Tag 3: 10.06.19

 

Benevento —> Casalbore

Heute muss ich unbedingt etwas kürzer treten. ich nehme mir knapp 30 km vor – meine Füße sehen nicht gut aus: mein zweiter Zeh am rechten Fuß ist einfach zu lang geraten: wie fast immer beim Wandern bedeutet das dicke fette Blase an der Spitze des Zehs mit Verlust des Zehennagels. Noch ist der Nagel dran, sieht aber nicht gut aus: nächstes Blasenpflaster. Die Hitze und der Schweiß haben meiner Haut auch nicht gerade gute Dienste geleistet. Nun heißt es auf die Zähne beißen.

Um Punkt sieben stehe ich an der Rezeption. Wer ist nicht da: mein verehrter Hotelwirt. Ich höre aber einen Wecker im Nebenraum zur Rezeption klingeln. Es tut sich aber nichts. Also schaue ich nach. Auf einem Bett nur mit einem T-Shirt bekleidet liegt der feiste Wirt und schläft. Das Klingeln stört ihn wenig. Ich rufe und klopfe – nichts. Rein gehen möchte ich nicht: das ist mir einfach zu unappetitlich.

Also lege ich das Geld mit dem Schlüssel auf den Tresen und verschwinde. Das Bild mit dem Wirt und seinem nackten Hintern auf dem Bett liegend bleibt in meinem Kopf.

Um sieben ist es tatsächlich deutlich kühler: nur 19 Grad. Die Temperaturkurve ist allerdings steil. Heute führt mein Weg hoch in den Apennin. Ich komme nur noch durch vereinzelt liegende Bauernhöfe, gelegentlich ein Betrieb, der Marmor bearbeitet. Es geht auf und ab mehr rauf als runter. Vorfällen das runter mögen meine Füße nicht. Bergauf wandelt Sol meinen Körper jedesmal wieder in einen Artesischen Brunnen. 

Ich nehme einen kleinen Umweg in Kauf, um an einer Bar vorbeizukommen. Um zehn bekomme ich endlich mein Frühstück. Panini hat man nicht dafür Pizza, was zwar nicht unbedingt meine Lieblingsspeise zum Frühstück ist aber ich habe Hunger.

Ich bleibe eineinhalb Stunden: dann habe ich genug gegessen und getrunken. Auch sind mein Körper und meine Klamotten wieder trocken. Als ich aufbrechen möchte kommt ein Pilgerpärchen, ich denke mein Alter, herein. Die beiden hatte ich schon kurz hinter Benevento getroffen. Wir unterhalten uns kurz, dann nehme ich die letzten 13 Kilometer in Angriff. Mir graut davor, da es noch deutlich die Berge rauf gehen wird.

Nach knapp acht Kilometern bin ich fertig. Die Sonne – oder sollte ich besser sagen der Sonnengott – presst mich aus. Ich bin völlig kraftlos. Auf einem Hügel vor mir sehe ich einen Hof vor dem ein Baum steht. Da muss ich hin. Nach dem ich ihn erreicht habe lege ich mich auf die Straße, Rucksack unter meinen Kopf, Hintern auf meine Schuhe und ich schlafe umgehend ein. Aber mein Nickerchen wehrt nur kurz. Der Bauer bringt mit seinem Traktor einen Wasseranhänger. Diesen schließt er an ein Bewässerungssystem an. Dann pumpt er das Wasser mit lautem Getöse langsam ab. Ich tue so als würde mich das nicht stören. Das scheint den Bauern zu inspirieren und kommt zu mir rüber. Er zwängt mir ein Gespräch auf. Ich verstehe nur Wortelemente, das stört ihn nicht. Er unterhält sich mit mir prächtig. Nach einem Monolog von vermutlich zehn Minuten und einige si si von mir verabschiedet er sich freundlich von mir mit einem Buon Camino. 

Trotzdem bin ich erfrischt und sehe auf meinem Handy, dass ich nur noch sechs Kilometer vor mir habe. Das ist ein Klacks, denke ich. Nach drei Kilometern habe ich brennenden Durst. Meine letzte Wasserflasche muss dran glauben. Mit der Wasserflasche in der Hand und Schluck für Schluck schleppe ich mich bis nach Casalbore. In der Bar in der Dorfmitte frage ich, ob es eine Übernachtungsmöglichkeit gibt. Der Barmann telefoniert kurz und schickt mich den Berg rauf. Er erjklärt mir, dass ich Glück habe nach Casalbore gekommen zu sein, da es außerhalb des Dorfes weit und breit keine Herbergen gibt. Na dann werde ich später gleich booking.com bemühen müssen, damit ich mich Morgen nicht wieder auf mein Glück verlassen muss, denn die nächsten Tage komme ich durch keine größeren Ortschaften mehr.

Hoch über Casalbore komme ich zu einem Agroturismo. Das ist gut, hier kann ich im Schatten im garten sitzen und auch zu Abendessen, ohne noch einmal runter ins Dorf zu müssen. Ich werde freundlich zunächst von drei Hunden empfangen. Dann kommt aber auch schon die Gastgeberin heraus. Vor den Formalitäten bekomme ich zunächst eine Flasche kaltes Wasser. Ich bekomme ein großes Zimmer mit ganz kleinen Fenstern. Es ist schön kalt – super.

Später setze ich mich in den Garten und führe mein Tagebuch, das ich bisher sträflich vernachlässigt haben. Die Hunde kommen und animieren mich, mit ihnen zu spielen. Hier wimmelt es von Tieren: Gekos wuseln überall herum, eine Natter – bestimmt einen Meter lang – schaut vorbei und die Hunde rasten aus als ein Pferd in den Stall geführt wird.

Hier oben weht ein angenehmer Wind, im Hintergrund donnert es – vielleicht zieht noch ein Gewitter auf, das die Temperaturen drücken könnte. Schau‘n wir mal. Besser ich kümmere mich um meine Wanderroute für die nächsten Tage, so dass ich bei ungefähr 30 Kilometertagesleistung auch ein Bett finde. Für Morgen buche ich eine Ferienwohnung etwas abseits der Route, da es tatsächlich nichts anderes gibt. Übermorgen kann ich dann in Troia sein, dort gibt es mehrere Übernachtungsmöglichkeiten. Damit sind die beiden nächsten Tage mal klar.

Weniger erfreulich: beim Ausfüllen des Anmeldescheins fällt mir auf, dass der Depp von einem Wirt in Benevento noch meinen Personalausweis hat. Ich hatte ganz vergessen, dass er mir den gestern nicht zurück gegeben hatte. Ok, da muss ich mir noch etwas einfallen lassen. Ich werde Morgen mal mit Giuseppe telefonieren, um ihn zu bitten mir mit seinen Italienischkenntnissen zu helfen.

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