Tag 4: 11.06.19

 

Casalbore —> Faeto

Heute bin ich rauf und runter durch den Apennin gewandert – deutlich mehr rauf als runter – über schmale Straßen, staubige Pisten und Wiesenwege. Hier ist es ganz schön einsam. Entsprechend sehe ich kaum Autos und Menschen. Traktoren sind deutlich in der Mehrzahl. Hier ist für manche Getreideart bereits Erntezeit.

Treffe ich auf jemanden, werde ich zunächst angestarrt als wäre ich ein Alien. Dann sprechen mich die meisten an und wollen wissen, ob ich ein Pilger bin, wo ich herkomme und wo mein Ziel ist. Immer muss ich mich entschuldigen, dass ich kein Italienisch spreche, das stört aber niemanden, es wird erzählt und gefragt. Auch die Autofahrer halten oft an, um ein zwei Sätze zu wechseln. Ein höfliches Völkchen, die Menschen vom Apennin. 

In einem Miniort gibt es einen Agroturismo: an der Straße steht ein völlig verwittertes Tabacchi Schild. Sofort vermute ich eine Bar. Ich gehe hin und frage eine Gruppe von laut redenden Frauen, ob ich ein Panino, einen Café und ein Wasser bekommen kann. Die Antwort ist ein si, si, si und man bedeutet mir, an einem Tisch im Schatten Platz zu nehmen. Eine alte klapprige Frau bringt mir das gewünschte und ich lasse es mir gut gehen.

Kaum habe ich begonnen zu essen, kommt ein Priester oder Mönch angetrabt und setzt sich zu mir. Er hat bei der Hitze eine Kutte mit einem ganz schweren Material an; sie ist schmutzig und schwitzen muss der arme Kerl sicher auch. Lächelnd begrüßt er mich, den Pellegrino, Er gibt mir seine Hand, obwohl er Arbeitshandschuhe an hat. Bis nach Santa Maria di Leuca möchte er auch mal pilgern. Er mutmaßt, dass ich schon sechzig bin – so eine Unverschämtheit: ich sehe doch nicht aus wie sechzig oder – und meint, wenn ich das schaffte, dann würde er, da er doch noch deutlich jünger ist, das auch schaffen. Er will genau wissen, wo ich gestartet bin, wo mich mein Weg entlang führen wird, wie lange ich denke zu brauchen und und und. Puh, den krieg ich gar nicht mehr los. Auch er spricht mit mir Italienisch und will wissen, wieso ich ihn verstehen kann. Ich erzähle ihm, dass ich in der Schule Latein hatte und die eine oder andere Vokabel mir im Kopf geblieben ist. Nun beginnt er doch glatt Latein zu sprechen und ich verstehe nur Bahnhof. Nach meinem Verständnis ist Italienisch Latein ohne Grammatik und mit der stand ich schon in der Schule auf Kriegsfuß. Ich muss den Typ stoppen, sonst sitze ich nicht nur den ganzen Tag hier, sondern muss am Ende noch eine Lateinprüfung ablegen.

So jetzt kommt der große Aufstieg. Belohnt wird der mit der Ankunft in einem Bergdorf, in dem es nicht nur eine Bar sondern auch eine Apotheke und einen Tante-Emma-Laden gibt. Ich kaufe 50er Sonnencreme, Blasenpflaster und Wasser. 

Es sind nur noch gut acht Kilometer bis zum meinem heutigen Ziel, Faeto, wo ich eine Ferienwohnung mit 90 qm gemietet habe – das ist für einen verschwitzten und völlig fertigen Pilger doch ein schönes Quartier. Ich freue mich auf die übersichtliche Reststrecke. Faeto liegt etwas niedriger als Castelfranco, wo ich mich gerade befinde, und nach meiner App sehe ich keine gravierenden Höhenunterschiede – das wird ganz easy. Denkste, ich habe wohl nicht richtig hingeschaut. Direkt nach Castelfranco geht es steil bergab – das mögen meine mit Blasen überzogenen Füße nun so gar nicht und anschließend geht es auf kürzester Distanz wieder genauso hoch – man macht mich das fertig. Mehrere Pausen sind von Nöten, um meinen Körper samt Rucksack den Berg hoch zu wuchten: Ich muss dringend drei Kilo Körpergewicht los werden.

Als ich fast oben bin, quält sich ein kleines Auto den Berg rauf und hält neben mir an. Der Fahrer lässt mich wissen, dass die Straße oben endet und ich nicht weiter kommen werde. Ich danke ihm für die Information und denke mir, wenn Du glaubst, ich gehe da wieder runter und laufe einen Umweg von mehreren Kilometern hast Du Dich aber schwer getäuscht. Nach meiner Wanderkartenapp endet die Straße zwar aber ein Pfad müsste weiter gehen und wenn nicht gehe ich quer durch die Felder – zurück ist keine Option. Die Wanderkarte hat recht, es gibt einen Wiesenweg, nur ist dieser weniger ein Weg als ein Bachbett. Mühevoll muss ich mal durch das flache Wasser, mal am Rand entlang bis ich nach knapp einem Kilometer wieder auf einer Schotterpiste lande. Nach dem ich die nassen Socken durch trockene Ersetzt habe geht es zügig nach Faeto.

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