Tag 24: 26.10.2022

Das Highlight heute ist das Tal der Tempel. Tatsächlich reihen sich die sieben Tempel, so viele habe ich zumindest gezählt, oben auf einer Hügelkette auf und thronen etwa 100 Meter über dem Meer. Vom heutigen Agrigent aus gesehen, das auf etwa 200 Meter liegt, ist das im Tal. Daher der Name.

Vom Ticketcounter geht man zunächst hoch zum Tempel der Hera, den östlichsten der Tempel.

Von dort läuft man an antiken Befestigungsmauern zum Concordia Tempel, der seinen Namen aufgrund der Herzlichkeit der Bevölkerung erhalten hat, so sagt die Legende. Der Concordia Tempel ist bestens erhalten, was damit erklärt wird, dass er als Kirche geweiht wurde nach Austreibung von Castor und Pollux. Davor liegt eine männliche Bronzestatue.

Von den restlichen Tempeln ist nicht mehr viel übrig, da die Phönizier bei der Eroberung der Stadt, diese zerstört haben. Die Grundmauern des mächtigen Zeus Tempel mit einer Fläche von ca. 6.000 qm und einigen umgeworfenen Säulen zeigen, über welche statischen Fähigkeiten man vor mehr als 2.500 Jahren bereits verfügt haben muss.

Den Abschluss ganz im Westen bildet der Tempel, der dem Gott Vulkan gewidmet ist.

Die Strecke zwischen Hera‘s und Vulkan‘s Tempel beträgt fast vier Kilometer. Große Teile der Befestigungsmauer Richtung Süden zum Meer hin sind noch erhalten. Man darf meist über die antiken Steine an der Mauer entlang marschieren. Zusätzlich gibt es eine Straße, die die Tempel verblindet. Ob diese auch dem Verlauf der antiken Wege entspricht, kann ich nicht erkennen. Dennoch ist die Ausdehnung beeindruckend, die besonders durch diese Straße klar wird.

Zurück am Auto fahre ich etwa 100 Kilometer an der Südküste entlang. Viele Gewächshausanlagen, die einen großen Teil der Fläche bedecken, sind hier in unterschiedlichen Qualitäten aufgebaut. Ich sehe darin Tomaten, Gurken und manchmal auch Bäume. Je weiter ich Richtung Osten komme, werden die Gewächshäuser seltener und werden durch Oliven und Zitrusfrüchte abgelöst.

Da ich auf den Straßen nur sehr langsam vorwärts komme, breche ich mein Vorhaben, an der Küste bis nach Syrakus zu fahren, kurz hinter Gela ab und gebe Catania als neues Ziel ins Navi ein.

Ich übernachte in unmittelbarer Nähe zum Flughafen in einem NH Hotel. Die haben am Montag ein großes Software-Update gemacht und finden meine Reservierung nicht. Ärgerlich, da ich über Booking.com bereits im Voraus bezahlt habe. Am Check-in ist man so freundlich und gibt mir trotzdem ein Zimmer, obwohl sie ausgebucht seien (Never ever). Sie sind dann auch noch der Ansicht, ich habe das mit Booking.com zu klären. Da bin ich ganz sich anderer Meinung und tue das auch kund. Na, mal schauen, wie das weiter geht …

… als ich zum Abendessen gehe und an der Rezeption vorbei komme, spricht mich die Dame an, die mich eingecheckt hat: sie habe die Buchung gefunden und meint, ich solle doch besser direkt bei den Hotels buchen statt über irgendwelche Makler. Gerne, wenn sie nicht über einen längeren Zeitraum offline sind.

Tag 22: 24.10.2022

Sonnenaufgang: schnell und tief rot steigt die Sonne aus dem Meer in den Himmel. Trotzdem ist es so früh am Morgen noch frisch. Zu kühl für mich, um im Meer zu baden. Zumal die Wassertemperatur bei nur 23 Grad liegen soll.

Heute wandere ich dem Grunde nach die ganze Zeit auf der SS114, die bis nach Messina hinein führt. Etwas höher am Berg klebt die Autobahn. Oft verschwindet sie im Berg. Meist etwas unterhalb der SS114 verläuft die Bahnlinie; Bahnlinie und Straße wechseln allerdings öfter mal die Position.

Auf der sehr schmalen Fläche zwischen Meer und Berg zwängen sich langgelegen Straßendörfer, die meist in einander übergehen, so dass ich die meiste Zeit durch Ortschaften laufe. Dabei kann ich oft wählen, ob ich an der Strandpromenade oder auf der Durchgangsstraße gehe. An der Promenade ist es verkehrstechnisch ruhiger aber auch sonniger. Im Ort werfen die Häuser Schatten und es ist etwas abwechslungsreicher gleichwohl das Stadtbild sich wiederholt. Bars und Geschäfte sind prinzipiell im Ort. An der Promenade stehen hin und wieder LKWs, die von der Ladefläche ihre Waren meist Obst und Gemüse, anbieten.

In manchen Bereichen ist die verfügbare Fläche so gering, dass die Bahntrasse direkt am Meer liegt, dann kommt eine Häuserreihe, danach die SS114, wieder eine Häuserreihe durch deren Gärten sich auch schon die Autobahn quetscht. Schrecklich.

Eigentlich ist die Küste wunderschön mit ihrem hunderte Kilometer langen Strand und den hohen, steilen Bergen. Über das Meer Richtung Osten sieht man bereits Kalabrien. Dennoch ist sie durch die drei Verkehrstrassen völlig verbaut und somit unattraktiv für Touristen. Damit fehlt das Geld, um die Strände und Promenaden so aufzuwerten, dass Gäste aus dem Ausland angelockt werden können. Eine Abwärtsspirale entsteht: die Gebäude zerfallen, da die Renovierung und der Erhalt zu kostspielig sind; und so kommt es, dass hoch über der Autobahn neue riesige Wohnblocks gebaut werden, die große Terrassen und sicher einen fantastischen Blick haben. Nur zur Steigerung der Attraktivität der ohnehin schon verbauten Umgebung tragen sie nicht bei. Im Gegenteil, die Menschen verlassen die Orte und ziehen hoch in die Berge, was wiederum zur Folge hat, dass es niemanden mehr Interesse daran hat, die Städte und Dörfer zu erhalten.


In jedem Garten stehen Bäume voll mit Zitrusfrüchten. Viele der Früchte sind fast reif und verführen, rein zu beißen.

Nach gut 30 Kilometer erreiche ich mein heutiges Ziel. Am angegebenen Ort bzw. GPS Koordinaten gibt es keinen Hinweis auf meine Unterkunft mit dem wohlklingenden Namen: Villetta con terrazza sul mare Santa Magherita Marina. Auch sehe ich meine Gastgeberin nicht, obwohl ich minutengenau ankomme. Ich rufe sie an. Ich versuche klar zu machen, dass ich angekommen bin und beschreibe meinen Standort auf Englisch. Sie antwortet mir in rasantem Italienisch. Einige Worte verstehe ich auch die Frage, ob ich an der Apotheke bereits vorbei bin. Das bejahe ich und schon erhalte ich im schnellst möglichen Italienisch eine Antwort: Bahnhof! Sie legt auf und ich habe keine Ahnung wohin. Sie glaubt wohl, sich bestens ausgedrückt zu haben, was ich nun machen soll.  Ich stelle mich etwas exponiert auf die Straße, so dass man mich von dem Haus, das ich glaube mein Heim für heute Nacht ist, und der Apotheke aus gut sehen kann. Ich erwarte, dass sie mich so sehen kann, wo immer sie sich gerade befindet auch, selbst wenn sie noch auf dem Weg sein sollte. Nichts. Also schicke ich eine SMS, beschreibe, wo ich bin und frage, was ich tun soll. Kaum abgeschickt, ruft sie mich wieder an und brüllt so laut, dass mir klar wird, sie ist in meiner unmittelbare Nähe. Dann sehe ich eine wild winkende Frau auf einem Balkon.

Ich werde überschwänglich begrüßt. Wortschwall über Wortschwall fegt über mich hinweg. Noch einmal sage ich ihr, dass ich kein Italienisch spreche. Jetzt erst spricht sie langsamer und artikulierter. Sie entschuldigt sich, das sie kein Englisch spricht, zeigt mir die Wohnung, fragt, was ich beruflich mache, dass sie Anwältin ist, bedauert, das ich nur eine Nacht bleibe und das Meer nicht ausgiebig genießen kann und und und. Dann verabschiedet sich und saust los. Keine zwei Minuten vergehen und es klopft an der Tür. Sie hat ihre Handtasche vergessen. Meine Herren, was für ein Wirbelwind.

Ich lasse nun erst mal Ruhe einkehren. Ich ziehe mir meine Badehose an und gehe über die Straße zum Strand. Wie überall ist der Sand grau-schwarz und sehr grobkörnig. Zum Liegen lädt der Strand nicht ein, dafür liegt zu viel angespülter Müll herum. Ich will mich sowieso nicht hier hinlegen sondern etwas schwimmen. Puh, ist das Wasser kalt. Mir verschlägt es den Atem und ich werde auch beim Schwimmen nicht warm. Niemals hat das Wasser 23 Grad. Kein Wunder dass ich den ganzen Tag noch niemanden habe schwimmen sehen. Keine fünf Minuten bleibe ich im Wasser. Zitternd komme ich aus dem Meer und trockne mich schnell ab. Jetzt brauche ich eine heiße Dusche.

Tag 21: 23.10.2022

Von Giarre laufe ich die Gerade hinunter zum Meer. Etwa zehn Kilometer kann ich direkt am Wasser entlang wandern. Meist ist der Strand direkt zugänglich. Da Sonntag ist kommen viele Einheimische, parken an der Straße und legen sich in die Sonne.

Schließlich muss ich einen Fluss überqueren: die nächste Brücke liegt einige Kilometer den Berg hoch und da muss ich jetzt hin, vorbei an Gärten voll mit Zitrusbäumen. Jetzt muss ich einer Strada Statale (das entspricht in etwa einer Bundesstraße in Deutschland) folgen. Sie ist zwar stark befahren, trotzdem kann ich gefahrlos – mal auf der einen mal auf der anderen Seite mal mit Bürgersteig mal ohne – marschieren. Eng ist es nur auf Brücken. Diese sind nicht designed worden für die aktuellen Autos und schon gar nicht für eine Kombination von Autos, Fußgängern und Radfahrern. Heute scheint Radfahrtag zu sein. Große und kleinere Gruppen an Rennradfahrern brausen die Straßen entlang.

In den folgenden Ortschaften herrscht ein buntes Treiben. Viele Geschäfte haben offen. Verkauft wird an jeder Ecke frischer Fisch sowie Obst und Gemüse. Die Plätze sind belebt. Nicht nur die Gebäude sind alt auch mancher Baum auf den Plätzen hat schon Vieles kommen und gehen sehn. Reichlich Schatten spenden sie wohl schon so mancher Generation.

Danach erwartet mich ein Highlight. Ich habe in den letzten Wochen mehrere Romane gelesen, die in Taormina spielten. Da will ich jetzt hin. Ich habe aufgrund des Lesestoffs ein klares Bild von der Stadt. Meine Erwartung ist allerdings nicht ganz korrekt. Zunächst einmal liegt die Stadt auf 200 Meter, weit höher als in meiner Vorstellung. Ich komme schwitzend mit völlig durchnässtem Shirt in der Stadt an. Ich werde quasi totgetreten von Touristen. Unmengen an Restaurants, die gerade Mittagessen anbieten mit Tischen auf den steilen Straßen. Ich gewinne den Eindruck, in Taormina gibt es nur Restaurants. Ich hingegen bin auf der Suche nach einer Bar. Ich möchte etwas kaltes trinken und einen Espresso trinken. Es braucht eine Weile, bis ich eine Bar finde. Der Barkeeper überzeugt mich, zum Kaffee noch ein Cannoli zu essen. Ich lasse mich überreden: köstlich süß. Nun möchte ich das antike Theater, das auf einem Felsvorsprung gebaut ist und auf dem höchsten Punkt der Stadt von den Griechen gebaut wurde. Erschrocken muss ich feststellen, dass nicht nur ich mir das anschauen möchte. Einen Offiziellen frage ich, wie lange es dauert, bis ich am Ticketschalter dran bin. Er meint mindestens eine Stunde bräuchte ich. Ok, das ist es mir nicht wert.

Also dann wieder runter ans Meer und auf nach Letojanni, wo ich direkt am Strand eine Wohnung angemietet habe. Letojanni scheint mir einiges vom Lido di Jesolo und Rimini abgeguckt zu haben: langer Strand in der den Händen von Strandbädern mit Restaurants, die allerdings alle spätestens um 20:00 Uhr schließen.

Die Wohnung allerdings liegt in einem Compound mit eigenem Strand. Ich habe einen schönen Blick vom großen Balkon aufs Meer. Heute Nachmittag habe ich nicht so rechte Lust im Meer zu baden. Ich nehme mir vor, Morgen eine halbe Stunde früher aufzustehen und dann schwimmen zu gehen.

Mein Restprogramm meiner Tour nach Messina und Touriprogramm inkl. R

Tag 20: 22.10.2022

Ein Traum von einem Wandertag: die Landschaft überwältigend schön, herausfordernde Wege und zurück im Sommer. So könnte ich den heutigen Tag zusammenfassen.

Aber alles der Reihe nach. Um 07:00 Uhr klingelt der Wecker. Ich habe keine so richtige Lust aufzustehen. Deshalb gammele ich etwas rum und brauche eine drei-viertel Stunde bis ich endlich das Haus verlasse. Ich muss wieder die vier Kilometer und 200 Höhenmeter hoch zum Refugio Sapienzia. Dort gehe ich in die erste beste Bar, die offen hat und frühstücke wie die Italiener mit Croissants und Cappuccino.

Jetzt umrunde ich zunächst den Etna auf der Südseite und gehe wieder hoch bis auf gut 2.000 Meter. Als ich fast oben aus dem Wald komme, eröffnet sich mir ein spektakulärer Blick auf den Etna mit seinem Krater, der vor 20 Jahren entstanden ist, auf eine Lavafeld, das bei einem Ausbruch vor etwa 110 Jahren eine grauenhafte Verwüstung vom Gipfel bis ans Meer angerichtet hat, und auf ein sehr steiles Tal mit Büschen und Bäumen.

Diese Landschaft berührt mich sehr und erzeugt bei mir ein absolutes Glücksgefühl.

Auf dem Grat von Leben und Tod: zur einen Seite das grüne Tal mit altem Baumbestand wie latschenartigen Kiefern, Buchen und vereinzelten Birken und auf der anderen Seite das Lavafeld grau, schwarz und ohne sichtbares Leben führt nun mein Weg. Zu beiden Seiten fällt der Berg extrem steil ab. Der Weg ist schmal, mal auf der einen Seite und mal auf der anderen Seite des Grates geht es bergauf und bergab sehr sehr langsam vorwärts. Manchmal brauche ich Beine und Arme, um die Kletterpartien sicher gehen zu können. Das geht so etwa zwei Kilometer mit etwa 400 Meter hoch und 600 Meter runter, für die ich mehr als zwei Stunden brauche. In den Alpen wäre der Weg als Klettersteig ausgewiesen. Hier gibt es solche Kategorien nicht und Sicherungen fehlen natürlich auch. An vielen Stellen ist auch die Wegführung uneindeutig, was ein Sicheres gehen um so mühevoller macht.

Später komme ich in einen Wald, in dem es steil bergab geht. Allein in dem Wald „verliere“ ich 1.000 Höhenmeter. Der Weg ist steil, voller Pilze aber vor allem schwer zu begehen, nicht nur wegen seiner Steilheit sondern wegen des tiefen Lavasands, der sich mir ständig in die Schuhe spült, des Laubes und der Unmengen an Kastanien, die durch die Schuhe piksen und zusätzlich rutschig machen.

In Summe laufe ich heute 26 Kilometer und verliere 2.250 Höhenmeter. Letztere haben mich ermüdet: meine Knie tuen mir weh, meine Oberschenkelmuskulatur ist ganz hart und der Lendenwirbelbereich schmerzt. Deshalb beschließe ich, Morgen am Meer ohne großes rauf und runter entlang zu laufen. Es soll auch als Test dienen, ob ich bis Messina am Meer entladen wandern kann. Alle Apps zur Planung meines Weges dorthin wollen mich zurück in die Berge leiten. Das würde allerdings den Weg unnötig verlängern und mich zwingen mehrmals hintereinander zu Zelten. Das würde dann auch bedeuten, dass noch mehr Essen und Wasser mitnehmen müsste. Zum Andern führt eine Autobahn und eine Staatsstraße direkt am Meer lang, was so meine Vermutung, auch der Grund ist, durch die Berge zu gehen.

Zurück zu heute: ich habe ein Zimmer in einem B&B in unmittelbarer Nähe des Duomos von Giarre, einer Stadt etwa 100 Höhenmeter oberhalb des Meeres. Die Stadt hat sicher schon bessere Zeiten erlebt. Die Mehrzahl der Häuser zerfällt und sind in einem jämmerlichen Zustand. Mir gefällt aber die Anlage der Stadt mit vormals toll gestalten Plätzen, geraden Linien mit Blick zum Meer und schließlich einem Dom, der die Stadt optisch dominiert bzw. zentriert.

Tag 19: 21.10.2022

Ein Nachtrag zu gestern. Wie ich vermutet habe, handelt es sich bei den Verpuppungen an den Kiefern um Prozessionsspinner. Die Raupen sind eine Plage. Die Kiefern sterben tatsächlich, wenn sie von Prozessionsspinnern zur Verpuppung und Metamorphose genutzt werden.

Das „Basislager“ des Etna rund um das Refugio Sapienzia ist ein absoluter Touristenhotspot. Am Check-in für meine Tour herrscht das reinste Tohuwabohu. Um das riesige Refugio gibt es eine Vielzahl von Bars, Restaurants und vor allem Souvenirläden. Es werden alle möglichen Touren angeboten. Von reinen Lift- und Minibusfahrten mit und ohne Spaziergänge, für die neugierigeren Touristen natürlich auch mit ausgiebigen Wanderung zu vier Kratern. Letzteres. Selbst daran nehmen allein von einem Tourenanbieter eine große Zahl von Begeisterten teil. Man wird nach Sprachen Führern zugeordnet. Die meisten Teilnehmer müssen Schuhe wechseln, da Sneaker nicht als geeignet angesehen werden – mir will man auch mehrmals „richtige“ Wanderschuhe andrehen. Jeder muss einen Helm mitnehmen und wer will bekommt auch Stöcke angeboten.

Die Ordnung des Durcheinanders und des Trubels dauert eine ganze Stunde, dann geht es los. Die ersten 500 Höhenmeter überwinden wir mit einer Seilbahn. Wieder herrscht großer Andrang. Man könnte meinen, wir sind an der Talstation für ein Skigebiet in der Hochsaison. Danach gehen wir endlich zu Fuß weiter. Es dauert keine viertel Stunde, da können die Ersten schon nicht mehr und müssen zurück. Unendlich langsam mit ständigen Trinkpausen steigen wir den Berg hoch. Meine Geduld wird ziemlich strapaziert. Lunchpause wird natürlich auch gemacht. Die Bergsteiger mampfen ihre großen Lunchpakete, die sie mitgebracht haben. Wir kommen bis auf 2.900 Meter. Höher darf man auch mit Führer nicht. Am höchsten Krater auf 3.300 m, der bei einem Ausbruch 2002/2003 entstanden ist, gab es im vergangenen Dezember einen tödlichen Unfall mit einem Guide.

Vom Hauptkrater der etwas östlich und tiefer liegt als der neu entstandene Krater, steigen ständig große Schwaden Wasserdampf auf. Auch aus dem neuen Krater entweicht permanent Rauch allerdings nicht in so großen Wolken.

Der letzte Ausbruch war im Februar. Durch die abgekühlten Steine steigen wir hindurch. Diese strahlen immer noch große Wärme ab. An manchen Stellen ist es noch so heiß, dass sich Papier selbst entzündet. Die Luft ist warm, da der Vulkan fast überall so ab 2.500 m Wärme ab gibt. Das Gestein hat nach meinem Empfinden meist Körpertemperatur.

Die Landschaft ist beeindruckend. Der Ausdruck trifft es nicht: der schwarze Lavasand und dieses dunkle Lavagestein erzeugen den Eindruck einer Mondlandschaft; hier hätten auch Star-Wars Episoden gedreht werden können. Daneben gibt es Bereiche, die gelb sind von Sulfaten und wieder andere rot von Eisenauswürfen. Alles zusammen ist ein einmaliges Landschaftsbild.

Am Nachmittag ziehen Wolken auf, die von oben einen einen ganz besonderen Kontrast zum schwarzen Berg und dem hellen Sonnenlicht bilden.

Trotz der vielen Touristen und des langsamen Wanderns, ist der Ausflug zu den Kratern des Etna ein fantastisches Erlebnis aufgrund der Schönheit der Landschaft und des Wissens um die andauernde Aktivität der Erde, die regelmäßig diesen Berg komplett verändert.

Vom „Basislager“ zurück zu meinem Quartier muss ich die Straße unterqueren. Man hat sich eine ganz besondere Unterführungstechnik ausgedacht. Ich muss durch eine Röhre gehen, die auf mich eher den Eindruck macht, als wolle man Wasser durchleiten. In meinem Zimmer angekommen muss ich mich zu alerts unter die Dusche stellen und meine Klamotten intensiv waschen. In jeder Ritze hat sich der feine schwarze Lavastaub gesetzt.

Tag 18: 20.10.2022

Nachdem ich in einer Bar ein typisch Italienisches Frühstück mit zwei Croissants und einem Cappuccino zu mir genommen habe, verlasse ich Randazzo, das etwa auf 700 Metern ü.NN liegt, nach Süden. Heute werde ich den Etna von Norden kommend im Westen umrunden und bis auf etwa 1.900 Meter ü.NN ansteigen. Genau im Süden werde ich übernachten, da von dort aus der Einstieg in das Kratergebiet zwischen 2.900 und 3.300 Meter ü.NN möglich ist.

Der Anstieg ist stetig aber nie wirklich steil. Zunächst laufe ich eine Straße hinauf, die ich nach nicht einmal 5 Kilometern verlasse. Über Wiesen entlang an Mauern statt an Zäunen geht es nun querfeldein den Berg rauf. Überall liegen Lavabröckchen im Gras und Gebüsch. Diese Bröckchen sehen aus wie Pferdeäpfel und die größeren wie Kuhhaufen, wo für ich sie zunächst auch halte. Erst nach einer Weile fällt mir auf, dass diese Haufen Steine sind.

Weiter oben komme ich wieder auf einen breiten Forstweg. Dieser führt mal durch Wald mal durch Lavalawinen. Die Wege sind aus grobem Lavasand übersäten mit Kiefernnadeln.

Der Baumbestand ist von Kiefern und Birken geprägt. Birken hatte ich bisher auf Sizilien nicht gesehen. Hier sind sie sehr zahlreich und manche Bäume sind dick und wirken sehr alt. Sie wachsen auch zwischen den Lavaabgängen auf den Steinen.

In einem Bereich von wenigen Kilometern sind die Kiefern von verpuppten Insekten befallen. Im Licht sieht das toll aus. Aber bei genauerem Hinsehen, fällt mir auf, dass bereits eine Reihe der Kiefern abgestorben sind. Ich muss Morgen, wenn ich auf Einheimische treffen hinterfragen, um was für Tiere es sich handelt, und ob meine Vermutung korrekt ist, dass die vertrockneten Kiefern von diesen Parasiten getötet wurden.

Vegetation und Landschaftsbild unterscheiden sich deutlich von den bisherigen Bergregionen, die ich auf Sizilien bewandert habe.

Nach knapp 30 Kilometern und 1.250 Höhenmetern erreiche bereits kurz nach drei meine Unterkunft. Ich habe unweit des Ausgangsorts für die morgige Kraterbesteigung in einem größeren Haus, das mitten im Wald liegt, ein Apartment gemietet. Die Vermieterin wohnt nicht hier. Den Schlüssel hat sieben einem Schlüsselkästchen hinterlegt. Damit ich alles finde, hat sie mir per WhatsApp ein Video geschickt. Nachdem ich ihr mitgeteilt habe, dass ich gut angekommen bin. Bietet sie mir an, mich bei der Buchung eines Guides zu helfen. Ich wähle die Option mit der Begehung aller vier Krater und sie übernimmt für mich die komplette Abwicklung.

Das Haus ist typisch für die Region aus massivem Stein – lavagrau – mit kleinen Fenstern. Die Wohnung ist völlig ausgekühlt. Das Thermometer des Elektroofens zeigt 13 Grad an – wie draußen auch. Es dauert bis zum späteren Abend, um die Wohnung einigermaßen auf Temperatur zu bringen. Ich habe Wandersocken und eine lange Unterhose an, andernfalls ist mir selbst an der Heizung sitzend zu kalt.

In der Wohnung gibt es einen Kamin. Feuerholz liegt auch bereit. Mir ist das Anzünden des Kamins zu schmutzig, weshalb ich bisher darauf verzichtet habe. Sollte Morgen, ich werde noch eine zweite Nacht in dieser Wohnung verbringen, da nach der Kraterbesichtigung es mir zu spät wird von hier oben abzusteigen, es immer noch so kalt sein, werde ich den Kamin wohl doch an machen.

Tag 17: 19.10,2022

Ich stehe heute etwas später auf als sonst, da ich bis Randazzo, von wo ich Morgen ins Etna Gebiet starten möchte, keine 20 Kilometer zu wandern habe. Da ich in meine Unterkunft erst um 15:00 Uhr einchecken kann, lasse ich es sehr gemütlich an.

Beim Frühstück treffe ich das Paar aus Amerika mit ihrer Führerin. Ich hatte erwartet, dass die drei schon längst unterwegs sind. Tatsächlich wollen sie erst um 09:00 Uhr aufbrechen.

Ich selbst bin eine viertel Stunde früher bereit zum Aufbruch. Obwohl Sonnenschein für den ganzen Tag angesagt ist, komme ich raus in dichten Nebel. Daher fühlt es sich deutlich kühler an als es ist. Es geht abwärts meist entlang eines Flüsschens, das ein hübsches Tal gebildet hat und langsam vor sich hin plätschert. Das Tal ist sehr feucht, entsprechend ist Vegetation saftig und grün. Die Bäume wirken auf mich, wie aus einem Urwald. Sie wachsen mit ihren langen Ästen in aller möglichen Richtungen und vielen Biegungen. Sie sind oft stark bemoost. Es ist eine Freude hier entlang zu spazieren. Da ich Zeit habe, ist mein Gang dem Spazierengehen ähnlicher als Wandern.

Als der Weg die Flußseite wechselt, gibt es einen Hinweis auf ein Konvent und eine Mühle. Gut, den Umweg gehe ich und schau mir beides an. Es geht über schmale Pfade, die immer wieder zugewuchert sind, erst den Fluß zurück und dann den Berg hinauf. Als ich ankomme, gibt es dort nur ein paar Mauerreste und ich kann nicht erkennen, was das einmal gewesen sein könnte. Nichts lässt auf eine Mühle auch nicht auf ein Konvent schließen. Zurück habe ich mehrmals Schwierigkeiten den Pfad wieder zu finden. So überquere ich an einer völlig andern Stelle den Fluss und komme zurück auf den eigentlichen Wanderweg nur auf der anderen Seite eines Stacheldrahtzauns. Stacheldrahtzäune bzw. Zäune jeder Art gibt es hier viele. Am Zaun kann ich nicht entlang laufen: zu viel dornenreiches Gestrüpp und den Zaun überqueren kann ich, ohne mich zu verletzen und meine Kleidung kaputt zu machen, auch nicht. Ich habe mich schon in den letzten Tagen hinreichend oft an Stacheldraht die Haut aufgeschlitzt. Zwar nicht beim Überkletteren von Zäunen sondern beim Öffnen von „Zauntoren“, die die Wege blockieren. Wege werden gesichert, in dem die Zäune über den Weg weitergeführt werden. Nur die Pfosten werden nicht im Boden verankert: sie stehen auf dem Weg. An einer Seite des Weges sind sie unten mit einer Draht- oder Seilschlaufe mit dem nächsten im Boden verankerten Posten verbunden und oben macht man ebenfalls eine Schlaufe. Will man durch muss man die Schlaufe oben lösen. Danach fällt der gesamte Zaun über dem Weg in sich zusammen. Ist Man durch muss man das gesamte Gebilde wieder aufrichten und mit Aufwendung großer Kraft wieder miteinander verbinden. Dabei habe ich mir bereits mehrfach am Stacheldraht ordentliche Schnittwunden an Händen und Armen zugezogen.

Zurück zu meiner jetzigen Situation: ich muss zurück über den Fluss und auf der anderen Seite einen Weg bahnen. Als ich nach etwa einem halben Kilometer zurück auf die originäre Route kommen meine drei Wandergesellen herbei geschlendert.

Ein Obstbaum, wie es viele gibt. Die Früchte sehen aus wie Miniaturäpfel. Keiner erntet sie. Sie sind extrem sauer und für mich ungenießbar. Was ist das nur?

Die Führerin nimmt dies zum Anlass für sich Werbung zu machen. Mit ihr als Guide wäre mir das nicht passiert. Ich stimme ihr zu, würde aber auch nicht wissen, ob ich etwas verpasst hätte, wäre ich nicht zur Mühle gelaufen. Wir laufen ein Weile, uns unterhaltend, zusammen. Dann verabschiede ich mich endgültig, da selbst mein Spaziergehen zu schnell ist.

Nicht viel später sehe ich von einer erhöhten Position das mittelalterliche Städtchen mit seinen zwei imposanten Kirchen. Bevor ich mich mit meiner Vermieterin treffe, schaue ich mir den Ort ein wenig an und kaufe regionale Wurst und Käse für Morgen Abend, da ich am Etna keine Versorgung zu erwarten habe.


Die engen Gassen von Radazzo: nicht immer sind sie so attraktiv – eine Stadt die verfällt

Auf der Rückseite meines Zimmers ist ein Restaurant. Dort hatte ich mich am Mittag mit meiner Vermieterin getroffen. Es sieht nett aus und sie haben eine gut gestaltete Webseite. Deshalb gehe ich um acht dorthin zum Essen. Wer sitzt dort? Die Dreierkombi. Ich setze mich dazu auch wenn sie bereits fast fertig sind. So habe ich einen unterhaltsamen Abend.

Tag 16: 18.10.2022

Zu allererst muss ich mich korrigieren. Ich habe gestern nicht Wildschweine sondern „Schwarze Nebrodi Schweine“ gesehen. Diese Nebrodi Schweine, so habe ich mir von einem Kellner beim Frühstück erklären lassen, sind dem Wildschwein sehr ähnlich, bilden mehr Fett und sind viel kleiner als ein Hausschwein. Man hält in der Gegend keine Hausschweine sondern jagt ausschließlich Nebrodi Schweine und verarbeitet deren Fleisch zu sehr hochwertiger Wurst, Schinken und Fleisch. Die Produkte sind sensationell, das kann ich bestätigen, da ich gestern Abend zu jedem Kurs Nebrodi Schwein hatte. Da habe ich nicht die Verbindung noch nicht hergestellt zwischen den Schweinen, die ich gesehen habe und meinem Essen. Der Kellner bestätigt, dass die Population dieser Tiere sehr groß sei und sie sich schnell fortpflanzten. Auch heute sehe ich, sobald ich im Wald bin immer, häufig kleinere und größere Gruppen. Einmal dauert es sehr lange, bis mich eine Familie wahrnimmt, so dass ich sie etwas genauer beobachten kann: die Nebrodi Schweine haben kaum erkennbare Hauer, sind viel kürzer als ein Hausschwein, wieselflink und ihr Grunzen hört sich an wie ein sehr tiefes Bellen.

Auch heute gehe ich wieder 35 Kilometer aber nur etwas mehr als 800 Höhenmeter. Nachdem ich nun 5 Tage hintereinander zwischen 30 und 36 km und um die 1.000 Höhenmeter gewandert bin, fühle ich mich ausgepowert. Morgen werde ich daher einen kurzen Trip an den Fuß des Etnas machen. Übermorgen geht es dann hoch zum Etna auf die Höhe der verschiedenen Refugios. Von dort habe ich vor, den Etna bis zu den Kratern zu besteigen.

Die Landschaft heute ist sensationell: Wälder und Almen wechseln sich ab mit Blick zum Etna und zum Meer. Wunderschöne Seen, Bäume und Wiesen erfreuen mich.

Der Weg ist leicht zu finden. Ich treffe kaum auf Menschen. Autos kommen auf den Gravel-Roads gelegentlich vorbei. Auf einer der Almen spricht mich ein älterer Herr an. Er hat gerade seine Tochter hier hoch gebracht, die sich mit zwei Pferden einer Stute mit ihrem Fohlen auf den Weg ins Tal macht. Er selbst hat bei VW in Wolfsburg gearbeitet und lebt nun wieder in seiner Heimat. Über mich kann er nun den Kopf schütteln.

Heute übernachte ich in einem Hotel. Meine Erwartungshaltung ist, dass ich an eine Rezeption komme, mir der Schlüssel ausgehändigt wird und ich so schnell auf mein Zimmer komme. Weit gefehlt: ich komme in ein Geschäft, das Wirst und Käse verkauft. Auf mich als Hotelgast ist man nicht eingerichtet. Es wird wild herum telefoniert. Nach zehn Minuten kommt ein Herr und erklärt mir, dass ich noch zehn Minuten warten muss. Ich werde in einem Raum platziert, der als Trattoria genutzt wird. Irgendwann kommt das „Hausmädchen“, um das Zimmer zu machen. Nach etwa 3/4 Stunde kann ich dann tatsächlich aufs Zimmer. Hier muss ich mich erstmal um die Heizung kümmern: es ist sehr kalt und meine Wäsche wird ohne Heizung sicher nicht trocken. Ich finde zwar alle Schalter – nichts passiert. Jetzt muss ich versuchen mit meinen nicht vorhandenen Italienisch Kenntnissen und Internet Translator klar zu machen, dass das Zimmer zu kalt ist. Im „Hotel“ spricht man nur Sizilianisch und das in einer Geschwindigkeit, dass ich noch nicht mal die Sprache erkennen kann. Das Problem ist allerdings schnell gelöst. Lediglich eine Sicherung am zentralen Schaltschrank muss eingeschaltet werden.

Ich habe mir ein Restaurant heraus gesucht, das offen hat. Als ich runter komme, sitzen drei Englisch sprechende Leute in der Trattoria und essen eine Vorspeise. Also frage ich, ob ich auch hier Abendessen kann. Ich kann und bekomme Antipasti mit den Produkten aus ihrem Laden und anschließend eine Pasta mit Schwarzem Nebrodi Schwein.

Mit dem anderen Tisch komme ich schnell ins Gespräch. Sie sind ebenfalls Hiker: ein Ehepaar aus USA, die eine Führerin aus der Toskana engagiert haben. Ich scheine bereits mehr von Sizilien gesehen zu haben als die Führerin. Sie lässt sich von mir eine Reihe Hinweise geben.

Zum Schluss stellt man dem Dreier-Tisch und auch mir zwei Flaschen Schnapps und selbst gebackene Plätzchen hin. Ich nehme einen selbst gebrannten Mandel-Schnaps. Es wird zwischen den Tischen, die Inhaber sitzen mittlerweile auch an einem, zugeprostet. Wenn ich jetzt nicht schnell gehe, wird morgen der kurze Weg doch möglicherweise sehr lang.

Tag 15: 17.10.2022

Der heutige Tag ist einfach zusammengefasst:

  1. Anstrengend: mehr als 35 Kilometer und 1.400 Höhenmeter, zum Ende hin musste ich sehr schnell gehen, damit ich noch ankomme, bevor es dunkel wird und ich mich im Nebel verirre
  2. Wo ist der Weg: über weite Teile des heutigen Weges ist solcher nicht erkennbar —> ohne GPS wäre ich verloren gewesen
  3. Wildschweine: ideales Jagdrevier für Asterix und Obelix —> ich habe heute mehrere hundert Wildschweine gesehen und noch viel mehr gehört; das Gute ist, sie rennen weg, sobald sie mich hören/sehen und sind sauschnell; sie rennen schneller weg, als ich fotografieren kann; das Schlechte ist, sie pflügen den Wald, so dass Wege nicht mehr erkennbar sind und zu Äckern werden, in denen Wandern schwierig ist
  4. Mitten im „Nichts“ tief in einem riesigen Wald, der in Ost-/Westrichtung fast 100 Kilometer beträgt, habe ich eine sensationelle Herberge reservier: tolles Zimmer und sensationelles Abendessen.

Ach ja, bevor ich in den Wald eingetaucht bin, habe ich noch einen fantastischen Blick auf den Etna gehabt. Übermorgen bin ich am Fuße des Etna.

Tag 14: 16.10.2022

Es ist zwar kalt als ich das Hotel verlasse, deshalb habe ich über dem T-Shirt noch mein Wanderhemd an, aber der Himmel ist wolkenlos und das bleibt den ganzen Tag so.

Das Hemd ziehe ich schon nach einem Kilometer wieder aus. Es geht den Berg hoch und damit fängt mein Körper sofort an, ordentlich Wärme zu erzeugen.

Den Berg hoch geht es eigentlich, so mein Gefühl, den ganzen Tag. Natürlich gibt es auch bergab Passagen, die scheinen immer deutlich kürzer zu sein als die bergauf.

Der Weg heute ist recht abwechslungsreich: Almwiesen, Wald in einem Naturpark, Windräder, Äcker, nur keine Ortschaften. Selten aber doch gelegentlich kommt ein Auto vorbei. Fast alle halten an und bieten an, mich mitzunehmen, nachdem sie erfragt haben, was mein Ziel ist. Es ist nicht einfach zu erklären, dass das Wandern bereits das Ziel ist und nicht bequem sein Hotel zu erreichen.

Als ich etwa 2/3 meiner Strecke geschafft habe, quält mich Hunger. Ich suche mir, nachdem ich das Hungergefühl nicht unterdrückt bekomme, ein Plätzchen, wo ich mir eine Suppe warm machen kann. Auch wenn die Suppe nur lauwarm wird, schmeckt sie herrlich. So nehme ich den Rest des Weges mit gefülltem Bauch in Angriff.

Meine heutige Herberge liegt in Capizzi, das hoch oben im Berg klebt. Das bedeutet zum Ende hin noch einmal ein Anstieg von 250 Metern. Das bringt mich noch einmal ordentlich zum Schwitzen.

So komme ich verschwitzt bei meiner Unterkunft an. Niemand da. Dabei hatte ich doch extra vorher die Uhrzeit meiner Ankunft mit einer Reihe von Chats vereinbart. Auf die Klingel und die WhatsApp, die ich dem Vermieter schicke, reagiert er nicht. Als ich anrufe, versichert er mir, dass jemand in 5 Minuten da ist. Dann erhalte ich zusätzlich eine WhatsApp, dass sein Neffe in 5 Minuten kommen wird. Das tut der Bursche aber nicht. Die Sonne ist weg und im Schatten ist es kalt. Ich kühle sehr schnell ab. Ich habe Sorge, mich zu erkälten. Daher werde ich ungeduldig und melde mich noch einmal. Der Neffe sei doch bereits da, bekomme ich als Antwort. Pustekuchen. In Summe warte ich eine halbe Stunde und bin echt sauer, was der Junge nicht verstehen will. Ich bin alleine im Haus; ich habe ein Deluxe Zimmer gebucht und bezahlt; ich bekomme ein Zimmer, eiskalt, mit einem Bad über den Flur. Im Grunde ist mir das egal, da ich alleine im Haus bin, trotzdem ärgert mich das und das bekommt der junge Mann auch zu spüren und macht sich schnell aus dem Staub. Jetzt muss ich erstmal schauen, wie ich die Heizung zum Laufen bringe. Schnell finde ich das zentrale Bedienpanel fürs Haus und bringe das Zimmer und mein Bad auf Temperatur.

Zum Abendessen gehe ich in eine Tratoria, das einzige Lokal im Ort. Die Einrichtung der Tratoria ist so steril wie ein OP. Der Inhaber steht versteckt hinter einem „Rednerpult“. Ich bekomme steif einen Tisch zugewiesen. Bezüglich des Essens spricht der gute Mann nun in einem Stakkato auf mich ein, so dass ich nicht ein einziges Wort verstehe. Also sage ich meinen Standardsatz für diese Fälle: io non parlo Italiano. Darauf macht er großen Augen und die beiden anderen Tische, die schon besetzt sind, versuchen mit englischen Worten, die sie in den Raum werfen, zu helfen. Die Mama kommt aus der Küche und versucht mit hingeworfenen Italienischen Worten meine Verwirrung zu steigern. Als sich alles beruhigt hat, versuche ich mit meinen eingeübten Sätzen und Worten, zu hinterfragen, ob ich Pizza essen muss, wie die anderen Gäste oder auch eine Vorspeise und anschließend eine Pasta bekommen kann. Könnte ich, wird mir aber abgeraten. Also bestelle ich, eine Pizza Salami picante, einen gemischten Salat, eine Flasche Wasser und Rotwein. Ich werde für mein Italienisch gelobt, mache aber klar, dass mein Italienisch beim Bestellen von Standardgerichten endet. Jetzt wird es voll in dem Lokal, obwohl ich dachte, ich bin um 20:30 Uhr spät dran, denn man schließt bereits um 22:30 Uhr. Erst kommt ein Tisch mit Frauen so zwischen 30 und 40 alle in ihren Super-Fashion-Sonntags-Dress. Sie sind zu Neunt. Dann kommt ein Tisch mit zwei Paaren. Kaum hat die Begrüßung – jeder begrüßt jeden im Restaurant: fehlt nur, dass ich auch von jedem Neuankömmling in den Arm genommen werde und Küsschen links, Küsschen rechts erhalte – dann kommen sieben Jungs in ihren 20igern rein. Same procedure. Jetzt denkt man, jeder redet mit jedem. Das ist nicht der Fall. Man bleibt gesprächsweise untereinander. Nur gelegentlich steht jemand vom einen Tisch auf und unterhält sich mit jemandem vom anderen Tisch. Es herrscht nun eine unglaubliche Lautstärke in dem OP – eine reine Kakophonie. Zwischendurch kommen noch Leute rein, die bestellte Pizzen abholen. Jedesmal das selbe Begrüßungszeremoniell: unglaublich! Btw. der Damentisch ist gekleidet als würde man nach dem Essen in die Oper gehen wollen. Die Tische mit den Paaren sind leger in Jeans und der Männertisch in Traingsanzügen hier – nur zwei haben ein Hemd an. Hier könnte man Gesellschaftsstudien durchführen: der Damentisch trinkt Cola und Wasser, man unterhält sich. Am Männertisch spielt jeder mit seinem Handy, man unterhält sich nur gelegentlich – auch sie trinken nur Cola und Wasser. Mittlerweile sind alle Tische belegt. Nicht an einem wird Alkohol getrunken. Das ist in den Bars ganz anders. Als ich auf meinen Hotelwirt bzw. dessen Neffen gewartet habe, habe ich in einer Bar in Sichtweite zur Unterkunft, Wasser für heute Nacht und Morgen eingekauft. Die Bar war voll und dort wurde Bier, Wein und auch stärkere Alkoholika getrunken.

So, ich muss schlafen. Morgen geht es zurück in die Berge und ich habe mir wieder viel vorgenommen.

Tag 13: 15.10.2022

Das Wichtigste zu erst: kein Regen heute. Auch wenn es immer mal wieder so aus, als würden sich Regenwolken vor den Gipfeln sammeln. Keine musste abregnen und ich bin trocken geblieben. Die Wege sind allerdings meist noch aufgeweicht, so dass ich aufpassen muss, nicht in Schlamm zu treten und auszurutschen, im Großen und Ganzen komme ich heute gut voran.

Mein Weg führt mich durch zwei Städte in den Bergen, so dass ich unterwegs etwas essen kann und Kaffee bekomme. Außerhalb solcher vereinzelter Städte ist es schon eine sehr einsame Gegend. Am Ende erreiche ich nach 33 Kilometern und 1.200 Höhenmeter mein heutiges Quartier: das sind fast identische Daten wie gestern. Es handelt sich nach eigenen Angaben nicht um ein Agritourismo, ist aber doch eine Art Bauernhof mit Hotel und Restaurantbetrieb. Der Hof liegt genauso remote wie gestern das Agritourismo auch.

Es klingt vielleicht negativ, wenn ich die Gegend als remote und einsam bezeichne, das ist nicht so gemeint. Es soll meinen Weg und die Umgebung charakterisieren. Ich wähle meine Route so, dass ich auf der einen Seite das „wirkliche“ Sizilien, und das ist zunächst einmal das Innere der Insel mit seinen Bergen und der Landwirtschaft und nicht nur die Städte an der Küste mit ihren Stränden sehe und auf der anderen Seite so, dass ich möglichst ein Zimmer und ein Abendessen bekomme.

Auf den Bildern sieht man die Weite der Insel. In den Bergen gibt es nur wenige Bäume: meist Oliven- und Kastanienbäume. Gestern bin ich noch an Zitrusbäumen vorbei gekommen, für die dürfte es hier oben zu kalt sein. Wälder, wie im Westen der Insel, gibt es in der Mitte der Insel oder zumindest auf meinem Weg nicht.


Auf mich hat die Gegend einen Almen Charakter: Wiesen mit Kühen, Schaafen und Pferden. Gelegentlich hat auch mal ein Hof Hühner, die ausgezehrt aussehen. Die Kühe sind entweder weiß oder fast schwarz, die ein zotteliges Fell haben. Die Schaafe sind scheu, sie rennen panisch davon, komme ich auch nur ein wenig näher.

Vor dem Abendessen plane ich meine nächsten drei Tage, da ich einen längeren Gebirgszug ohne Orte durchqueren muss. Um Zelten zu vermeiden, weiche ich morgen etwas nach Süden aus. Danach geht es in die Mitte des Gebirges. Ergebnis: weitere drei Tage muss ich jeden Tag deutlich mehr als 30 Kilometer und 1.000 Höhenmeter machen. Ich fühle mich fit genug, das zu schaffen.

Das Wetter scheint, in den kommenden Tagen zu halten. Es hat deutlich abgekühlt gegenüber der ersten Woche. Heute wurde es nicht wärmer als 16 Grad. Es kühlt in der Nacht allerdings auch kaum ab. Damit ist es derzeit in Südtirol 1.200 Kilometer weiter nördlich wärmer als auf Sizilien. Das hatte ich doch etwas anders erhofft.

Tag 12: 14.10.2022

In Montemaggiore starte ich schon um 07:45 Uhr, da ich heute einen längeren Weg plane zu gehen. Aber zunächst trinke ich in der Bar in der Nähe der Kirche einen Cappuccino und esse dazu zwei Croissants. Während ich esse checke ich die Wetterprognosen. Es sieht nach wie vor gut aus. 20% Regenwahrscheinlichkeit am Vormittag mit einer Niederschlagsmenge von weniger als 1 mm.

Auch wenn es nicht regnen wird und wenn nur kleinste Mengen, stelle ich mich auf schlammige Wege ein. Schnelle stelle ich fest, dass die Prognosen nicht korrekt sind. Ich habe die Stadt kaum hinter mir gelassen, schieben sich dicke, dunkle Wolken den Berg hoch. Sie schaffen es nicht über den Berg. Infolge dessen fängt es heftig zu regnen an. Ich ziehe schnell meine Regenjacke an. Es regnet sicher durchgehend zwei Stunden und das recht heftig. Wie vermutet, sind die Wege aufgeweicht und ich sehe schon nach kurzer Zeit genauso dreckig aus wie gestern.

Auf einer abfallenden geteerten Straße läuft so viel Wasser runter, dass meine Schuhe schnell wieder sauber werden. Dann muss ich wieder in den Matsch und durch Bäche, die wegen des Regens zu Flüssen geworden sind. Mal wieder bin ich nass von Kopf bis Fuß.

Am späten Vormittag kommt endlich die Sonne raus. Ich ziehe die Regenjacke aus und beginne schnell trocken zu werden. Ich hoffe, das bleibt jetzt so, da nach der Wettervorhersage ab mittags das Sommerwetter zurück sein soll.

Zu früh gefreut. Der Wind treibt immer wieder Wolken über die Felder und wieder einmal sammeln sie sich vor einem Berg. Schnell ziehe ich wieder meine Regenjacke an und ich habe sie noch nicht richtig zu, geht es wolkenbruchartig los.

Ich bin gar nicht in der Lage die Schönheit der Natur richtig zu genießen. Ich bin umgeben von gewaltigen Bergen, laufe durch Olivenhainen mit uralten Olivenbäumen, die voll hängen mit ihren fetten Früchten. Hier und da färben sie sich bereits dunkel ein. Erstmals komme ich durch einen regelrechten Wald mit Zitrusfrüchten: Zitronen und Mandarinen, leider noch alle unreif. Es riecht fantastisch. Leider vergesse ich davon ein Foto zu machen, zu sehr bin ich damit beschäftigt den Duft trotz des Regens aufzusaugen.

Am Nachmittag ist dann tatsächlich Schluss mit Regen auch wenn sich immer wieder Wolken vor den mächtigen Bergen sammeln, sie regnen nicht mehr ab und so trocknet auch meine Kleidung.

Nach fast 34 Kilometern und über 1.200 Höhenmeter erreiche ich das Agrotourismo, das ich gestern gebucht hatte. Hier kann ich auch zu Abendessen. Ich hatte schon befürchtet, ich müsste heute auf meine Suppen zurückgreifen. Statt dessen bekomme ich einen üppigen Vorspeisenteller, Pasta alla Norma und zum Schluss lokale Früchte – selbstverständlich bekomme ich ein etikettenlose Flasche Rotwein.

Tag 11: 13.10.2022

Das ist nicht mein schönster Tag. Heute fehlt einfach die Sonne. Regenwetter macht diesen Tag trist. Schon als ich mich in Caccamo auf den Weg mache, nieselt es leicht. Vorsichtshalber ziehe ich mein langärmliges und etwas dickeres T-Shirt und die Regenjacke an. Nicht weit außerhalb der Stadt beginnt ein intensiver Landregen. Das ist weiter nicht schlimm. Regenjacke und Kapuze lassen es trotzdem zu, dass ich gut voran komme und der Regen mich nicht stört. Das ändert sich, als ich die befestigten Wege verlassen muss und auf aufgeweichte Feldwege weiterwandere.

Das stimmt so nicht: ich komme in dem Matsch kaum noch vorwärts. Die schwere Erde klebt an meinen Schuhe und machen sie schwer. Der Schlamm drückt sich in meine Schuhe und die Hose hoch. Ich habe das Gefühl, die Mafia hat mir Betonschuhe verpasst und ich versuche mit geringem Erfolg, mich aus dem Zement zu befreien. Da es steil bergab geht, und die Matsche zäh fließt, rutsche ich wie auf Gleitschuhen den Berg runter. Ich kann die Geschwindigkeit kaum kontrollieren. So sehr ich mich auch bemühe, ich kann nicht verhindern, dass ich auch auf meinem Po lande und mich bis zum Rucksack hoch schmutzig mache.

Das geht allerdings nur etwa 5 Kilometer so, bis ich zum Flüsschen im Tal komme. Hoch geht es etwas besser. Ich muss nur einiges an Energie aufwenden, diese aufgeweichten Wege hoch zu gehen und nicht immer wieder auszurutschen. Etwas später erreiche ich wieder weitgehend asphaltierte Wege.

Schon auf dem gesamten Weg seit Trapani fällt mir der schlechte Zustand der Nebenstraßen auf: man macht es sich einfach. Auf festgefahrenem Untergrund wird ohne weitere Befestigung oder Drainage eine Asphaltdecke aufgebracht. An Steigungsstücken bricht der Asphalt aufgrund der Belastung weg. An den Straßenrändern entstehen Löcher, die immer wieder mit zerkleinertem Baumaterial aufgefüllt werden, bis große Teile der Straße nur noch aus Bauschutt bestehen. In Senken fließt das Wasser mit dem Schlamm über die Straßen und reißen sie mit bzw. es entstehen Schlammlöcher. Bei einem intensiven Regen wie wir ihn heute haben, obwohl sicher nicht sehr ergiebig, ist der Mangel an Drainage und einem sachgemäßen Untergrund besonders gut zu erkennen. Mir fließt die Matsche auf dem letzten Anstieg nach Montemaggiore auf der Straße entgegen und ich muss immer wieder durch tiefe Löcher voll mit Wasser waten.

Auf meinem Weg sehe ich den ersten Mandarinenbaum mit Früchten. Ich pflücke eine der reifen Früchte. Ich habe große Schwierigkeiten, sie zu schälen. Ich halbiere sie daher und esse sie direkt aus der Schale – etwas saure aber sehr lecker. Sie hat etwas vom Geschmack der hiesigen Zitronen.

Auch aufgrund der schlechten Wetterprognose habe ich mir für heute keinen langen Weg vorgenommen. Montemaggiore erreiche ich schon nach 17 Kilometern und 700 Höhenmeter bereits um 13:30 Uhr. In meinem sehr einfachen Quartier wasche ich erstmal alles vom Schuh bis zu meinen Haaren. Überall klebt der Dreck.

 Sehr praktisch: Kirche und Stadtverwaltung Seite an Seite, nur die Eingänge sind voneinander getrennt

Nachdem ich wieder sauber bin und mir trockene Sachen angezogen habe, schlendere ich durch den Ort. Inzwischen hat es aufgehört zu regnen und die Sonne blinzelt immer mal wieder durch die dicken Wolken. Ich bin etwa ein Kilometer von meinem Zimmer entfernt, als es wieder anfängt zu regnen. Weiter nicht schlimm, denn ich habe vorsichtshalber meine Regenjacke mitgenommen. Es dauert noch nicht mal zwei Minuten dann sind die Straßen Flüsse und das Wasser fließt knöchelhoch durch die Straßen. Selbst mit hoch gewickelter Hose und Flipflops werde ich pitschnass. Es regnet nicht wirklich heftig, trotzdem steht das Wasser wie in Südostasien bei einem Monsunregen in der Stadt. Obwohl ich im Wasser wate, schaue ich mich um, auf der Suche nach den Ursachen. Das Problem erkenne ich schnell. Alle Regenfallrohre enden kurz über dem Bürgersteig bzw. über der Straße. D. h. die Dachentwässerung erfolgt nicht direkt in die Kanalisation, sondern auf die Straße. Es gibt zwar eine Kanalisation in den Straßen, allerdings viel zu wenige Einlässe, die auch wegen der teilweise steilen Straßen, das Wasser nicht aufnehmen können. Ob die Kanalisation das Wasser abführen könnte, kann ich natürlich nicht erkennen. Das Problem fängt eben schon vorher an.

So komme ich schon wieder aufgeweicht zurück in mein Quartier. Meine komplette Kleidung, die ich bei habe, ist nun nass – toll. Dann lege ich mich halt ins Bett und kann nur hoffen, dass der Trocknungsvorgang nicht zu lange dauert.

Tag 10: 12.10.2022

Zuerst die „technischen Daten“ von heute: 27 Kilometer und 1.100 Höhenmeter. Ich starte zwar in Alta Villa (Hoher Ort), tatsächlich muss ich zwischen zwei Bergzügen durch und es geht stetig aufwärts. Bis zur Passhöhe sind es 700 Höhenmeter. Auf halber Höher habe ich einen Postkarten Blick zurück auf Altavilla und die Strände Palermos Vororte.

Kaum in den Bergen wird es wieder sehr einsam. Gelegentlich komme ich an einem Hof vorbei. Neben Olivenbäumen wird fast ausschließlich Viehzucht betrieben und hier wiederum meist Rinderzucht. Noch nie habe ich Rinder so laut Muhen gehört wie heute. Es klang wie Warnrufe und das man mein Kommen kommuniziert hat. Denn es waren.definitiv nicht Kühe, die gemolken werden wollten, sondern männliche Tiere, die mich immer wieder begleitet haben und ich von Herde zu Herde übergeben wurde. Rinder wirken auf mich eher sehr blöde. Heute habe ich einen ganz anderen Eindruck gewonnen. Vielleicht beide ich mir das aber nur ein.

Mit dem Hirten einer der Herden habe ich versucht zu kommunizieren. Wir konnten uns allerdings nur über meinen Weg etwas verständigen. Meine Fragen hinsichtlich der Rinder Kommunikation hat er nicht verstanden. Dafür hat er mir exakt den Weg beschrieben.

Den Pass erreiche ich am späten Vormittag. Kurze Zeit später erreiche ich eine Eremitage. Hier lege ich mich auf einer Bank und schlafe eine volle Stunde. Mir tut zwar alles weh von der harten und schmalen Bank, bin aber gut erholt. Jetzt geht es steil runter zu einem Stausee mit grünem Wasser. Da es sich eintrübt, wird das Wasser immer grauer. Wie sich die Wasserfarbe mit dem Wetter ändert habe ich so noch nie bewußt wahrgenommen. Der See ist nicht besonders gut gefüllt, daher ist die Staumauer zur Seeseite hoch. Zur andern Seite aber wirklich tief.

Jetzt kommt noch mal ein tougher Part. Von dem Stausee muss ich auf kürzester Distanz fast 400 Meter hoch nach Caccamo. Einem Ort mit etwa 8.000 Einwohner. Hier werde ich heute übernachten. Es gibt nur Ferienwohnungen, kein Hotel. Alle Wohnung werden von Giovanni – so heißen hier wohl alle, die mit Touristen zu tun haben – gemangelt. Er hat sein Büro direkt vor der größten Normannen Burg Siziliens. Dort treffe ich hinschob vor seinem Büro. Er hat aus dem Internet ein Bild von mir ausgedruckt. Als ich vor einer Bar stehe und schaue, wo sein Büro ist, kommt er schon auf mich zu, das Bild in der Hand.

Caccamo ist eine mittelalterliche Stadt. Man vermutet zwar, dass sie schon in der Antike gegründet wurde. Beweise gibt es dafür aber nicht. Wir müssen über steile Treppen und enge Gassen hoch zur Wohnung laufen. Die Wohnung ist hübsch mit einem Wohnraum, Küche und einem Schlafbereich und hat einen tollen Blick auf die Burg, die ich später besichtige.

Für den Abend erhalte ich von meinem Vermieter gleich eine Empfehlung. Diese betrifft nicht nur das Lokal sondern auch das Menü. Ein MUSS ist die preisgekrönte Salsiccia on Caccamo. Das Abendessen ist super und super sättigend. Beim Nachtisch, der für Sizilianer der wichtigstes Kurs eines Menüs ist, streike ich. Ich platze und mir wird auch viel zu viel Wein eingeflößt.

Vor dem Abendessen besichtige ich die Altstadt, in der eben auch mein heutiges Zuhause liegt. Seine berühmteste Persönlichkeit ist Carlo Gambino Mafioso Pate in New York – ich hoffe das hat hier und heute nichts mehr zu bedeuten. Zum Abschluss geht es in den Duomo (8.000 Einwohner brauchen einen Dom und über 20 Kirchen). Im Dom wird Messe gehalten, weshalb ich mich nur kurz dort aufhalte. Von dort gehe ich zur Burg, die seit fast 60 Jahren im Besitz der Stadt ist und in der man ohne Führer in alle Räume darf: mal wieder wird mir klar, wie privilegiert wir heute wohnen mit Heizung und vor allem fließend Wasser. Die Familie, die sicher mal unendlich reich war, hat bis Ende der 50-iger dort gewohnt ohne Toilette und fließend Wasser.

Tag 9: 11.10.2022

Heute hatte ich einen vergleichsweise ruhigen Wandertag mit knapp 30 Kilometern und kaum Steigung. Mein Weg führte mich an der Küste aus Palermo hinaus durch eine Reihe von Vorstädten.

Ist Palermo schmutzig, so sind diese Vorstädte Müllhalden, in denen verfallene Häuser rechts und links der Küstenstraße und riesige Wohnblocks in zweiter und dritter Reihe stehen. Offensichtlich gibt es hier keine funktionierende Müllabfuhr und auch kein Verständnis der Bürger für den Umgang mit Müll. Noch in Palermo beobachte ich eine Frau in meinem Alter, wie sie ihr Auto am Straßenrand stehend aufschließt und als erstes den kompletten Müll in ihrem Auto auf die Straße wirft. Dann erst steigt sie ein und fährt los. Etwas weiter außerhalb fährt ein ebenfalls älteres Paar auf einen Parkplatz, steigen aus, öffnen den Kofferraum und werfen mehrere Müllbeutel einfach mitten auf den Parkplatz. Ähnliches Verhalten und Missstände kenne ich nur aus Ägypten und vom indischen Subkontinent. Schon dort habe ich kein Verständnis dafür, das ein Staat es nicht als seine Aufgabe sieht, für eine passables Müllenhandling zu sorgen. Dass in einem Land, das das Europäische Wertesystem derart intensiv und nachhaltig geprägt hat, solche Zustände herrschen, empfinde ich als Beleidigung.

Anders als in anderen Großstädten gibt es entlang der Ausfallstraße, ich nehme, kaum stereotype moderne Gewerbebauten. Zwar findet Gewerbe auch hier statt vor allem zwischen Straße und Strand meist in Garagen, baufälligen alten Gebäuden hinter Mauern. Ich kann immer nur wieder durch die Einfahrten schauen, wie es dort aussieht. Müll wird dort auf den Höfen gelagert und es sieht aus als wäre man auf einem Schrott- und Müllplatz. Auf der vom Strand abgelegenen Straßenseite gibt es einfache Bars, Obst und Gemüsestände, Trödelläden und vieles mehr.

Das Bild ändert sich erst etwa 15 Kilometer östlich von Palermo. Dort komme ich durch Städte und Dörfer, die durch ihr mittelalterliches Stadtbild mit engen Gassen und historischen Bauten bestechen. Auch der Müll wird hier weniger – aber nur in den Ortschaften selbst. Außerhalb das üblich Bild: Müll und Zerfall. Schön ist anders.

Mein Hotel für heute Nacht liegt oben auf dem Berg mit Blick aufs Meer, auf die Autobahn und die Eisenbahnlinie. Trotz der wenig schönen Infrastruktur, die den Ort komplett vom Wasser abschneidet, ist der Ort liebens- und lebenswert hergerichtet. Die Kirche auf einem Plateau mit umwerfenden Blick gelegen, wird gerade restauriert: sie ist fast komplett entkernt. Aber eine spannende Skulptur verschönt den Vorplatz. Auch hat man sich mit dem einen oder anderen Haus Mühe gegeben, es attraktiv zu gestalten.

Heute gibt es wieder Pizza. Die beiden Restaurants haben dienstags geschlossen. Um mein Abendessen etwas zu pimpen, habe ich mir zwei händevoll Datteltomaten gekauft; voll durchgereift schmecken sie köstlich süß.

Tag 8: 10.10.2022

Ruhetag in Palermo. Wie gestern Abend regnet es auch heute Morgen. Ich bleibe zunächst in meinem Zimmer. Am späten Vormittag ist das Regengebiet endlich durchgezogen und ich wandere mehr oder weniger ziellos durch die Altstadt. Hier liegen Licht und Schatten sehr nah beieinander: Die großen Plätze scheinen im Sonnenlicht und lassen die glorreiche Vergangenheit dieser Stadt erkennen. Fontana Pretoria, Quattro Canti und die Chiesa San Giuseppe di Teatini – diese Kirche ist zumindest innen viel prächtiger als die Kathedrale. Sensationell feine Marmorarbeiten, Fresken und Gemälde beeindrucken mich tief.

Wieder draußen schlendere ich durch engste Gassen, abseits der großen Straßen durch die sich selbst am Montag die Touristenmassen schieben. Hier ist es dunkel und der Zerfall überall erkennbar. Hier wagen sich die Touristen nicht her. Die Menschen wohnen in Ruinen und der Dreck stapelt sich. Trotzdem versuchen die Bewohner, die Straßen und Gebäude durch Malerarbeiten attraktiver zu gestalten. Hier wohnen, nach meinem Eindruck, vor allem  Menschen mit afrikanischen Wurzeln.

Ist Venedig eine morbide Stadt, so wirkt Palermo von seinen Gebäuden und dem Straßenbild bereits tot, so etwa wie gestern in der Gruft. Tot, konserviert für alle Ewigkeit, übrig nur das Skelett mit einigen hübschen Kleidern. Konserviert für die Nachwelt und besuchen kann man die Tote, wenn einem der Sinn nach steht.

Damit möchte ich nicht die Stadt schlecht machen. Ich mag diese Morbidität durch aus. Sie versprüht – gerade mit diesen dunklen engen Gassen und den meist fröhlichen Menschen, die gefühlt jenseits der Armutsgrenze leben – einen ganz besonderen Charme. Ich habe eine große Bandbreite der Stadt erlebt: Gestern Abend habe ich im Hafen, in einer am Abend wirklich dunklen Ecke, mit nicht befestigten Straßen, keiner Straßenbeleuchtung und Türstehern, mit denen ich keinen Konflikt austragen möchte, ein hervorragendes Dinner zu mir genommen. Heute Abend bin ich in ein Restaurant in einem Hinterhof hinter der Chiesa die San Giovanni di Teatini gestolpert (Locanda del Gusto) mit einem sehr schönen Innenhof, zentral eine große Palme, Olivenbäume in riesigen Töpfen, einem Loungebereich, schön gedeckten Tischen. Hier glänzt alles und das Essen ist ebenso gut wie gestern Abend.

Die Gäste heute sind ganz anders als gestern Abend. Gesten Abend waren alle distinguiert. Neben mir z. B. drei Engländerinnen: Mutter mit ihren beiden Töchter, die Töchter über 50 und übergewichtig mit ausgeprägtem Doppelkinn und Oberarmen weit – und ich meine wirklich weit – größer als meine Oberschenkel. Die Mutter dürfte Mitte 80 sein und ist eher zierlich. Die beiden Töchter können leider nicht mit Messer und Gabel umgehen. Furchtbar, mich stört so etwas mittlerweile nicht nur ein wenig sondern sehr. Können die Leute nicht mal ein Minimum an Tischmanieren erlernen? Heute ganz anderes Publikum gemischt Italiener und Touristen. Vor allem einige sehr ungeduldig, wenn sie nicht sofort einen Tisch zugewiesen bekommen, obwohl sie nicht reserviert haben. Die Verweilzeit ist nicht sehr lang, da das Essen typisch für Italien schnell serviert wird, also könnten sich alle locker machen. An einem der Nebentische sitzt ein Deutscher um die 70. Er trinkt mehr Wein als er isst. Er gehört zu einer Reisegruppe, die nicht zusammen ißt. Erst kommt die Reiseleiterin vorbei, anschließend ein Paar aus der Reisegruppe. Er erklärt beide Male, dass er zunächst nur zwei drei Vorspeisen ißt und dann weiter sehe. Nach vier, fünf Gläsern Wein und genau einer Vorspeise geht er. Zwei junge italienisch sprechende Mädchen übernehmen den Tisch. Eine quatscht unentwegt, die andere spricht immer mal wieder und führt offensichtlich das Gespräch unterstütz mit ihrer intensiven Körpersprache. Sie essen zusammen eine Vorspeise und trinken eine Flasche Wasser. Diejenige, die das Gespräch leitet, ist sich bewußt, dass ich mein Umfeld beobachte und gibt mir dies auch zu verstehen. Als ich am Bezahlen bin, lassen sie sich doch nochmal die Karte bringen. Eine gemeinsame Vorspeise reicht den beiden natürlich nicht. Als ich gehe spreche ich kurz mit den beiden, mir gefällt deren Fröhlichkeit. An einem anderen Nebentisch kommt spät das Paar, das genau diesen Tisch reserviert hat. Sie sprechen ebenfalls italienisch, wenn sie sprechen. Eigentlich schweigen sie nur und sie guckt böse, unzufrieden. Wenn sie sich äußert, dann hat ihr Ton immer etwas schnippiges. Sie ist ungeduldig und flammt mehrmals das Servicepersonal an, wozu es nun beim besten Willen keinen Grund gibt, der Service funktioniert super auch im Team. Getrunken wird an dem Tisch nur Wasser. Vorspeisen werden ausgelassen. Man konzentriert sich auf Secondi Piatti.

Nebenbei habe ich heute eingekauft und mich mit dem nötigen Proviant versorgt, um zwei bis drei Tage in den Bergen im Zelt und ohne Supermärkte und Restaurants durchstehen zu können. Dabei sind meine „Lieblingsgerichte“ hergestellt in China, extrem leicht, eine Mahlzeit wiegt gerade mal 60 gr., schmeckt gräßlich, sättigt aber perfekt.

Ich habe den späten Nachmittag auf die Abendessenzeit wartend mit der Planung der nächsten drei Tage verbracht und bereits Zimmer bis einschließlich Donnerstag gebucht. In der Zeit muss ich schon mal nicht auf meine neuen Vorräte zurück greifen. Freitag könnte auch noch klappen mit Fremdversorgung, danach wird es deutlich schwieriger.

Jetzt lasse ich den Abend noch mit einem Zibello ausklingen; gestern hatte ich einen Grillo: typische weiße Rebsorten auf Sizilien. Auf dem Weg zu meinem Zimmer direkt vor der Chiesa San Giovanni macht eine Gruppe Musik im Zentrum eine Geigerin. Es herrscht eine tolle Stimmung auf der Straße. Ich lasse mich in den Bann der Musik und der Menschen um mich herum ziehen. Nach einer Weile gehe ich dann doch in mein B&B; vom Balkon aus kann ich gut die Musik hören und immer noch die Atmosphäre spüren. Hier kann man es aushalten; in Palermo war ich nicht das letzte mal.

Tag 7: 09.10.2022

Gestern Abend habe ich zwar nicht das beste Essen bekommen, aber ich habe hinreichend gesalzen, um so meinen Mineralienhaushalt wieder in den Griff zu bekommen. Nach zwei Tagen ausschließlich Käse mit Brot hat mich ausgezehrt, so dass ich die letzten beiden Tage nicht voll leistungsfähig war. Heute fühle ich mich fit und die Anstiege machen mir viel weniger aus: ich muss darauf achten, dass ich den Verlust von Salz beim Schwitzen abends wieder ausgleiche.

Heute durch wandere ich ein Naturschutzgebiet. Dort gibt es aus Refugios: wie ich mir schon bedachte sind das im besten Fall Schutzhütten. Sie sind nicht bewirtschaftet und Wasser gibt es auch keins, da sie immer auf einem Hochpunkt liegen und Wasser nun mal den Berg runter und nicht hoch fließt. Sie sind innen ausgesprochen muffig. Ich würde darin nicht übernachten wollen. Da würde ich immer mein Zelt vorziehen.

Die Wege in dem Naturschutzgebiet sind gut ausgeschildert und es macht keine Schwierigkeiten, ihnen zu folgen. Außer man findet den Wege doch nicht. Wie konnte das passieren? Am höchsten Punkt beginnend hat es vor einiger Zeit einen Waldbrand gegeben. Mir scheint, danach hat man dort keine Pflege der Wege und des Waldes gegeben. Man hat die Natur ihre Arbeit machen lassen. In manchen Bereichen ist man mit schwerem Gerät in den Wald und hat begonnen, die Bäume zu fällen. Damit entstanden Wege, die es auf den Karten nicht gibt und ehemalige Wege sind zu gewuchert, durch Spuren der Fahrzeuge nicht mehr erkennbar.

An einem solchen Punkt angekommen, finde ich den Weg, den ich zu nehmen habe nicht. Da kommen zwei Fahrradfahrer. Einer von den beiden hat mal in Freiburg gewohnt. Sie zeigen mir den Weg. Nur nach etwa zehn Minuten stellt sich heraus, das ist kein Weg. Ich stehe „im Urwald“. Hier gibt es nur noch verbranntes Gehölz und Dornengestrüpp. Ich komme nicht mehr richtig vorwärts und zurück finde ich auch nicht. Also „gehe“ ich in Richtung meines Weges. Irgendwann muss ich ja darauf stoßen. Es sind vielleicht gerade mal 500 Meter. Die haben es aber in sich. Ich stürze, weil ich den Boden nicht sehen kann, bleibe im Dorngebüsch hängen und komme vor lauter Gestrüpp kaum noch Vorwärtskommen. Die ungefähr 500 Meter kosten mich fast eine Stunde. In meinen Füßen stecken Dornen. Meine Kleidung ist voll Mist allem, was die Vegetation hergibt und meine Hose sieht einfach schrecklich aus. Ich muss sehen, was ich späte machen kann, um das schlimmste zu reparieren.

Als ich auf dem Weg zurück bin, läuft wieder alles prima und etwas später kann ich auf Palermo und das Meer schauen. Weniger schön sind die letzten 15 Kilometer nach Palermo. Ich komme durch runtergekommene Und völlig verdreckte Vorstadtgebiete.

Selbst die Innenstadt macht einen verschmutzten und nicht gerade attraktiven Eindruck. Bis ich dann die wirkliche Innenstadt an einem historischen Tor erreiche. Von da an ist Palermo eine Stadt mit attraktiven Kulturdenkmälern, zwar nicht sauberer aber trotzdem schön.

Da es auf meinem Weg liegt besuche ich als erstes „Le Catacombe del Cappuccini“ – die Kapuzinergruft von Palermo. Dort wurden ab 1599 Personen balsamiertes und aufbewahrt. Zunächst nur Kapuzinermönche später auch Bürger, die es sich leisten konnten. So konnten die Hinterbliebenen ihre Verwandten weiterhin besuchen. Im ausgehenden 19. Jahrhundert wurde die Balsamierung verboten, nur daran gehalten haben sich die Reichen nicht. So „lagern“ in der Gruft etwa 2.000 Menschen: Kinder, Frauen, Männer. Alle in ihren Kleidern – meist ist nur das Skelett unter den Kleidern übrig. Manche haben aber auch noch Hautpartien, Haare und Zähne. Da die Gruft den Eindruck eines Lagers macht, wirkt das Ensemble sehr skurril.

 Bild von peterstravel.de

Rund um die Kathedrale herrscht mir zu viel Trubel. Massen an Touristen sind in großen Gruppen unterwegs und belagern alles sehenswürdige. So beschließe ich Morgen einen Ruhetage einzulegen und mir die Stadt in Ruhe anzuschauen. Zumal es anfängt heftig zu regnen und das Regenwetter morgen anhalten soll.

Jetzt sitze ich einem schicken Restaurant im Hafengebiet und habe hervorragend gegessen. Um mich herum Deutsche und Engländer, die alle nicht hinreichend Bewegung erhalten. Das Essen war sensationell bzw. ist es noch, da ich zum Abschluss gerade noch ein Dessert vom CHEF serviert bekomme: gefährlich viel Zucker, bedenkend dass ich Morgen einen Ruhetage einlege, zumal ich auch noch eine Flasche Grillo getrunken habe.

Tag 6: 08.10.2022

Ich habe mir den Wecker auf 06:30 Uhr gestellt, damit ich bei Sonnenaufgang weitgehend fertig bin, falls der zusammengefallen Hof doch noch für Feldarbeiter genutzt wird. Um 07:15 habe ich Schlafsack, Luftmatratze, Kopfkissen zurück in ihre Verpackungssäcke gestopft, das Zelt abgebaut, den Rucksack gepackt und meine Morgentoilette erledigt.

Nach etwa 7 Kilometer komme ich durch eine Ansammlung von Häusern, die so weit von einander entfernt stehen, dass ich dies nicht ein Dorf nennen würde. Jedes Grundstück – wie gestern schon beschrieben – von Hunden bewacht. Die vorherrschende Rasse sind diese weißen Hunde: ich vermute einen Marenmanno, denn auch die Schäfer nutzen dieses meist oder Mischungen, die ähnlich aussehen.

Den Hund, den ich hier aufgenommen habe, hat nicht nur mich im Sinn zu verjagen, sondern auch drei weitere Hunde, die so gar nicht in das hiesige Bild passen. Die eine Schäferhund-Hündin ist schwanger. Alle drei folgen mir von nun an die Berge rauf und runter. Meist in Formation: der etwas dickliche weiße Rüde läuft hinter mir, die beiden Schäferhunde, die nicht ausgewachsen wirken, laufen vor mir.

Kurz hinter dem „Ort“ mache ich eine Pause, meine Begleiter auch. Die Pause nutze ich, um meinen finalen Plan für heute zu machen. In die Stadt, in die ich eigentlich möchte, hat keine – zumindest für heute Nacht – Unterkünfte. Die nächsten Übernachtungsmöglivchkeiten mit Bett und Dusche sind mehr als 40 Kilometer von meinem Zeltplatz und viel „schlimmer“ über 1.500 Höhenmeter entfernt. Das schaffe ich auch nicht. Im Zelt möchte ich auch nicht wieder übernachten. Zum Einen aus hygienischen Gründen und zum Anderen, weiß ich nicht, ob ich Wasser unterwegs auffüllen kann. Zu essen habe ich immer noch Käse und etwas altes Brot. Ich entscheide mich, einen Umweg zu laufen. Ich werde nach Piana degli Albanesi wandern. Ich buche dort ein Zimmer in einem B&B: gut 20 Kilometer und 1.100 Höhenmeter. Das schaffe ich.

Die Anstiege durch zum Teil unwegsames Gelände und mit den Hunden, die mir immer wieder zwischen den Beinen rum laufen sind schwieriger als gedacht. Auch muss ich immer wieder den Weg suchen. Alles ist überwuchert durch dornenreiches Gebüsch. Daher muss ich immer wieder zurück, um mir andere Wege zu bahnen.

 

Auf dem ersten Hochplateau angekommen, treffe ich zunächst zwei Jäger. Die ich schon eine geraume Zeit gehört habe – zunächst aufgrund der Schüsse, die sie abgegeben haben. Anschließend kommt eine Schweizerin auf einer Tageswanderung an meinem Rastplatz vorbei. Für 10 Minuten gehen wir zusammen, dann biegt sie ab zu einem Gipfel, den sie erklimmen möchte.

Mein Weg führt mich zu einem nächsten Hochplateau. Dort treffe ich auf die gesamte Jagdgesellschaft. Hier wird mit Kind und Kegel gejagt. Die Jagdgesellschaft steht um ihre Fahrzeuge an einem zerfallenen Gehöft. Um auf die befestigte Straße zu kommen, muss ich durch sumpfiges Gebiet, das zieht mir die Schuhe aus. Ich muss die Schuhe aus dem Matsch ziehen und laufe auf Socken zur Straße und schaue mich um, wo das ganze Wasser her kommt. Denn dort möchte ich Schuhe und mich etwas säubern. Eine der Frauen fragt mich, was ich suche und ich antworte: Wasser. Das versteht sie falsch und glaubt ich suche Trinkwasser. Man bietet mir Wasser an, was ich trotz des Missverständnis gerne annehme und lasse mir meine Falsche auffüllen. Mit Feuchttüchern mache ich meine Hose und Strümpfe etwas sauber. Dann sehe ich auch endlich die Staubehälter mit Wasser. Dockt wasche ich kräftig meine Schuhe.

Jetzt geht es wieder runter. Im Tal überquere ich eine Schnellstraße und gelange in ein kleines Dorf. Auch hier werde ich mit meinen Begleitern angebellt. Das finden meine Begleiter nicht gut und lassen sich auf ein Gebelle ein. Gut so, jetzt bin ich die los und muss mir keine Gedanken machen, wie ich die abschüttele, bevor ich mein Quartier erreiche bzw. noch ein paar Kleinigkeiten einkaufe. Es dauert aber nicht lang, dann hat mich die schwangere Hündin wieder eingeholt. Die beiden anderen bleiben zurück. Kurze Zeit später verschnaufe ich und nehme den Käse mit dem alten Brot aus meinem Rucksack. Das wiegt immer fast ein Kilo zusammen. Ich lasse es ausgepackt liegen in der Hoffnung die Hündin macht sich darüber her und lässt von mir ab. Teil eins funktioniert. Teil zwei leider nicht. Kaum Fünf Minuten später läuft sie schon wieder neben mir her. Auf halber Höhe zum letzten Pass des Tages stoßen wir auf einige Weidende Rinder. Die Stellen sich sofort der Hündin in den Weg und lassen sie nicht durch. Jetzt bin ich sie bestimmt los. Falsch gedacht, sie scheint einen Umweg zu gehen und eine viertel Stunde später, kurz bevor ich auf der Passhöhe ankomme, hat sie mich wieder eingeholt.

 Blick bis nach Palermo

Die Hündin läuft weiter mit mir, als wir in dem Ziel-Städtchen ankommen. Bevor ich ins B&B gehe kauf ich noch schnell etwas ein. Die Hündin muss natürlich draußen warten und ich einer Reihe von Leuten erklären, dass sie nicht mein Hund ist. Kaum aus dem Supermarkt steht das Tier schon wieder neben mir. An meinem B&B gelingt es mir, die Tür vor ihrer Nase zuzuschlagen. Ich hatte schon vermutet, dass sie alles dran setzen wird, mit mir zusammen durch die Tür zu schlüpfen.

 Blick auf den nahegelegenen See und das Städtchen Piana degli Abanesi

Kaum angekommen, ruft mich der Besitzer des B&B an und fragt, ob er in seiner Pizzeria für mich einen Tisch reservieren darf. Das kann ich gar nicht ausschlagen, obwohl mir heute Abend eher nach Frische der Sinn steht, um meine Reserven wieder aufzufüllen.

Die Pizzeria ist ein Höllentempel. Es läuft ein Fernseher auf volle Pulle, ein Musikgerät spielt ebenso laut Popmusik und alle Tisch sind belegt. Damit sich die Gäste miteinander unterhalten können, übertreffen sie in ihrer Lautstärke die elektronischen Geräte. Pizza und Salat sind super.

Tag 5: 07.10.2022

Ich konnte mich gestern Abend nicht entscheiden, wo ich heute hingehen werde. Entweder wäre es zu den nächsten Übernachtungsmöglichkeiten nur 15 oder danach schon 42 Kilometer. In Google Maps habe ich zwar ein Agriturismo nach 32 Kilometer gefunden. Die haben aber weder gestern Abend noch im Laufe des Vormittags geantwortet. Während ich meinen Rucksack packe, entscheide ich mich den übrig gebliebenen Käse mit einzupacken und richte mich auf zelten ein.

Nach 15 Kilometer komme ich auf die hoch am Berg liegende Stadt Alcamo. Dort nehme ich erst einmal mein Frühstück ein. Danach kaufe ich 4 Liter Wasser, 2 Liter kommen in den Rucksack, mit einem Liter fülle ich meine fast leere Flasche auf. Den Rest trinke ich schnell, in der Hoffnung ich kann Wasserreserven wie ein Kamel anlegen. Am Straßenrand erwerbe ich noch drei Pfirsiche: Zucker kann nie schaden.

Mit Ausnahme von Alcamo komme ich weder durch eine weitere Stadt noch durch ein Dorf. Landschaft pur liegt vor mir. Unterwegs mopse ich mir von dem ersten Zitronenbaum, den ich sehe eine Zitrone. Die duftet sehr intensiv, ist aber auch mächtig sauer. Süßer ist da schon die Feige, die ich vom Baum klaue. Leider komme ich nur an eine reife Frucht.

Hier auf dem Land werden die Häuser von Hunden geschützt. Die Besitzer lassen sie frei laufen, wie ich das schon in Griechenland im Mai erlebt habe. Die Hunde kommen meist sehr aggressiv auf mich zu, laufen aber dann immer so, dass in meinem Rücken sind. Wenn ich mich zu ihnen umdrehe, gehen fast alle kläffend auf Distanz. Das ist ganz anders, treffe ich auf Schaaf- und/oder Ziegenherden. Heute gleich dreimal. Im Rudel und trainiert ihre Herde zu schützen, sind diese Hunde nicht nur extrem aggressiv in ihrem Auftreten, sie lassen sich nicht so einfach einschüchtern. Eher bin ich der Eingeschüchterte, wenn da fünf bis zehn Hunde sich um einen rum verteilen.

Nach 35 Kilometern und fast 800 Höhenmeter, bin ich müde – trotz eines ausgiebigen Mittagsschlaf im Schatten eines Olivenhains. Ich komme an einem zusammen gefallenen Hof vorbei. Es gibt zwar Schlösser vor den Türen, die noch intakt sind, aber hier sieht alles verlassen aus. Bereits im Dämmerlicht baue ich mein Zelt auf einer Art Veranda unter einem Schutzdach auf. Damit steht das Zelt schon mal in Waage und  sitzen kann ich dort auch ganz gut.

Nun hoffe ich, dass der Hof tatsächlich verlassen ist und nicht heute Nacht – vielleicht von der Mafia – Besuch bekomme.

Tag 4: 06.10.2022

Tough but nice day: Scopello verlasse ich um 08:00 Uhr mit einem Cappuccino und einem Croissant gefüllt mit Pistaziencreme im Bauch. Gleich geht es wieder hoch in die Berge. Heute quere ich zwei Gebirgszüge und damit habe ich mehr als 1.000 Höhenmeter und 34 Kilometer absolviert.

Die Gegend wirkt einsam und verlassen. Einige Häuser – meist zusammen gestürzt und verlassen – stehen am Weges Rand. Hier und da arbeiten Bauern auf ihren Feldern. Die Ernte ist weitgehend eingebracht und es wird derzeit gepflügt und noch öfter werden die Felder abgeflammt. Einige muss ich queren. Meine Schuhe sind ganz schwarz vom Ruß.

Ich habe das Gefühl, unabhängig wo ich gerade bin, ist im Hintergrund das Meer zu sehen.

Hin und wieder komme ich durch kleine Weiler. In einem gibt es sogar eine Bar. Das nehme ich gleich war, um meinen Flüssigkeitspegel und meinen Zuckerhaushalt mit einem Süßteilchen ordentlich aufzufrischen.

Fast am Ende meines heutigen Weges komme ich nach Segesta einer antiken Stadt gebaut von den Griechen und später von den Karthagern im 5. Jahrhundert vor Christi zerstört. Die Stadt wurde immer wieder aufgebaut und wurde noch im 12. Jahrhundert nach Christi bewährt. Die Festung steht gar auf einer Moschee. Heute sieht man im wesentlichen den Hera-Tempel, der nie fertiggestellt wurde und das Theater, das von den Griechen erbaut und von den Römern später erweitert wurde. Beide Objekte sind in einem sensationell gutem Zustand. Die restlichen Anlagen lassen der Fantasie sehr viel Spielraum.

Unweit von Segesta habe ich ein einfaches Zimmer mit einer hübschen Terrasse gebucht. Da weit und breit kein Restaurant offen hat, habe ich mir in einer nahegelegenen Käserei einen Fromaggio fresco (gesalzener und fester sizilianischer Ricotta) und einen Fromaggio duro gekauft. Nach Google Maps ist dies ein Käseladen, tatsächlich ist es eine Fabrik und die Arbeiter haben mir freundlicherweise etwas Käse verpackt und verkauft. Beim Einchecken habe ich von meiner Wirten noch offenen Rotwein, 1 Liter abgefüllt in einer Plastikwasserflasche, zwei Flaschenwasser und etwas Brot erworben – die hält mich wohl für einen Alkoholiker. Das Brot ist schon etwas älter: ich konzentriere mich auf Käse, Wein und Wasser.

Tag 3: 05.10.2022

Alles im Zelt ist feucht. Es ist nebelig: auch auf Sizilien wird es Herbst, trotz der sehr ansprechenden Temperaturen von nachts um 17 Grad und tags bis 28 Grad.

Lange brauche ich nicht um meine Sachen zusammenzupacken. Um acht bin ich fertig. Frühstück gibt es keins auf dem Campingplatz, was mich nicht weiter stört, da die Pizza von gestern Abend noch immer mich sättigt. Ich hoffe auf eine Bar an einem der Strände, an denen ich in der kommenden Stunde entlang wandere. Alles zu – nicht nur die Restaurants haben zu wenig Gäste auch für die Bars scheint es nicht zu reichen. Also setze ich auf den nächsten Ort, den ich nach gut 16 Kilometern erreiche: Macari.

Um dorthin zu gelangen, muss ich einen Berg, der prominent ins Meer hineinragt umrunden. Im ausgehenden Mittelalter wurde dieser Berg militärisch durch zwei Wachtürme mit Truppen gesichert. Der Weg um diesen Berg ist malerisch. Zwischen diesem und Macari liegt ein breiter Strand, der nur wenig von Badenden genutzt wird.

In Macari angekommen suche ich umgehend die einzige Bar. Leider hat sie Mittwochs ihren Ruhetag und die beiden Restaurants machen erst abends auf. Das erfreut mich nicht besonders. Vor mir liegen weitere 17 Kilometer und fast 900 Höhenmeter. Da ich auch nur eine Flasche Wasser mit habe, muss ich Wasser rationieren.

Nach einer Pause auf dem Kirchplatz mache ich mich an den schweißtreibenden Aufstieg. Die Straße führt senkrecht den Berg hoch und endet etwa nach 200 Höhenmeter. die Straße geht über in einen Trampelpfad, der in einigen wenigen Windungen den Berg hoch führt. Der Blick entschädigt für die Strapazen. Unten sind, während ich den Berg hoch gestiegen bin, drei Boote vor Anker gegangen. Die Gegend ist sicher ein tolles Segelrevier.


Oben komme ich erschöpft an und kann jetzt sowohl auf die Eine wie die andere Seite des Gebirgszugs hinunter aufs Meer schauen. Die „neue“ Seite ist noch beeindruckender. Ich bin überwältigt. Jetzt muss ich Gas geben, sonst wird es spät bis ich in meinem Hotel in Scopello ankomme und außerdem habe ich jetzt tüchtig Hunger.

Um kurz nach 17:00 Uhr habe ich es geschafft. Ich bin in dem autofreien Scopello in einem  hübschen Hotel untergebracht, in dem ich auch gleich einen Tisch auf der Terrasse mit Blick aufs Meer reserviere.

Nach meiner typischen Nachmittags Routine: Wäsche waschen und duschen, schaue ich mir den Ort etwas an und um die Zeit bis zum Abendessen zu verkürzen, mache ich noch ein Nickerchen.

Das Abendessen ist lecker. Ich esse zur Vorspeise gefüllte getrocknete Tomaten mit Käse und danach Schwertfisch. Die Inhaberin des Hotels freut sich über meine Auswahl – vor allem kann ich mit ihr über sizilianische Weißweinreben diskutieren – und meinen Appetit.

Tag 2: 04.10.2022

Wie einige Inseln vor Trapani schauen auch auf dem Festland einige Berge hunderte Meter aus dem sonst flachen Land heraus. Im Nordosten von Trapani liegt hoch oben (ca. 750 ü. NN) auf einem solchen Berg Erice. Erice ist eine antike Stadt, die strategisch gut gelegen war und im 3. vorchristlichen Jahrhundert zwischen Karthago und Rom schwer umkämpft war.

Auf einer von den Römern gebauten Straße wandere ich hoch nach Erice mit teilweise sensationellem Blick auf Trapani. Man kann das Dreieck, das Trapani bildet mit den Hafenanlagen an der Spitze des Dreiecks und die vorgelagerten Inseln, gut erkennen.

Ich hätte auch die Seilbahn wie alle anderen Touristen nutzen können, die sich durch die engen Gassen des mittelalterlich anmutenden Erice schieben. Durchschwitzt wie ich bin, suche ich in der Mitte des Orts erst einmal eine Bar, um zu frühstücken. Nach einem Cappuccino, einem Wasser und zwei Süßteilchen fühle ich mich gleich wieder gestärkt. Bevor ich die Bar verlasse trinke ich noch schnell einen Espresso.

Nach einem Rundgang durch Erice mache ich mich auf der Nordseite des Berges an den Abstieg. Der ist noch mühevoller als der Aufstieg. Steile Wege und sehr viel Geröll bieten wenig Halt. Auch auf dieser Seite von Erice werde ich verwöhnt durch den Blick aufs Meer und die westliche Küstenlinie.

Weder beim Aufstieg noch beim Abstieg treffe ich auf irgendjemanden. Ich scheine der einzig Mensch weit und breit zu sein. Nur auf Esel, die mir ihr kräftiges IA hinter her schreien, treffe ich. Bei diesen Tieren mache ich eine Pause und versuche mir ein Zimmer an einem der Strände, die unter mir liegen, zu buchen. Vergeblich: die beiden B&Bs sind belegt und die Besitzer der Ferienwohnungen/-häuser wollen nicht für eine Nacht vermieten.

Unten angekommen führt mich mein Weg direkt am Meer entlang. Schöne Wege säumen die Küste mit Felsen und einigen Sandstränden.

Als ich an einem Campingplatz vorbei komme, entscheide ich mich heute Nacht zu campen. Mein Zelt steht zwischen Wohnwagen, die wohl noch nie bewegt worden sind. Viele Camper treffe ich nicht – eigentlich nur eine, die ihre Wäsche aufhängt.

Bevor ich mich fürs Abendessen fertig mache, schaue ich mir den Sonnenuntergang auf der Kaimauer sitzend an.

Als ich zu Abendessen möchte, muss ich feststellen, dass auf Grund der Nachsaison weder Bars noch Restaurants geöffnet haben. Die Campingplatz-Betreiberin ruft für mich bei einem Pizza-Delivery-Service an, so muss ich wenigstens nicht hungern. Auf Selbstversorgung bin ich nicht eingestellt, da ich davon ausgegangen bin, dass es in einem Tourismusgebiet in Italien selbstverständlich immer etwas zu essen gibt. Auf die Pizza muss ich eine gute Stunde warten. Ich verschlinge sie, da ich doch hungriger bin als gedacht.

Tag 1: 03.10.2022

Ich habe einen überwältigend schönen Sommer Zuhause verbracht: und das nicht nur des sensationellen Wetters sondern vor allem weil ich schon lange nicht mehr so viel Zeit mit der immer größer werdenden Familie und mit meiner Frau verbracht habe. Ich habe es sehr genossen. Trotzdem erfasst mich immer wieder das Fernweh und die unbändige Lust auf das langsame Reisen: Wandern ist sicher mühselig und nicht immer die reine Freude; aber ich sehe und erlebe ein Land, eine Gegend viel intensiver als mit jeder andern Form des Reisens.

Wo geht es hin? Ich habe mich lange nicht entscheiden können. Letztlich hat Sizilien das Rennen gemacht in der Hoffnung auf gutes Wetter, hervorragendes Essen und fantastischen Wein. Vor mir liegen  650 bis 700 Kilometer und mehr als 20.000 Höhenmeter. Ich starte im Westen und mein Weg wird im äußersten Osten in Messina enden.

Heute Morgen bin ich nach Trapani – unweit von Málaga – geflogen, wo ich mit knapp zwei Stunden Verspätung um kurz vor 11:00 Uhr gelandet bin. Noch am Flughafen habe ich meinen Rucksack eingestellt und habe mich auf den Weg nach Trapani gemacht, das ziemlich genau 20 Kilometer nördlich des Flughafens liegt und wo ich schon vorab ein Hotel gebucht hatte.

Am Anfang musste ich an einer viel befahrenen Straße entlang laufen, dann ging es durch landwirtschaftlich genutzte Bereiche u. a. mit Granatäpfeln und Kaktusfeigen – nicht nur im Ackerbau auch in den Vorgärten – bevor ich die gewerblich genutzten und eher hässlichen Ausläufers von Trapani erreicht habe.

Die Lage am Meer mit Stränden und Hafenanlagen prägt die Stadt. Trapani war und ist eine Kulturstadt mit einer Kathedrale, vielen Museen, Galerien und natürlich Restaurants für die Versorgung der Touristen. Die Saison ist zu Ende, weshalb die Bars und Restaurants nur mäßig besucht sind. Ich esse heute Abend eine kalte Platte mit heimischen Produkten: einfach köstlich.