefelder und Bruchholz, das den Weg unpassierbar erscheinen lässt. Der Anstieg und das ständig überwinden der unpassierbaren Wege erschöpfen mich.

In Nymphaio, einem kleinen Bergdorf, in dem alle Häuser aus grauem Stein – Basalt? – gebaut sind, übernachte ich in einem Guesthouse. Nach dem ich meine Wäsche gewaschen habe und mich geduscht habe, schaue ich mich in dem Dorf um. Obwohl es viele Restaurants und Bars gibt, die Tische und Stühle draußen stehen, sind sie alle mangels an Gästen geschlossen. Ich esse in meiner Unterkunft eine Pizza – einzige Alternativen sind Hot Dogs. Klingt nicht gerade Griechisch.

Tag 1: 04.05.22


Ich starte meine Wanderung auf dem E4 in Nordgriechenland in dem Bergstädtchen Florina. Von dort ist es nicht weit zu den Grenzen von Nordmazedonien und Albanien. Es ist regnerisch und kalt als ich am Nachmittag des Vortages mit Zug von Thessaloniki ankomme. Heute Morgen ist es sonnig und es soll so den ganzen Tag bleiben. Die Wettervorhersage meldet Temperaturen im einstelligen Bereich – kälter als ich gehofft habe.

Im Wald ist die Vegetation soweit wie in Heidelberg auch. Die Natur zeigt sich mit frischem Grün und feuchten Wegen. Es geht ständig bergauf. Nach etwa einer Stunde erreiche ich eine verlassne Abtei. Ich vermute hier haben die Mönche ihre letzte Ruhestätte gefunden. Ich mache auch eine kurze Pause, denn ich will hier nicht die ewige Ruhe finden.



Etwas später habe ich einen phantastischen Blick auf die Berge und ins Tal. An diesem wunderschönen Ort suche ich mir in der Sonne ein Plätzchen, um zu vespern. Ich hatte mir in Düsseldorf vom Carlsplatz eine gut durchgetrocknete Salami und einen Französischen Hartkäse mitgenommen. In Florina habe ich, bevor ich aufgebrochen bin, noch ein Weißbrot gekauft. Müsli habe ich ebenfalls, für den wahrscheinlichen Fall heute zu campieren, mitgenommen, weshalb zusammen mit 2,5 Liter Wasser einen äußerst schweren Rucksack den Berg hoch tragen muss.

Kurz nach meinem Mittagessen werde ich von Schnee auf meinem Weg überrascht. Ab etwa 1.300 Höhenmeter gibt es sowohl auf dem Weg als auch abseits des Neuen Tees und viele zum Teil sehr ausgiebige Schneefelder. Das Gehen wird durch umgestürzte Bäume und gebrochene Äste erschwert.


Auf 1.600 Höhenmeter bin ich so fertig, dass ich mir einen schönen Platz in der Abendsonne für mein Zelt suche. Das ist das erste mal, dass seit fast 40 Jahren. Ich lass es mir in der Sonne gut gehen und esse zu Abend.

 

Es ist wieder so weit …

… am kommenden Montag, 02.05.2022 werde ich nach Thessaloniki fliegen, um auf dem E4 von Florina – im Dreiländerecke Albanien, Nordmazedonien, Griechenland – über den Olymp, vorbei an den Meteora-Klöstern, nach Delphi zu wandern: ca. 750 km und durchschnittlich 1.000 Höhenmeter täglich.

Meine Ausrüstung wartet nur noch darauf gepackt zu werden. Da ich nicht weiß, ob ich in den Bergen jeden Abend ein Bett finden werde, werde ich diesmal auch eine Campingausrüstung mitnehmen. Trotzdem ist mein Rucksack ohne Essen und Trinken nur 8 kg schwer. 

Im nächsten Beitrag werde ich eine Liste meines Equipments inkl. des Gewichts posten.