Tag 21 – 03.11.25: Formia – Monte San Biagio

Zum Schluß wird es nochmal richtig schön

Während Wolfgang und ich beim Frühstück sitzen, fängt es an zu regnen. Erst nur ein wenig und dann doch mehr. Also hole ich die Regenjacke aus dem Rucksack und ziehe sie über. Bei 18 Grad finde ich das unangenehm. Schon nach 500 Metern ist der Regen Geschichte. Rucksack ablegen, Regenjacke ausziehen und zusammenlegen, ab in den Rucksack mit dem Teil und weiter geht‘s. Jetzt kommt sie Sonnen raus. Sie begleitet mich durch den ganzen Tag.

An den Regen erinnern nach Kurzem nur noch die Pfützen auf den Straßen. Ich muss nicht nur auf die Autos aufpassen, sondern auch so gehen, dass sie mich nicht mit dem Schmutzwasser auf der Straße nass spritzen. Nicht lange und ich bin wieder auf der SS7 – der Via Appia – eine Schnellstraße. Mehrere Kilometer muss ich mich auf der Straße durchschlagen. Das ist bei dem dichten Verkehr und den hohen Geschwindigkeiten äußerst unangenehm. Positiv ist lediglich, dass auf der SS7 die Pfützen sehr schnell trocken gefahren sind und ich nicht mehr die Gischt der vorbeifahrenden Autos abbekomme.

Noch vor der ersten Stadt, durch die ich wandere, komme ich auf die Ur-Via Appia, die mit einigem Abstand zur Schnellstraße erst über einen „Pass“ und anschließend durch Felder und Obstplantagen führt. Von jetzt an wird es ein schöner Wandertag.

Ich treffe weiter Pilger, die auf der Via Francigena unterwegs sind. Länger unterhalte ich mich mit Martin aus England, der in Rom mit einem viel zu schweren Rucksack gestartet ist. Er meint er sei 18 kg schwer. Na viel Spaß damit.

Nach gut 33 km bin ich am Bahnhof von Monte San Biagio. Dort kaufe ich mir ein Zugticket nach Rom, wo ich mit Wolfgang verabredet bin. Da er nicht wirklich wandern kann, ist er natürlich auch ungeduldig.

Morgen früh schauen wir uns almerstes den Petersdom an und um 10:30 die Sixtinische Kapelle. Auf dem Weg zum Abendessen kommen wir noch am Trevi Brunnen , wo selbst am Abend die Menschen anstehen, vorbei.

Tag 20 # 02.11.25: Sessa Aurunca – Formia

Il Mare

Der Tag ist schnell erzählt: Aus Sessa Aurunca in die Ebene ans Meer gehen und danach ständig auf viel befahrenen Straßen am Meer mal ganz nah mal etwas weiter entfernt von einem Straßendorf ins nächste Nest laufen. Und das 35 Kilometer. Langweilig. Ich höre Musik und einen Podcast, um mir die Langeweile zu vertreiben. Nach gut 35 Kilometer treffe ich Wolfgang in einem kleinen Hotel direkt am Meer.


Es gab auch landschaftlich attraktive Abschnitte (selten, aber dennoch gab es sie)


Die Bourbonen wußten wie man städtebaulich attraktiv sein Umfeld gestaltet; diese Fähigkeit scheint verloren gegangen zu sein


Auch die römischen Kaiser – hier Vespasian – konnten attraktive Bauwerke gestalten. Eine Brücke, ein Aqua Duct, das bereits seit 2.000 Jahren stabil steht.


Der Küstenstreifen von Formia bis Gaetano: die Sonne erzeugt durch den Wolkenschleier ein finsteres Ambiente

Wir beschließen, Morgen nach Rom, mit der Bahn zu fahren. Er von hier in Formia ich nach weiteren 32 Kilometern von einem kleinen Ort im Lazio. Wir buchen ein Hotel in Rom in der Nähe des Bahnhofs und Tickets für Übermorgen zur Besichtigung der Sixtinischen Kapelle. Darauf freue ich mich, da ich noch nie in der Sixtinischen Kapelle war.

Nach einem guten Abendessen mit zu viel Weißwein geht es nun ins Bett.

Tag 19 – 01.11.25: Pignatore Maggiore – Sessa Aurunca

Der perfekte Tag

Ich pilgere knapp 34 Kilometer und ca. 350 Höhenmeter. Es scheint von der ersten bis zur letzten Minute die Sonne. Es ist zum ersten Mal wirklich warm. Das alleine lässt mein Herz aufgehen.

Ich lasse, kurz nach dem ich aus dem Hotel weg bin, die autoreichen Straßen hinter mir. Das ist das nächste Highlight: keine stark befahrenen Straßen sondern Feld- und Forstwege, kleinste Sträßchen von Dorf zu Dorf, keine Gefahren durch Autos.



Lebende Ortschaften, bei denen ich nicht den Eindruck gewinne, es leben nur noch einige wenige Senioren sondern Familien jeglichen Alters in ihnen. Auffällig oft treffe ich heute auf Flüchtlinge, die – so meine Vermutung – als Erntehelfer arbeiten. Mit einem habe ich gesprochen, der als Minderjähriger nach Köln kam, dort zur Schule gegangen ist, danach Deutschland verlassen musste und jetzt bei einem Bauern seinen Lebensunterhalt verdient.

Felder mit Nüssen, Oliven, hier zum ersten Mal mit großflächigem alten Baumbestand, Pflaumen, aber auch gepflügte Felder, Gewächshäuser, Kohl (schmeckt wie Grünkohl, sieht etwas anders aus) und natürlich Wein. Zur Zierde komme ich an riesigen Pinien vorbei. Kastanien wachsen überall wild. Es gibt Wege, auf denen ich aufgrund der Unmengen an Kastanien wie auf einem Teppich laufe. Hier und da wachsen Champignons. Ich freue mich aufs Abendessen, da ich hoffe, Produkte, die hier angebaut werden, später auf meinem Teller zu finden.

In Bars und einem Alimentari, wo ich mir immer mal wieder etwas zu trinken kaufe, werde ich ausnahmslos jedesmal angesprochen: wo komme ich her, was mache ich hier, wie gefällt mir Italien. Mal in rudimentärem Italienisch, mal in Englisch, weil jemand ein rudimentäres Englisch spricht, selten auf Deutsch, antworte ich auf die Fragen und immer wird es nett, weil die Leute toll finden, dass ein Deutscher durch ihr Land wandert und es dabei bewundert. Einmal hält auf einer sehr schmalen Straße, die für Gegenverkehr nicht gedacht ist an: eIn Italiener mit seiner Frau an, die lange in der Schweiz gelebt haben, und jetzt wieder in ihrer alten Heimat wohnen. Er macht das Fenster runter und fragt ohne Umschweife, ob ich Deutsch spreche. Ein entgegenkommendes Auto muss warten, bis er mir erzählt hat, warum er Deutsch spricht und sich immer erfreut, wenn er auf Deutsch sprechende Leute trifft. Geduldig wartet der andere Fahrer. Als ich weiter wandern darf, spricht der Schweiz-Italiener erstmal mit dem andern Fahrer. Diese Unaufgeregtheit und die Freude zu kommunizieren, bewegt mich ein wenig.

Bevor ich mich mit meinem Vermieter treffe, schaue ich mir den Duomo des 20.000 Seelen Ortes an. Von außen recht unspektakulär. Ein Baustil, den ich schon oft in Italien gesehen habe. Innen ist er überwältigend schön. Nicht überladen dennoch ein mit sehr viel Kunstobjekten bzw. künstlerischer Gestaltung ausstaffiertes Gotteshaus.

Zum Abendessen wähle ich das am nächsten gelegene Restaurant aus. Die in Google Maps einsehbare Speisekarte zeigt Gerichte, die mir munden könnten. Zunächst laufe ich vorbei, weil es sich außen als Alimentari ausgibt. Dennoch gehe ich rein. Ich kann ja mal fragen. Weiter hinten in den Räumlichkeiten gibt es einige gemütlich aussehende Tische. Ich frage, ob ich etwas zu essen bekomme. Das wird bejaht und ich darf mir einen Platz aussuchen. Sofort werde ich interviewt – natürlich in Italienisch. Danach kann ich zwischen zwei Rotweinen aussuchen. Ich nehme den, der mir nach meinem Empfinden empfohlen wird. Als meine Wahl gustiert wird und ich mit dem Wirt, der auch ein Gläschen trinkt, angestoßen habe, darf ich das Essen wählen. Eine Karte gibt es nicht. So bekomme ich Vorspeisen und Pasta aufgezählt. Ich entscheide mich mich für eine mit Käse, Mortadella, Ei und Zwiebeln überbackene Kartoffel. Darauf ist der Wirt besonders stolz und ich bekomme einen Vortrag, dass er nur serviert, was in der direkten Umgebung angebaut wird. Wieder darf ich wählen, diesmal welches Olivenöl, beide aus Oliven von den hiesigen Hängen, ich über den Kartoffeln haben möchte. Ich scheine, das richtige gewählt zu haben, denn er lobt die Wahl und erzählt mir etwas zum Olivenöl, das ich nun wirklich nicht verstehe. Danach bekomme ich eine Pasta aus frischen und selbstverständlich selbst gemachten Nudeln mit Porcini und Trüffel. Die Trüffel wachsen angeblich auch auf den Hängen unter den Nußbäumen, wie mir versichert wird. Die Porcini sind selbstverständlich heute von einem Freund vom Wirt gesammelt worden. Alles schmeckt super. Meine Erwartungshaltung vom Mittag wird übertroffen. Ich kann mich daran ergötzen, dass es mir schmeckt, aber auch, dass der Wirt sich freut, einem Fremden, sein Land und sein Esskulturnäher zu bringen. Immer wieder setzt er sich zu mir, um sicherzustellen, dass es mir gut geht. Ein großartiger Abschluss eines fantastischen Tages.

Tag 18 – 31.10.25: Caserta – Pignataro Maggiore

Hier steht viel alter Plunder rum

Besichtigungen stehen heute an. Zunächst steht die Reggia di Caserta auf dem Programm. Das ist der Königspalast von Caserta gebaut von den Bourbonen im 18. Jahrhundert. Danach geht es in die Antike. In Santa Maria Capua Vetere steht zum einen mitten in der Straße ein Triumphbogen zu Ehren von Hadrian und das zweitgrößte Amphitheater nach dem Kolosseum in Rom.

Reich wurde der Ort, da die Via Appia durch sie hindurch führte. Das gilt auch für den nächsten Ort Capua. Capua wurde nach mehreren Zerstörungen auf dem antiken Ort durch die Normannen im 11. Jahrhundert wieder aufgebaut. Der Stauferkaiser Friedrich II hat Capua die Stadtrechte erteilt. Unter seinem Namen wurde die noch heute vom Autoverkehr benutzte Brücke über den Volturno gebaut.

Was gibt es noch zu erzählen: von Caserta bis raus aus Capua geht man sinnvollerweise die Via Appia entlang, die eine hochfrequentierte Straße vermutlich war und ist. Gewandelt haben sich nur die Transportmittel und die Geschwindigkeit. Wandern macht auf dieser Straße keinen Spaß. Das war vermutlich bereits in der Antike so. Hinter Capua biege ich, auch wenn es einen Umweg bedeutet, ab auf Feldwege durch Apfelbaum-, Oliven- und Walnussbaum Plantagen.

Nach knapp 25 Kilometern erreichen wir unser Quartier! Ein Hotel an einer viel befahrenen Straße. Die Zimmer sind nach hinten gelegen, so dass man die Straße nicht hört, auch wenn die Zimmer sehr hellhörig sind. Obwohl ich die 104 habe, höre ich, dass in der 102 (die 103 liegt noch als Puffer zwischen den beiden Zimmern) die Post abgeht. Ich habe trotz der Distanz das Gefühl, dass ein Paar direkt neben mir quasi in meinem Bett über eine Stunde lang sehr intensiven Sex hat. Sie stöhnt, kichert und feuert ihren Partner ständig lautstark an.

Nach dieser Aufführung brechen wir auf, um in das einzige Restaurant, das fußläufig erreichbar ist, zu gehen. Leider hat es wegen eines Trauerfalls heute Abend geschlossen. Direkt gegenüber ist eine Handwerksbetrieb mit Straßenverkauf, der Mozarella herstellt. Dort bekommen wir Käse, etwas Schinken und Brot. Eine Flasche Weißwein verkauft man uns auch. Wir dürfen an einem Stehtisch essen. Als die Polizei nach etwa einer knappen halben Stunde kommt, muß, trotz des Care-Pakets, das man ihm in die Hand drückt, geschlossen werden. So verduften wir mit einer halben Flasche Wein in den Händen, die wir im Hotel austrinken.

Tag 17 – 30.10.25~ Arpaia – Caserta

Stinkende Autos: was haben Fußgänger auf der Straße verloren!

In der Ebene, die im weitesten Sinne zum Golf von Neapel gehört, ist es gefühlt topfeben. Tatsächlich geht es immer mal wieder ganz leicht hoch und wieder runter, so dass wir am Ende dann doch auf schlappe 100 Höhenmeter kommen. Trotzdem stellt die Distanz von 25 Kilometer eine Herausforderung dar. Zusammen laufen wir deutlich langsamer und weniger energetisch als alleine.

Wir kommen durch eine Reihe von Ortschaften, die meist nett im Kern aussehen. Alle wirken vom Aussterben bedroht. Viele Häuser stehen leer und sind am zerfallen. Andere werden zum Verkauf angeboten. Zwischen den beiden größeren Städten von Benevento und Caserta scheint kein Platz für dörfliches Leben zu sein. Scheinbar hat auch die Industrie um Neapel nicht hinreichend Strahlkraft, obwohl Neapel je nach nur zwischen 30 und 50 Kilometer entfernt ist, dass dir Orte als Schlaf-Städte dienen könnten.

Auffällig ist der intensive Autoverkehr. Nicht nur auf den großen Straßen, selbst in den Dörfern in den absoluten Nebenstraßen ist die Verkehrslast ausgesprochen hoch. Das ist nicht nur damit erklärbar, dass Italiener keinen Meter zu Fuß gehen. Ich verstehe den Verkehr nicht. In den Innenstädten stinkt es entsprechend nach Abgasen, was auch damit zusammenhängt, dass der Autobestand recht alt ist. Es werden noch viele Zweitaktmotoren gefahren. Die riechen nicht nur intensiv, sondern knattern auch noch lautstark.

In Santa Maria a Vico, so nach zehn Kilometern, machen wir eine längere Pause: einer schläft, der andere trinkt Kaffee. Das Zentrum des Örtchens ist ganz ansehnlich. Drum herum vor allem Richtung Westen laufen wir auf wenig schönen oft schmalen Straßen. Wir müssen höllisch aufpassen, nicht angefahren zu werden.

In Maddaloni buchen wir direkt am Schloss von Caserta ein Hotel. Bis dahin sind es noch etwa zehn Kilometer. Das geht in der Ebene in null Komma nichts. Attraktiv ist es erst, als es über eine Achse vom Schloss exakt nach Süden auf Caserta zugeht.

Am Abend suchen wir in Caserta ein Restaurant. Die Altstadt ist sehr belebt. Es sind viele Leute auf der Straße und flanieren an den attraktiven Geschäften vorbei. Die Restaurants sind ehr in den etwas dunkleren Seitenstraßen. Wir wählen ein Restaurant mit gemischten Speisen, in dem im Hinterzimmer eine Party stattfindet. Wie wir später erfahren wird dort ein Teenie Geburtstag gefeiert.

Die Chefin ist um Wolfgang und mich sehr bemüht. Wir bekommen einen leckeren Weißwein von Ischia empfohlen. Zusammen essen wir eine gemischte Vorspeise und anschließend gibt es noch eine Pasta., die so nicht auf der Speisekarte steht, die uns als Spezialität der Region verkauft wird. Pasta Genovese: Geschmorte Rindfleischstücke mit süßen Zwiebeln. Zufrieden mit dem Essen und Abend schlendern wir zurück ins Hotel.

Tag 16 # 29.10.25: Benevento – Arpaia

Zu Zweit auf der Via Appia nach Rom

In Benevento habe ich einen Ruhetag eingelegt. Ich habe die Stadt besichtigt – ansonsten den Tag weitgehend relaxt auf dem Sofa verbracht. Spät am Abend ist Wolfgang angereist. Zusammen gehen wir nun nach Rom.


Rundkirche (Weltkulturerbe) und Oblisk (vermutlich Ägyptisch)

Innenansicht Kathedrale von Benevento

Heute Morgen schauen wir uns schnell gemeinsam die Sehenswürdigkeiten von Benevento an. Dann geht es los. Stramm marschieren wir durch die Ebene, die zwei Flüsse erzeugt haben Richtung Westen. Die erste größere Stadt ist Montesarchio. Um dort hin zu gelangen müssen wir über einen Berg von gut 600 Meter Höhe. Da Benevento auf etwas mehr als 100 Meter liegt, ergibt sich ein steiler Anstieg um ca. 500 Meter. Runter nach Montesarchio ist es gefühlt noch steiler. Das geht so arg in die Beine, dass wir erstmal ein Päuschen einlegen und planen wie es weiter geht. Entweder wir bleiben in Montesarchio, dann kämen wir auf knapp 20 Kilometer oder wie gehen einen Ort weiter nach Arpaia, dann werden es gut 25 Kilometer. Ich bin noch fit für Arpaia, Wolfgang auch. Aus Montesarchio führt eine dicht befahrene Straße hinaus nach Arpaia, den Umweg über die Felder sparen wir uns, und tippeln die unsägliche Straße entlang und erreichen schließlich um halb fünf froh und erschöpft das B&B, das wir in den Bergen gebucht hatten. Fensterlose Zimmer. Wolfgang echauffiert sich so, dass er ein Zimmer mit Fenster und Jacuzzi bekommt. Die Gestaltung ist sehr speziell.

Wir sind uns sicher, wenn man sich die Einrichtung der Zimmer und die restliche Innengestaltung anschaut, dass das B&B mal für andere Zwecke eingerichtet wurde, das Geschäftsmodell aber nicht getragen hat.

Zum Abendessen gehen wir in eine Bäckerei, die auch Pizza am Abend anbietet. Die Wirtsleute sind super. Die Chefin, eine typisch italienische Nonna, ist nicht nur sehr hilfsbereit, sie möchte möglichst viel über uns erfahren. Eine direkt Kommunikation mit ihr ist aber nicht möglich. Sie spricht in einer Art und Weise Italienisch bei der ich nicht mal erkennen kann, dass es sich um Italienisch handelt. Eine Enkel – meine Vermutung – wird hinzugezogen, der ein passables Englisch spricht. Er muss für sie dolmetschen. Kopfschüttelnd wird für uns eine Pizza zubereitet: ein ganzes Blech Pizza. Soviel Pizza können wir nicht verdrücken, trotz des Bieres, das wir dazu trinken. Wein hätten wir nur warm aus dem Tetrapack bekommen können.

Auf dem Weg zurück zum B&B bestätigen wir uns gegenseitig, dass wir nicht überrascht sein dürften, wenn Damen auf dem Zimmer warteten. Da das nicht der Fall ist, trinken wir noch eine Falsche Grecco di Tufo, die ich vorhin im gegenüberliegenden Supermarkt gekauft und im Zimmer kalt gestellt hatte.

Tag 15 – 27.10.25: Fontanarosa – Benevento

Warum geht es im Leben? Um uns – uns Menschen!

Obwohl es heute Nacht heftig geregnet hat, werde ich von Sonnenstrahlen, die freundlich in mein Zimmer scheinen, geweckt. Es wird zwar nicht warm aber die Sonne begleitet mich durch den Tag.

Ich bin überrascht, dass noch immer nicht alle Trauben gelesen sind. Immerhin bin ich noch immer südlich von Neapel. Aber tatsächlich werden hier und da Trauben gelesen und in hinreichend vielen Weinbergen reifen noch immer die roten Trauben.

Ich kann nicht widerstehen und mopse mir hier und da mal eine Traube. Die schwarzen Oliven lachen mich ebenfalls an, weshalb ich eine reife Olive pflücke, wissend, dass sie eigentlich unbearbeitet nicht genießbar sind. Die Olive zerfällt praktisch in meinem Mund und schmeckt wie öliger Pfeffer mit einer starken Bitternote.

Leider komme ich heute nur an einer Bar vorbei. Mein Café Konsum ist damit ausgesprochen gering im Vergleich zu den letzten Tagen. Ich glaube, ich kenne nun fast alle Bars zwischen Cosenza und Benevento. Je weiter ich nach Norden komme, um so besser (cremiger und schokoladiger) wird der Espresso. Ich möchte behaupten in Kalabrien ist durchschnittlich der Espresso weniger gut als bei uns Zuhause. Hier in Kampanien ist er auf einem Niveau, der schwer zu toppen ist.

Nach der Hälfte meines heutigen Weges erreiche ich die historische Via Appia. Die Begegnung fällt nicht positiv für unsere Epoche aus. Mitten im Nichts stehen – so denke ich zunächst zwei Torbögen – in der Gegend unmotiviert herum. Ich frage mich, warum hat gerade hier ein Römer Torbögen anlegen lassen. Als ich vor einem Fluss stehe, wird mir klar, die beiden Torbögen werden wohl Überreste eines Aquaducts sein. Die Römer haben den Fluss trockenen Fußes überquert. Ich muss Schuhe und Strümpfe ausziehen und durch den Fluß sehr vorsichtig waten, da die Steine sau-glitschig sind. Hinfallen möchte ich selbstverständlich nicht, da ich dann von oben bis unten nass bin, einschließlich meines Equipments.

Das macht mir mal wieder klar, was für eine Hochkultur die Römer waren und wie lange sie die Welt dominiert haben. Wenn der Zerfall des Westens und allen vorweg der Amerikaner so weiter geht, waren die Römer weitaus länger DIE führende Kraft in der Welt. Den Amerikanern bzw. dem Westen war im besten Fall vergönnt, die Welt über drei bis vier Generationen zu beherrschen. Ich bin gespannt, ob wir noch erleben werden, wer die neue Weltmacht sein wird und welche kulturellen Veränderungen sie mitbringen wird. Oder erleben wir lediglich noch  den diffusen Übergang bis sich die neuen Machtverhältnisse etabliert haben. Die Veränderungen sind so rasend, dass es es gut möglich ist, dass wir bewußt den Machtübergang erleben werden.

Wenn es bei nassen Füßen bleibt, ist alles ok. Nach ziemlich genau 30 Kilometer erreiche ich Benevento, wo die punischen Kriege stattgefunden haben und die Stadt daher mehrfach zerstört wurde. Nach dem Niedergang des Römischen Reiches fiel die Stadt in die Hände der Normannen auch wenn diese kurzzeitig sich den Mauren geschlagen gegeben mussten, so ist das Stadtbild geprägt von Kulturdenkmälern unterschiedlichster Epochen: Ägypter (möglicherweise Catharer), Römer und der christlichen Normannen. Letzter haben es zumindest geschafft eine Kirche zu einem Denkmal mit Status Weltkulturerbe zu machen.

Obwohl ich vor hatte, nur etwas einfaches zu essen, bin ich in das nächst beste Restaurant in unmittelbarer Nähe meines Hotels gegangen. Es gab um acht noch keinen anderen Gast. Als ich um halb zehn gehe, gibt es noch immer keinen anderen Gast., was ich gar nicht verstehen kann. Ich habe eine tollen Weißwein aus der Gegend von Avellino, einen Fiano, getrunken. Ich hatte zur Vorspeise eine Pulpo gebraten auf Kartoffelbrei, danach Kabeljau auf Ruccola und dazu einen gemischten Salat. Vor allem der Salat war köstlich mit einem regionalen Frischziegenkäse. Über diesen habe ich mich mit dem Wirt unterhalten, was dazu geführt hat, das er mir verschiedene regionale Käse präsentiert: einer köstlicher als der andere. Was lernen wir daraus? Der Untergang einer Kultur bedeutet nicht, dass trotzdem fantastische Produkte für das leibliche Wohl überleben und immer weiter verbessert werden – und dass die Menschen tolle Menschen bleiben, was immer für Regime herrschen.

Nachschlag: nachdem ich bezahlt habe, lädt mich der Wirt zu einem lokalen Likör ein. Danach „muss“ ich verschiedene regionale Produkte von Käse über Wurst bis hin zu Weinen und noch mehr Likören probieren. Es wird reichlich lustig und wir verstehen uns, trotz der Sprachdifferenzen prächtig. Dann schwanke ich zurück ins Hotel, nicht ohne der Römischen Kultur zu huldigen und den tollen Menschen, die ich auf meinen Reisen treffe.

P.S.: ich werde Morgen den Beitrag Korrekturlesen, heute geht nichts mehr

Tag 14 – 26.10.25: Lioni – Fontanarosa

Pizza hat mich noch nie so „angemacht“

Der heutige Tag ist schnell erzählt: es hat in der Nacht heftig geregnet und dunkle Wolken hängen um halb neun, als ich aufbreche, an den Bergen fest. Mit 16 Grad ist es bereits sehr warm. Es weht Wind, der noch immer Tropfen mit sich führt. Ich laufe trotzdem nur mit einem T-Shirt bekleidet los.

Die Landschaft ist hügelig bis leicht bergig. So wie bei uns in den Mittelgebirgen. Wiesenwege meide ich nach Kurzem, da sie nass und matschig sind. Der Regen der letzten beiden Wochen hat für ein frisches Grün gesorgt, trotz des Herbstes und seiner präsenten rot und gelb Töne.

Gäbe es nicht die vielen Olivenbäume, könnte man vom Landschaftsbild glauben, man wäre tatsächlich bei uns in den Mittelgebirgen. Es gibt neben den Olivenbäumen noch zwei weitere Unterscheidigungskriterien:

1. auch der schmalste und manches Mal vermutlich von Autos nie genutzte Weg ist asphaltiert. Ausnahmen gibt es sehr selten und enden meist auf einem Acker.

2. Ortschaften wurden nie im Tal an Bächen und Flüssen errichtet, ausnahmslos befinden sie sich um irgendeinen Gipfel eines Berges. Ich frage mich, wie die Menschen in diesen Städtchen früher, als es noch keine Pumpen gab, an Frischwasser gekommen sind. Straßen werden auch nie um einen Berg herum gebaut, sondern führen immer in den Ort und von dort wieder weg. Daher muss ich auch permanent auf und ab laufen. Rauf in einen Ort runter an an das Flüsschen und wieder rauf in den nächsten Ort.

Die heutige Herausforderung ist der Wind, der böig bis Sturmstärke erreicht. Mal kommt er direkt von vorne mal von der Seite. Dieser Starkwind, kommt er von vorne, ist wie bergauf laufen. Ich muss gegen ihn ankämpfen. Kommt er von der Seite, muss ich aufpassen, dass er mich nicht umhaut. Oft habe ich das Gefühl, ich laufe zick zack. Kommt ein Fahrzeug, muss ich aufpassen, nicht in die Mitte der Fahrbahn gedrückt zu werden.

Nach knapp 600 Höhenmeter und knapp 30 Kilometer bin ich an meinem Ziel angekommen. In dem Gebilde aus B&B und Restaurant – es ist Sonntag, weshalb noch Mittagsgäste aus Neapel um kurz vor vier speisen – werde ich von einem Deutsch sprechenden Kellner mit der Frage angesprochen, ob ich Deutsch spreche.

Er ist in Oberfranken aufgewachsen, wo noch immer seine Eltern und Geschwister leben. Er ist, bevor seine Kinder in die Schule gekommen sind, zurück in seinen Heimatort gezogen. Der gute Mann hat Rede Bedarf. Also höre ich ihm bestimmt eine halbe Stunde zu und kenne nun seine komplette Lebensgeschichte einschließlich, dass er sich, obwohl er in Deutschland immer der Italiener ist, eher als Deutscher als ein Italiener fühlt.

Der Betrieb beeindruckt mich, nicht wegen des „Deutschen“ Kellners, sondern wegen des Restaurants. Ich bin, wie so häufig, der erste im Restaurant und bestelle eine Pasta mit frischen Steinpilzen und einem Hähnchen. Alles ist sehr lecker. Ab halb neun ist das Restaurant voll. Alle essen Pizza oder entsprechende Varianten. Den Pizzabäckern, es sind zwei Mitarbeiter, kann ich beim Pizza backen zu schauen. Das ist eine beeindruckende Fließbandarbeit. Bis etwa viertel nach neuen machen die beiden pausenlos eine Pizza nach der anderen in verschiedenen Größen und Abarten, die entweder im Restaurant gegessen oder abgeholt werden.

Bei den beiden sitzt jeder Handgriff. Es ist ein bis ins letzte eingeübter Prozess. Der erste formt die Pizza auf einem etwa 2 Meter langen Tisch in einem Berg von Semola. Teigling rausholen, einstäuben, platt drücken, Formen durch ziehen und drehen in einer Bewegung über die Tischlänge von einer zu anderen Seite (Richtung Pizzaofen). Dann belegt er die Pizza mit allem was mit in den den Ofen soll. Der zweite nimmt die fertige Pizza und schiebt sie in den Ofen. Es befinden sich je nach Größe bis zu vier Pizzen gleichzeitig im Ofen. Er holt sie raus und belegt sie mit den Sachen, die nicht in den Ofen dürfen. Nebenher schnipselt er Tomaten, bereitet Ruccola und Ähnliches mehr vor. Dann kommt die Pizza entweder auf einen Teller oder wird zur Abholung verpackt. Hier sitzt jeder Handgriff.

Der Wahlspruch des Restaurants ist entsprechend: „… il segreto di una buona pizza? …è segreto“.

Wenn ich die Pizzen sehe, habe ich heute Abend eine Fehlentscheidung getroffen. Ich hätte Pizza essen müssen. Denn nicht nur der Prozess beeindruckt mich auch das Aussehen der riesigen Teile. Da läuft mir, obwohl ich satt bin, das Wasser im Mund zusammen —> entsprechend bestelle ich noch eine „Mini-Pizza“.

Tag 13 – 25.10.25: Colliano – Lioni

Oliven

Ich hoffe, ich bekomme heute Abend zum Abendessen ein regionales und hervorragendes Olivenöl: die meiste Zeit höre ich von irgendwo die Rüttelgeräte zum Abschütteln der Oliven. Höre ich nichts, so liegen bereits großflächig die Netze aus, um die Oliven aufzufangen.

Die Olivenbäume hängen brechend voll mit Oliven. Mich wundert, wie unterschiedlich die Früchte reifen. An manchen Bäumen sind alle Früchte grün, an anderen sind alle bereits schwarz und die meisten Bäume haben unterschiedlich gereifte Oliven. Sie eint, dass sie sehr klein sind, viel kleiner als die Jumbo-Oliven aus Apulien, das nicht weit weg ist. Trotz der regionalen Nähe könnten sie nicht unterschiedlicher sein. Mich würde sehr interessieren, welche sich besser für das Pressen von Olivenöl eignen und was die Geschmacksunterschiede sind.

Meine Wirtsleute kommen heute Morgen nicht in die Puschen. Ich muss bis kurz nach halb neun warten, bis die Dame des Hauses sich zeigt. Auf Frühstück habe ich im Hotel keine Lust, da noch nichts vorbereitet ist und ich fürchte nur ein verpacktes Brioche zu bekommen. Ich zahle meine Rechnung und los geht es: natürlich nur bis zur nächsten Bar, wo ich ein leckeres frisches Cornetto esse.

Ich schieße noch schnell von hier oben ein Foto Richtung Süden, von wo ich gestern gekommen bin. Es ist eine schöne Weite, die sich mir bietet, eingerahmt nach Osten und Westen von Bergen, aus dem Tal ragt der eine oder andere Hügel frech nach oben. In den Bergen Richtung Westen sammeln sich die ersten Wolken. Ich checke das Wetter: 0% Regenwahrscheinlichkeit bis 17:00 Uhr.

Kurze Zeit später öffnet sich die Vegetation und gibt mir den Blick frei nach Norden, was meine heutige Hauptrichtung ist. Da der Wind heftig aus Süden bläst, drücken die Wolken sich an die Berghänge und werden immer schwerer, dunkler und bedrohlicher. Ich brauche keine mathematischen Modelle, um die Wahrscheinlichkeit auf Regen zu ermitteln. Sie liegt bei 100%. Bis zum frühen Nachmittag bläst der Wind mir eine feuchte bis regnerische Luft in den Rücken. Es ist nicht wirklich Regen, trocken ist allerdings auch nicht.

Als ich im Tal auf ca. 250 Höhenmeter ankomme, wird es stürmisch und ich kann sehen, dass nicht weit weg von mir es bereits regnet. Vor mir liegt eine Tankstelle. Zu der flüchte ich mich, denn ich möchte im Trockenen mein Hemd gegen die Regenjacke tauschen. Fast im Laufschritt erreiche die Tankstelle, die zum Glück auch eine Bar hat. Ich bestelle einen Espresso. Der Café steht noch nicht vor mir, da bricht draußen die Hölle los. Ich habe den Café gerade fertig getrunken und bin dabei mich umzuziehen, da ist der Spuk auch schon vorbei. Gut, das Hemd kommt trotzdem in den Rucksack und die Regenjacke bleibt einfach drin.

Jetzt muss ich wieder den Berg rauf auf etwa 850 Meter. Ich schwitze und friere dabei gleichzeitig. Der Anstieg treibt den Schweiß, der feuchte Wind lässt mich frieren. Die Wanderung genieße ich trotzdem. Mein Blick kann in die Ferne schweifen, den Anblick der kultivierten Natur genießen und die Menschen bei ihrer anstrengenden Arbeit beobachten.


Einen deutlich geringeren „Genuss“ erzeugen eine Reihe von Hunden, mit denen ich mich abgeben muss. Ich bin gewohnt, dass ich mich an jedem Haus Hunde anbellen lassen muss, viele Hunde können auch die Grundstücke frei verlassen. Meistens bellen sie aus Angst und sind durch ein selbstbewusstes Auftreten in die Flucht schlagbar. Heute ärgern mich aber einige frei laufende Hunde, weil sie mich äußerst aggressiv angehen und ich nur mit einer ähnlichen Aggressivität sie von mir fern halten kann. Weit oben am Berg stellt mich eine Art Husky-Verschnitt mit einem beeindruckenden Gebiss. Er will mich nicht passieren lassen. Ich hebe einen hinreichend großen Stein auf und drohe ihm lautstark an, ihm damit einen über den Schädel zu ziehen. Als ich mit äußerster Aggressivität und den Stein erhoben auf ihn zugehe, kommt endlich eine Frau aus dem Haus, um den Hund zurückzurufen. Ich glaube, sie hatte tatsächlich Angst, ich prügele auf den Hund ein. Als sie ihn holt, schnauzte ich sie an, wie man einen so aggressiven Hund frei rumlaufen lassen kann. Ich bin sicher sie versteht mich nicht. Aber es wirkt in so weit, dass sie mehrere scusi hinter mir her ruft; scheiß Köter.

Der Weg durch die Berge ist eine kleine Straße, die exakt am Lineal gezogen nach oben und Norden läuft. Der einzige Verkehr sind Traktoren und kleine Transporter beladen mit Oliven. Oben, wieder auf mehr als 800 Meter Höhe, kann ich in die Weite Kampaniens blicken. Um etwa 14:00 Uhr kommt die Sonne raus, der Wind zieht über mir hinweg und es wird angenehm warm.

Ein toller Wandertag mit beeindruckenden Landschaften. Ein Tag, der mich herausgefordert hat, und mit viel Befriedigung gegeben hat. So darf es weiter gehen.

Tag 12 – 24.10.25: Auletta – Colliano

Ernte

Niemand scheint zuhause zu sein, als ich das B&B verlasse. Den Schlüssel lege ich zurück in das Schlüsselkästchen, nachdem ich mich aus dieser Zwergentür gezwängt habe. Über enge und immer wieder sich verzweigende kleinste Gassen erreiche ich endlich die Hauptstraße. Erst weit am Ende des Ortes gibt es eine Bar.

Vor der Tür hängen einige ältere Männer in Arbeitskleidung ab und trinken schon mal das erste Bier. Einer von ihnen ist neugierig, kommt rein und stellt sich neben mich an die Bar. Er will wissen, was ich in meinem Aufzug so mache. Dass ich lustvoll durch die Berge wandere, versteht er nicht. Nach einigen wenigen Fragen und meinen kurzen Antworten – für richtigen Smalltalk reicht mein Wortschatz nicht – geht er raus, gesellt sich wieder zu seinen Kumpanen und die Männer lachen. Ich nehme an, er hat ihnen erzählt, was er aus mir heraus gebracht hat, und nun lästern sie jetzt erstmal ordentlich ab.

Als ich aufbreche, wünschen mir die Männer lachend eine gute Reise. Auch heute war ich der Annahme, Auletta läge oben. Ich muss dann doch noch sicher gut 150 Meter den Berg rauf. Auf allen Feldern, wo noch etwas wächst, wird geerntet. Ich vermute, da heute kein Regen angesagt ist, werden alle Hände eingesetzt, um vornehmlich die Oliven zu ernten. Es gibt hier und da noch einige schwarze Trauben, die ebenfalls gelesen werden. In einem Vorgarten werden Tomaten von einer älteren Frau mit Stock geerntet, die sich kaum noch bücken kann. Als ich meine Schritte verlangsame, um ihr kurz zuzuschauen, bietet sie mir eine Tomate an, die ich gerne akzeptiere und mit Genuss esse.

Aus Auletta muss ich, wie bereits berichtet, den Berg hoch. Kaum auf der Höhe angekommen, geht es wieder runter in ein Tal, wo ich einen Fluß zu überqueren habe. Mein Weg orientiert sich an der Brücke über den Fluss und nicht an der Topografie des Geländes. Auf der anderen Seite sehe ich, Buccino hoch oben auf einem Bergkamm liegen. Über diesen Bergkamm, der aus dem Tal gut 400 Meter in die Höhe ragt, muss ich rüber. Ich könnte diesen zwar umgehen, das würde aber über 40 Kilometer Umweg bedeuten. Entsprechend hatte ich gestern beim Planen der kommenden Tage beschlossen, ich gehe mehr oder weniger direkt nach Norden. Das bedeutet zwar für heute und Morgen jeweils etwas mehr als 1.000 Höhenmeter und an beiden Tagen je etwas mehr als 30 Kilometer, danach geht es dann aber eben bis nach Benevento, wo ich möglicherweise durch die Abkürzung einen Ruhetag bekommen werde.

Zurück zu heute. Völlig verschwitzt komme ich oben in Buccino an. In der ersten Bar trinke ich erstmal einen halben Liter Saft und danach noch einen Café. Von hier steige ich wieder ab in ein weites vor mir liegendes Tal zwischen zwei Erhebungen hindurch. Hier sind keine Industriebetriebe zu erkennen. In dem Tal wird Ackerbau betrieben. Das erfreut meine Augen.

Mitten im nichts liegt an einer kaum befahrenen Landstraße auf einem kleinen Hügel eine Bar. Darin arbeiten zwei sehr junge Leute. Ich denke, die beiden sind noch Teenager. Auch hier trinke ich wieder erstmal einen Saft, esse ein Ministück Pizza und zum Abschluss gibt es noch einen Café. Die zwei sprechen etwas Englisch und wollen wissen, was ich mache. Die beiden sind ungläubig, dass jemand einfach so durch Italien wandert und dann noch hier im Süden. Sie lassen sich mehrfach versichern, dass ich Italien mag und es toll in Italien ist. Sie wollen dann weiter wissen, wo ich gestartet bin und und wo ich hin will. Das müssen die beiden erstmal googeln. Je mehr sich damit beschäftigen, um so mehr Fragen stellen sie und um so erstaunter sind sie. Die junge Frau will noch neugierig wissen, wie alt ich bin. Ich sei ja älter als ihr Großvater und der sitze nur noch zu Hause auf dem Sofa oder vor der Tür auf der Bank. Außerdem sehe der viel älter aus. Ich bedanke mich geschmeichelt über das implizite Kompliment.

Das gibt mir noch einmal Schwung und den brauche ich. Ich kämpfe nicht nur mit den Höhenmetern sondern auch mit dem starken Wind, der mal aus Norden mir direkt ins Gesicht bläst oder von Norden Osten kommend mich ordentlich traktiert. Es ist heute sonnig und und über die Mittagszeit 18 Grad warm. Durch den Wind und möglicherweise durch meine verschwitzten Sachen finde ich es meist eher frisch.

Ich habe, weil es im Ort nichts anderes gab, ein Hotel gebucht. Das ich bei allen Bemühungen nicht finde. Ich frage den weit und breit einzigen Passanten, er hat noch nie von dem Hotel gehört. Ich checke nochmal den Namen, die Adresse und schaue in Google Maps nach: ich muss richtig sein. Da beim besten Willen nichts auf eine Unterkunft im Umkreis von 100 Meter hinweist, mache ich ein Foto, von dem Geschäft, vor dem ich stehe, und schicke dieses per WhatsApp an meine Wirtsleute, mit der Bitte um Hilfe. Keine Reaktion, dann rufe ich an: keine Reaktion. Ich mache mir schon Gedanken, was das wohl bedeutet und bastele bereits an einem Plan B: es gibt noch ein zweites Hotel nach GoogleMaps weiter oben im Ort, das ich über Booking.com nicht buchen konnte. Dann bekomme ich eine WhatsApp Nachricht mit den exakten Standortdaten. Als ich die öffne, sehe ich, dass es genau dieses andere Hotel ist. Ok, das klappt also doch. Leider ist es noch eine halbe Stunde dorthin, da das Hotel viel weiter oben direkt bei der Normannen Burg liegt und ich in weit ausholenden Serpentinen nach oben gehen muss.

Auch wenn ich etwas verschnupft darüber bin, dass die Gastwirte mir nicht gleich die korrekte Adresse gesendet haben, so erfreuter bin ich, dass ich im Hotel, dessen einziger Gast ich bin, zu Abendessen kann. Noch erfreuter bin ich, dass das Zimmer Fußbodenheizung hat und wohltemperiert ist. Welch eine Wonne, in ein rundum warmes Zimmer zu kommen.

Tag 11 – 23.10.25~ Sala Consilina – Auletts

Bauvorschriften sind ein Segen

Ich habe gestern Abend noch lange gelesen, da ich das Buch, das ich in den letzten Tagen gelesen habe, so gefesselt hat und ich es unbedingt vor dem Schlafen durch haben wollte. Entsprechend müde bin ich heute Morgen, als der Wecker um 07:30 Uhr klingelt.

Nach dem ich das Haus verlassen habe, stürme ich die nächst beste Bar. Heute gibt es nicht nur einen Cappuccino sondern auch noch einen Espresso für den Weg. Als ich nun endlich losziehe, fällt mir erst auf, welche eine dicke Nebeldecke im Tal liegt. Ich bin noch nicht ganz aus Sala Consilina raus werde ich von dicken weißen Wolken umhüllt: der Nebel steigt in rasender Geschwindigkeit nach oben.

Da ich selbst den Berg östlich von mir erklimmen muss, zieht der Nebel an mir vorbei. Kurze Zeit später hat die Sonne die Wolken vertrieben und es verspricht, ein sonniger Tag zu werden. Ich wandere durch liebliche Landschaften und treffe zu meiner Überraschung im nächsten Ort wieder auf den Camino del Negro. In dem Bergdorf kaufe ich im örtlichen Supermarkt einige Kleinigkeiten ein als mich eine Verkäuferin auf Deutsch fragt, ob ich aus Deutschland komme. Ich frage zurück, ob meine Aussprache soo Deutsch sei. Sie grinst mich an und meint, man sähe es mir an. Die junge Frau ist in Stuttgart aufgewachsen und als Erwachsene zurück zu den familiären Wurzeln gegangen.

Von hier oben kann man ganz gut erkennen, dass sich auf der Ostseite des Tals Industriebetrieb an Industriebetrieb reiht – so wie ich das schon gestern beobachtet habe. Da ich in diesem Tal nach Norden gehen muss, entscheide ich mich für einen Weg auf der Westseite. Diese Industrie- und Gewerbegebiete empfinde ich als echte Zumutung. Mir geht dabei durch den Kopf, dass ich die Tage gelesen habe, dass ein Manager meinte, man müsse nur die Bauvorschriften lockern, dann würde Bauen billiger und entsprechend mehr gebaut. Darüber denke ich beim Laufen etwas nach und komme zum genteiligen Schluß: Man müsste vor allem auch was das Design von Industriehallen noch viel höhere Anforderungen stellen. Es ist eine Zumutung, was uns mit der Begründung der Wirtschaftlichkeit so alles an Gebäuden vor die Nase gesetzt wird. Investoren und Architekten sollten sich manch einmal schämen.

Ich bin überzeugt, nicht wegen des Designs, dass Bauvorschriften gut und richtig sind. Denn fallen Gebäude, wie beim letzten großen Erdbeben in der Türkei wie Kartenhäuser zusammen und Zehntausende Menschen sterben in den Trümmern, ist das Geschrei groß. Aber man muss nicht in Ferne Länder schauen: bricht das Dach einer Sporthalle unter der Schneelast ein, dann wird nach noch strengeren Regeln gerufen. D. h. Bauvorschriften sind notwendig und die Kontrolle der Einhaltung ebenso. Man sollte mal, wenn man auf die Legislative schaut, überlegen, ob jedes Bundesland eigene Regelwerke braucht oder sie nicht vereinheitlicht werden sollten.

Wenn Investoren über die Vorschriften jammern, wollen diese nichts anderes als entweder mehr Pfusch oder niedrigere Investitionen zu Lasten überproportional hoher späterer Verbrauchskosten; nur die brauchen sie selbst nicht zu tragen sonder der Nutzer/Mieter. Investoren sollten vielmehr darauf drängen, dass Bauunternehmen – ob Konzern oder Handwerksbetrieb – beim ersten Mal alles korrekt erstellen und auf eine hohe Standardisierung Wert legen. In diesen beiden Bereichen liegen enorme Einsparpotenziale. Das müssten dann Investoren und Manager selbst machen. Das ist halt weit aufwendiger als mit den Fingern auf die Politik zu zeigen.

Zurück zu meinem Weg. Ich durchquere also das Tal von Ost nach West, um nicht direkt entlang verwahrlosten und/oder häßlichen Betriebe laufen zu müssen. Dabei laufe ich auf eine Schaf- und Ziegenherde auf. Am Ende läuft eine Ziege mit riesigem Euter, die immer wieder stehen bleibt, um mich lautstark anzumeckern.

Wie das Foto zeigt, ist es auf der Westseite des Tals sehr idyllisch, man darf nur nicht seinen Kopf nach rechts drehen. Mein Weg durch das Tal,ist sicher zehn Kilometer lang. Es endet mit einem Ort, in dem ich noch einen leckeren Café trinke und wieder hoch in die Berge muss. Teilweise führt mein Weg auf einer Serpentinen reichen Passstraße erst hoch und dann wieder runter.

Mittlerweile hängen die Wolken dunkel in den Bergen. Da sie nicht ohne abzuregnen über den Berg kommen, werden sie immer dichter und schwärzer. Regen ist ab 16:00 Uhr angesagt. Ich gebe Gas, damit ich frühzeitig in meinem B&B ankomme. Um drei fallen die ersten Tropfen vom Himmel. Vorsichtshalber ziehe ich meine Regenjacke an. Ich brauche auf jeden Fall bis halb vier, weil ich auch noch hoch in den Ort muss. Das B&B liegt in einem kleinen Bergdorf etwa 120 Meter über der Passstraße auf einem Hügel. Das Haus, zu dem ich muss liegt ganz oben und ist nur über enge Gassen, für die ich jetzt kein Auge habe, zu erreichen.

Kurz bevor das Gewitter losbricht, stehe ich vor dem Eingang. Der Besitzer ist nicht zu Hause. Er hat mir ein Video geschickt, wie ich an den Schlüssel komme und wie ich mich im Haus orientieren kann. Die Eingangstür ist eine Herausforderung. Durch eine kleine Schlupftür, die nicht höher als 1,20 m und nicht breiter als 40 cm ist, quetsche ich mich mit gesenktem Kopf und in die Knie gehend durch das Türchen. Da haben die schon eine toll große Tür und dann kann man aber nur ein Loch öffnen.

In einem Seitenflügel hat der Besitzer eine Wohnung mit einer Küche und Eine Art Wohnbereich eingerichtet von dem drei Zimmer abgehen. Eines davon ist meins. Ich bin heute der einzige Gast, weshalb ich den Küchen-/Wohnbereich für mich habe. Ich stelle erstmal die Heizung an (Lüftung: so kann man an beim Bauen sparen. Diese Form des Heizens verursacht die geringsten Kosten. Sie macht zwar die Luft warm, nicht das Gebäude, was sich nicht komfortabel anfühlt; die verursachten Elektrokosten sind enorm: ich liebe unser „Heizungsgesetz“), sowohl in meinem Zimmer und als auch im Gemeinschaftsbereich. Dort verbringe ich im wesentlichen meinen restlichen Nachmittag und Abend, da es im Zimmer keinen Wifi und kein Handyempfang hat.

Tag 10 – 22.10.25: Tenuta Le Casicine – Sala Consilina

Ein Flussbett wird zum Pilgerweg

Wie nicht anders zu erwarten, ist meine Wäsche nicht getrocknet. Gut, dass ich ein zweites Set dabei habe. Mein Beutel fürs Essen muss heute für die feuchte Wäsche herhalten und das Essen packe ich zum Toilettenpapier.

Meine wortkarge und doch freundliche Wirtin wartet schon mit dem Frühstück auf mich. Typisch italienisch bekomme ich auch hier einen Cappuccino und ein Cornetto gefüllt mit Schokolade, dazu Honig und Aprikosenmarmelade.

Kurz darauf bin ich zurück auf der Straße. Sie ist, das ist mir im Regen gestern nicht aufgefallen, neu gemacht. Trotzdem kommen auf 2,5 Kilometer gerade mal drei Autos an mir vorbei. Die beiden Fahrerinnen/Fahrer der beiden entgegenkommenden Autos telefonieren, natürlich mit Handy in der Hand bzw. am Ohr. Ich habe den Eindruck, dass in Italien nicht bekannt ist, dass es bereits seit 30 Jahren Freisprechanlagen gibt. Zumindest nutzt keiner diese. Auto zu fahren, ohne zu telefonieren geht in Italien nicht. Ich vermute, die Autos springen ohne Telefonat nicht an bzw. gehen sofort wieder aus. Deshalb wandere ich nicht so gerne auf Straßen, selbst wenn kaum ein Auto unterwegs ist. Die Aufmerksamkeit ist eher bescheiden, was ich an den häufigen hektischen Ausweichmanövern festmache.

Nach zwei Kilometern wechsele ich an der Ponte del Re von der Straße auf die aufgelassene Bahnstrecke, die ich gestern bereits beschrieben hatte. Die Ponte del Re ist eine Brücke der alten Passstraße. Diese ist zur Zeit gesperrt, weil der Baucontainer für die Renovierung der neuen Brücke, den Durchgang versperrt. Die cleveren Bauarbeiter bei der neuen zu renovierenden Brücke haben den Zugang zur „Bahnlinie“ auch mit Bauzäunen abgesperrt. Ich muss daher erst mal ein Machtwort sprechen, damit die mich durchlassen und den Bauzaun öffnen.

Bei dem geringen Verkehr hätte man natürlich die Fahrzeuge über die alte Brücken leiten, statt einspurig mit Ampelschaltung über die Neue. Durch den Aufbau behindert man den Verkehr und die Arbeiten zur Renovierung. Ich muss mir schon klar machen, dass dies nicht meine „Baustelle“ ist und ich mich deshalb über diese Ungeschicklichkeiten nicht aufregen brauche.

Trotz leichten Nieseln ist es toll, auf der Bahntrasse entlang eines traumhaft schönen Flüsschens zu marschieren. Leider endet die Trasse nach etwa fünf Kilometern und der Weg geht zunächst in einen Wiesenweg über. Nach der Beschilderung bin auf dem Camino del Negro gelandet. Man scheint die Gewohnheit zu haben, jeden Weg, der nicht gleichzeitig Straße ist, als Camino zu bezeichnen.

Auf den Schildern, die den Weg als Camino del Negro ausweisen ist auch ein QR Code, der auf eine gut gemachte Webseite verweist. Dort kann Mann sich u. a. die GPS Daten herunterladen. Das ändert nur nichts an der mangelnden Qualität des Weges.

Zunächst kommt mir eine Schafherde entgegen, die wohl häufiger auf dem Weg unterwegs ist, da er voller Schafskot ist. Dann wird der Weg zu einem Pfad. Es dauert nicht lang und der Weg ist zugewuchert aber dennoch erkennbar. Das ist in Italien nicht ungewöhnlich. Kurz darauf ist der Weg weg. Ich kann zwar Wegmarkierungen erkennen, ein Weiterlaufen ist völlig unmöglich, vor allem wegen meiner „Lieblingspflanze“ der Brombeere. Bei der Camino del Negro Organisation weiß man wohl nicht, dass man mindestens einmal im Jahr nach des Hauptvegetationsschubes Wege abgehen und und von unliebsamen Zuwucherungen befreien muss. Hier schaltet ich mich nun doch ein und schreibe der Organisation eine Email.

Was ist zu tun: etwas abseits des Weges gibt es ein Flüsschen, das in diesem Bereich Richtung Süden fließt, falls es hinreichend Wasser führt. Trotz des Regens ist das Flussbett meist trocken. Also pilgere ich das Flussbett bergan. Das ist nicht immer vergnüglich, da entweder tiefer Sand oder große, feuchte, rutschigen Steine den Untergrund bilden. Ich muss arg aufpassen, mir nicht die Knöchel oder die Unterschenkel anzuhauen. Der Sand rieselt mir von oben in die Schuhe und reibt tüchtig auf der Haut. Ich komme nur langsam vorwärts. Über dem Flussbett liegen immer wieder umgefallene Bäume und behindern meine Vorwärtskommen zusätzlich.

Oben angekommen wird aus dem Flussbett ein nach Norden fließender Bach. Das Bachbett ist nicht breit und damit das Wasser tief. Hier geht es definitiv nicht weiter. Ich suche auf meiner App, wo sich der eigentliche Weg befindet, um zu schauen, ob ich mich dahin durchschlagen kann und er wieder begehbar ist. Bevor ich den Weg finde, treffe ich auf einen Acker. Am Rain des Ackers später Feldes kann ich weiter laufen bis ich an eine Brücke über den Bach auf einen Feldweg stoße. Jetzt muss mir im Bach erstmal die Füße waschen und die Schuhe vom Lehm befreien. Mit Kiesel freien Schuhen läuft es sich doch besser.

Als ich wieder auf eine Straße treffe, entscheide ich mich, dieser bis in den nächsten Ort zu folgen, da ich genug von der „Wildnis“ habe.

Auf der Straße komme ich gut voran und passiere einen der typischen italienischen Friedhöfe gigantischem Ausmaßes verglichen mit dem kleinen Ort (weniger als 1.200 Einwohner) und sehr hohen Totenhäusern, wie auch immer diese Bauwerke genannt werden, in die die Särge geschoben werden.

Gegen Mittag hört der Regen auf. Es bleibt aber trist. Jetzt wegen der Umgebung. Ich laufe durch Industrie und Gewerbe geprägte Ortschaften. Verstärkt wird der öde Eindruck durch den Müll, der überall rumliegt.

Um mich abzulenken, mache ich einige Telefonate. Obwohl ich wieder mehr als 30 Kilometer wandere und der sonstigen Handy Nutzung, hält der Akku des neuen IPhones durch. Das ist das erste IPhone, das bisher an keinem Wandertag schlapp gemacht hat. Das erfreut mich doch sehr.

Am Nachmittag erreiche ich Sala Consilina. Mein B&B liegt weit oben in der Oberstadt. Ummelden zu erreichen, muss ich die Hauptstraße durch den Ort nehmen. Das ist so trostlos wie zuvor die Industriegebiete, weil vermutlich jedes dritte Haus an der Straße verlassen ist oder, wie man aus der Abverkaufswerbung einzelner Geschäfte entnehmen kann, verlassen wird. Die leeren Häuser sind oft bereits verfallen, andere sind in einem erbärmlichen Zustand. Mir schwant schlimmes bzgl. meines B&B.

Umso überraschter bin ich, als ich bereits an der Straße von einem jungen Mann erwartet werde und zu einem Haus in zweiter Reihe geführt werde, das sich in einem geradezu hervorragenden Zustand befindet. Das gilt auch für das Zimmer und die sanitären Einrichtungen.

Der negative Eindruck, den ich bei der Anreise von Sala Consilina bekommen habe, verstärkt sich, als ich zum Essen das Haus verlasse. Fast alle Restaurants und Pizzerien, die in Google Maps verzeichnet sind, sind dauerhaft verschlossen. Es gibt viele dunkle Ecken, die kein gutes Bild über die Stadt zulassen. Nach einem guten Kilometer gibt es eine leere sehr große Pizzeria. Die Pizza ist dann wieder fantastisch: so wie ich das aus DER Pizzaregion auch nicht anders erwarte.

Tag 8 – 20.10.25: Mormanno – Lauria Superiore

Voller Fokus auf den Weg

Gestern hatte ich eine Wohnung als Unterkunft angemietet, in der am Abend für 2 Stunden die Heizung an war und auch heute Morgen, als ich aufstehe, bollerten die Heizkörper. Damit wird so eine Wohnung nicht warm. Ich habe versucht, mich im Bett einzukuscheln. Das war aber so schmal, dass ich mich beim Umdrehen immer wieder aus der Decke gedreht habe und von der Kälte wache wurde. Wie kann man so geizig sein.

Andererseits war ich über die Heizkörper sehr dankbar. Da ich gestern Abend die Waschmaschine, die es in der Wohnung gab, mit meiner zum Teil wirklich stinkenden Wäsche vollgestopft habe, kamen mir heiße Heizkörper bei der Trocknung der Wäsche sehr entgegen. Alles wurde trocken. Somit habe ich mal wieder nur saubere und trockene Wäsche im Rucksack: sehr angenehm.

Frühstück gibt es in diesem B&B nicht. Das zweite B fehlt. Ist aber alles andere als schlimm. Denn das Frühstück, gibt es denn welches, finde ich eher eine Bestrafung als ein gewünschtes Add On. Ich komme nach wenigen Häusern an einem Salume (Mini-Supermarkt mit Frische Theke) vorbei. Dort lasse ich mir ein Panini mit Prosciutto Cotta machen und fülle noch meine Wasserflasche auf. Das Panini ist sau lecker. Ich habe es in Windeseile aufgegessen.

So jetzt aber volle Konzentration auf den Weg. Ich vergleiche ständig die Wegempfehlungen von Google Maps und Outdooractive, um den besten Weg zu finden. Es gibt bei der Auswahl im wesentlichen drei Kriterien: Kürze des Weges, Höhenmeter und Vermeidung einer Durchgangsstraße. Einen kleinen Umweg akzeptiere ich gegen Mittag, um an einer Bar vorbeizukommen. Ich habe heute Glück und ich kann dreimal einen Espresso trinken und dabei auch immer ein eiskaltes Süßgetränk mitnehmen. Am liebsten mische ich zwei Säfte: einmal sauer einmal süß. Das hält mich auf Touren.

Etwa 8 Kilometer vor Lauria, meinem heutigen Ziel, liegt am Wegesrand mitten im Nichts und damit völlig überraschend für mich ein kleines Restaurant, eher eine Bar. Ich kehre ein, um noch einen späten Café zu mir zu nehmen. Aber innen richt es einfach toll nach diesen typischen italienischen Sandwiches, die bedarfsorientiert erhitzt werden. Da kann ich einfach nicht widerstehen, obwohl ich dem Grunde nach gar keinen Hunger habe. Aber mir läuft bei dem fantastischen Geruch das Wasser im Mund zusammen. Die Wirten spricht ein gutes Englisch und überredet mich eine Teigtasche zu essen, die frittiert wurde und die mit einer Masse aus Hackfleisch- und Käserolle gefüllt wurde: alles natürlich frisch und selbstgemacht, wie sie stolz erzählt.

Nach knapp 35 Kilometern und mehr als 700 Höhenmetern stehe ich vor dem B&B. Die Besitzerin holt mich an der „Hauptstraße“ diese Bergortes, der von kleinsten Gassen und Treppchen durchzogen ist, ab. Ich habe ein sehr nett eingerichtetes Zimmer mit einer Deckhöhe unter 2 Metern. Hier ist es gut, nicht groß gewachsen zu sein. Es ist richtig kuschelig. Ich bekomme auch gleich eine Restaurantempfehlung. Damit bin ich gut für den Abend gerüstet.

Aber noch einmal zurück zum Weg: Knapp vor Erreichen von Lauria Superiore stoße ich auf einen privat angelegten Weg, der so nicht in den Karten verzeichnet ist: Il Piccolo Cammino di Santiago. Ich gehe davon aus, dass es der Santuario della „Madonna Assunta“ war, der diesen Weg gebaut hat und immer noch pflegt. Dieser Weg ist eine deutliche Abkürzung und hat mir am Ende über einen Kilometer eingespart.

Da ich schon mal über das Essen geschrieben habe, möchte ich heute mit Essen enden: ich war in einer Metzgerei (Empfehlung meiner Wirtin), die natürlich Fleisch in den Vordergrund stellt, Abend essen. Zur Vorspeise esse ich die Pasta Fresca di Giornato. Das sind heute Gnocchi mit Tomaten und Hackfleischsoße. Danach wähle ich Scaloppine in einer Zitronensoße mit Steinpilzen und scharfem Grünkohl. Das ist super lecker. Nachdem ich in den ersten Tage nur Pizza bekommen habe, war das Essen die letzten drei Abende zwar in sich einfach dafür allerdings hervorragend. So nun freue ich mich auf Morgen mit wieder mehr als 30 Kilometern. Ich habe ein Zimmer in einer Tenuta mit einem Restaurant gebucht, so dass es sein kann, dass ich wieder mit einem Bericht über das Abendessen meinen Tag beenden werde.

Tag 7 – 19.10.25~ Morano Calabro – Mormanno

Zauberhafte Bergwelten an der Grenze von Kalabrien und Basilicata

Heute müssen im wesentlichen Bilder sprechen. Das erste Bild zeigt die Normannen Burg, die hoch über Murano Calabro thront und die Stadt Jahrhunderte geschützt hat. Da der Zugang noch geschlossen ist, laufe ich einmal um die Burg herum und habe dadurch schonmal 60 zusätzliche Höhenmeter auf der Uhr.

Danach geht es ab in den Wald und in die Berge. Ich wandere durch den Nord-Östlichen Teil der Kalabrischen Abruzzen, die ständig neue, unglaublich schöne Landschaften zeigen. Gemeinsam sind die Almwiesen, auf denen vornehmlich Rinder grasen. Ich komme auch an Pferdeherden und Schafen vor bei. Die Pferde lassen sich nicht fotografieren. Noch viel ängstlicher als die Kühe rennen die Pferde vor mir davon, sobald sie Witterung von mir aufnehmen.





Die Als ich gerade auf meinem Handy nach dem Weg schaue, kreuzt ein Bauer, der ein Pferd führt, meinen Weg. Nachdem ich ihn mit einem Buon Giorno begrüßt habe, rattert er los und ich verstehe nicht ein einziges Wort. Erst als ich ihm mitteile, dass ich kein Italienisch spreche, spricht er artikuliert und langsam. Es ist überall auf dem gesamten Globus das selbe Verhalten, das Menschen an den Tag legen, wenn klar wird, man spricht ihre Sprache nicht. Sie sprechen weiter, geben sich zwar Mühe, artikulierter zu sprechen, was natürlich nichts daran ändert, dass man nichts versteht. Viele versuchen durch Wiederholungen und lauter Sprache, sich verständlich zu machen. Hilft aber immer noch nichts. Gut in diesem Fall habe ich das Eine oder Andere verstanden. Ich glaube, er wollte mir klar machen, dass ich nicht nach dem Weg schauen muss, sondern einfach den Berg hoch zu gehen habe. Oben ergibt sich der Weg von selbst – oder so was ähnliches. Er verabschiedet sich damit, dass er sich noch „schnell“ erkundigt, ob ich Engländer oder Deutscher bin. Er hat schon mal von Stuttgart gehört. Wieder erzählt er mir etwas, was ich ganz und gar nicht verstehe. Dann geht er seinen Weg fröhlich weiter, vermutlich in der Annahme, ein tolles Gespräch mit eine Deutschen geführt zu haben.




Auf ca. 1.400 Meter Höhe überquere ich einen Pass und anschließend wechselt der Eindruck vollständig. Ich pilgere durch eine Hochebene und habe eine fantastische Aussicht. Tatsächlich ist es nicht notwendig, einem Weg zu folgen. Man kann einfach in der Ferne einen Punkt anvisieren und auf diesen zulaufen. Passieren kann nichts, da es einfach eben ist, nur mit einigen wenigen Erhebungen. Klar ist, da verbergen sich keine Schluchten oder verborgenen Einschnitte, die den gewählten Weg unmöglich machen könnten.

Nach einer geraumen Zeit folge ich einem Wasserlauf/Weg durch einen Wald nach unten. Ich vermute, es handelt sich um einen Weg, der aber durch den Starkregen in den letzten Tagen zu einem Wasserlauf wurde und entsprechend Geröll und lose Erde mit ins Tal gerissen hat, weshalb der Weg zur Zeit wie ein versiegtes Flussbett aussieht.

Als ich wieder runter ins Tal komme, liegt für einen Augenblick der Stausee Lago del Pantano vor mir. Zu dem muss ich runter. Als ich ihn erreiche, laufe ich unter der Autobahn durch. Auf der anderen Seite geht es noch Stück den Berg hoch und wieder durch einen Wald. Schon erreiche ich nach 26 Kilometern und fast 1.200 Höhenmetern Marmanno, das auch als Tor zu Kalabrien bekannt sei: aus den noch schrofferen Bergen Basilicatas in das lieblichere Kalabrien, so kann man es im Internet nachlesen. Mein Eindruck von Kalabrien ist alles andere als lieblich. Erst hat es vor zwei Jahren Pedro mürbe gemacht und diesmal hat es mich an den Rand der Verzweiflung getrieben. Ich bin nicht der Typ, der mal so einfach aufgibt. Aber am Tag vier lagen meine Nerven blank. Da gab es mehr Emotionen als Rationalität.

Als Abschlussbild gibt es jetzt aber keine Burg, sondern eine Kathedrale. Es gibt nur ein Außenbild, da schnell klar wird, als ich mir die Kathedrale von innen anschaue, dass diese schon bessere Tage gesehen hat. Die Bedeutung von Mormanno hat wohl stark abgenommen. Ich kann mir gut vorstellen, dass im Mittelalter, wenn die Menschen vom Norden nach Kalabrien wollten und Basilicata haben queren müssen, dass sie das Ankommen in Mormanno wie eine Erlösung empfunden habe: Endlich raus aus den unwirtlichen Pollino Bergen. Ich werde, weil ich einiges darüber gelesen habe, diese auch nur am Rande streifen. In den Pollino Bergen gibt es kaum Orte mit Herbergen. Da ich nicht mehr draußen übernachten kann und will, muss ich einen Weg wählen, der die Region nur streift. Meine Ziel ist Kompanien: Benevento, wo ich bereits vor 6 Jahren auf der Via Appia durchgekommen bin. Dann wird es ein einfacher Home Run.

Aber bevor das passiert, liegt Morgen eine schwere Etappe vor mir mit 37 Kilometer und ca. 650 Höhenmetern, natürlich durch die Pollino Berge. Ich muss es unbedingt bis nach Lauria schaffen. Drückt die Daumen, dass ich nicht schlapp mache.

Nachtrag: ich war in der Alten Post (sie schreiben es Alten Poste) essen. Einem Deutschen Restaurant mit Biergarten und Andechser vom Fass und König Ludwig aus der Flasche. Das Essen war allerdings Italienisch.

Tag 6 – 18.10.25: Longro – Murano Calabro

Läuft wieder

Heute Morgen erhalte ich von der Mathelehrerin noch etwas Geschichtsunterricht verbunden mit etwas Geographie. Sie fragt mich, ob mir bewusst sei, dass ich mich in Albanien befinde. Ich erkläre ihr, dass ich nach meinem Wissen mich in Kalabrien also Italien befinde. Das sei auch richtig. Aber vor etwa 500 Jahren sind Albaner vor den einfallenden Ottomanen hier in diese Region geflüchtet und haben Städte gegründet, die noch heute Albanisch seien. Ihr Muttersprache sei Albanisch und die Kathedrale des Ortes, die ich unbedingt besichtigen möge, sei Christlich Orthodox.


Das Haus, das mit der Stirnseite zusehen ist, liegt fast ganz oben und ist ca. 500 Jahre alt

Ok, toll, dass die Albaner eine sichere Umgebung gefunden haben. Nach fünfhundert Jahren sollte man sich allerdings etwas besser integriert haben. Ich bekomme noch eine Hausführung und bekomme Möbel, Bücher und Trachten gezeigt und erklärt. Ob das nun Albanisch ist, kann ich nicht beurteilen. Ignorant wie ich bin, habe ich mir noch nie Gedanken über eine eigenständige Albanische Kultur gemacht – zu meiner Entschuldigung am Desinteresse: zu meiner Jugendzeit war Albanien ein unerreichbares Land – und schon gar nicht in Kalabrien.

Die Kathedrale schaue ich mir natürlich an, auch von innen. Gerade wird eine Messe gelesen. Ich verstehe die Sprache des Priesters nicht. Es ist definitiv nicht Latein, Italienisch oder Griechisch. Könnte Albanisch sein. Da ich aber noch nie bewußt jemand habe Albanisch sprechen hören, gibt es auch keine Möglichkeit der Wiedererkennung.

Nun will ich los. Das Wetter ist traumhaft. Auch wenn in den Bergen noch dunkle Wolken hängen. Hier am Rande der Berge, ich bin derzeit auf etwas mehr als 600 Metern Höhe, scheint die Sonne strahlend und es nicht zu warm. Also ideal für einen tollen Wandertag.


ist das nicht eine traumhafte Landsxhaft?

Es geht zunächst Berg ab und anschließend laufe ich weitgehend auf 500 Meter. Da man nicht jeden Landschaftseinschnitt umgehen kann. Muss ich auch gelegentlich deutlich nach unten, was natürlich bedeutet, ich muss wieder rauf.

Nach etwa einer Stunde komme ich an einen Bauernhof mit einer Schafherde vorbei, wo ich von dem Hauptweg abbiegen muss, um ein Tal zu durchqueren. Den Bauern, der draußen steht, frage ich, ob ich tatsächlich dort runter muss. Er bestätigt dies und zeigt mir den Weg und weißt mich auf eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen hin. Von denen ich nur verstehe, dass ich an dem Hang der im Regen abgerutscht ist, nicht queren soll, sondern unterhalb von diesem entlang gehen soll.


Der Weg entpuppt sich als Bach, das wird aber nicht meine größte Herausforderung 

Der Weg wird zu einer riesigen Herausforderung. Zunächst ist er teilweise überschwemmt. Dann zugewachsen, so dass es schwierig ist den Weg überhaupt zu finden. Die größte Herausforderung stellt allerdings der abgerutschte Hang dar. Im Nachhinein glaube ich, es wäre am besten gewesen, ihn oben zu queren. Denn unten war der Morast sicher 20 cm oder mehr hoch. Ich bin kaum durch diesen Morast durchgekommen. Ich habe ausgesehen wie ein Schwein. Die Matsche ist mir über und in die Schuhe gelaufen. Meine Hosenbeine bis hoch zum Po waren voll mit Erde.

Kurz bevor ich wieder auf eine Straße komme, gibt es einen Wasserhahn an dem ich mich erstmal wieder einigermaßen sauber mache. Nun sind meine Schuhe und die letzten Strümpfe völlig nass. Ok, so ist das halt. Ich hoffe darauf, dass die Sonne mir hilft zu trocknen. Die Hose versuche ich ebenfalls zu reinigen. Das Ergebnis ist gar nicht schlecht. Später reinige ich mich erneut an einer anderen Wasserstelle.

Die Hose trocknet schnell. Auch die Schuhe werden nach einige Zeit wieder trocken. Die Socken bleiben allerdings nass. Ich bleibe Blasenfrei. Gut so!

Als ich mal wieder den Berg hoch schleppe, der Weg führt durch einen Ort mit dem Namen Saracena, der wie die meisten der Orte hier, auf einem Berg hoch oben aufgebaut wurde, läuft mir der Schweiß durch die Augen auf meine Brille. Nach kurzer Zeit sehe ich fast nichts mehr mehr durch die schmutzige Brille. Also ziehe ich sie aus. Es ist wie zuvor. Mit der Brille sehe ich aufgrund des Schweißes nicht. Vorher musste ich die Kontaktlinsen raus lassen, weil der Schweiß mit der Sonnencreme in den Augen nicht zu ertragen waren. Ergebnis: ich benutze keine Sehhilfe und sehe einfach schlecht. Fazit: es ist am besten man braucht keine Sehhilfe, was nichts anderes heißt, man darf einfach nicht alt werden.

Sorry für diesen blöden Einschub. Zumal ich mein Alter gar nicht bedaure, zumindest solange ich noch fit bin, um hier durch die Berge zu schweifen.

Heute ist mir aufgefallen, dass es einiges an Obst gibt, das am Reifen ist ist bzw. überreif zu finden ist. Es gibt relativ viel Brombeeren. Die sind bei uns bereits durch. Hier wächst wohl eine späte Variante. Die Beeren sind sehr süß und kompakter als bei uns. Auch schwarzen Weintrauben hängen noch gelegentlich an den Reben. Die meisten sind allerdings verschrumpelt. Aber die, die man noch essen kann, sind extrem süß. Die Lese ist durch und ich konnte bis jetzt nicht herausfinden, ob die Trauben noch bewußt hängen oder vergessen wurden. Aber sie sind traumhaft vom Geschmack. Dann bin ich heute an einem Baum vorbei gekommen, an dem Früchte hingen, die aussahen wie Mirabellen. Ich habe eine gepflückt, dazu musste ich auf ein Naturmäurchen klettern, von dem ich fast abgestürzt wäre, weil die Mauer unter mir zerbröckelte. Die Mirabelle schmeckt aber eher wie ein Physalis und hat auch deren Textur. Ich bin mir da aber alles andere als sicher. Dann habe ich noch eine Apfelsine aufgehoben, die durch den Regen und den Wind vom Baum gefallen war. Apfelsinenbäume gibt es hier zuhauf. Mir ist auch klar, dass die hier wohl nicht vor März reif sind. Aber die Frucht lag halt schön orange da. Also versuche ich, sie zu essen. Das wird zu einer großen Herausforderung. Die Schale ist so fest, dass ich sie nicht mit meinen Fingern aufbrechen kann. Also beiße ich die Schale auf. Das Fruchtfleisch ist exorbitant sauer. Aber durchaus genießbar. Ich esse die Apfelsine komplett auf.


Oliven sind zwar kein Obst, aber mich beeindrucken die uralten Bäume immer wieder


Murano Calabro liegt auf etwa 600 Meter Höhe (der Fuß des Berges) und zieht sich hoch bis auf fast 700 Meter

Dann komme ich meinem Ziel näher: Murano Calabro. Auch dieser Ort liegt auf einem Berg und ist sehr dicht bebaut. Ganz oben dröhnt eine Kathedrale und eine Burg. Ich habe heute ein Hotel mit Restaurant gebucht, um mir etwas Komfort zu gönnen. Diese liegt mitten in der Stadt an den Berg geklebt. Es ist von außen ausgesprochen schön. Auch innen ist es toll. Man sieht ihm sein Alter an. Innen wird der Berg mir seinen Felsen und dem Wasser, das herunterläuft, zur Schau gestellt. In den Zimmern gibt es Kommunikationstools, die aus einer andern Zeit stammen.


Telefone wie auf dem Amt in den 60er Jahren des vorherigen Jahrhunderts

Nach der obligatorischen Wäsche kümmere ich mich erstmal um die Planung der nächsten Tage und buche mal für Morgen und Übermorgen Zimmer. Mein Weg orientiert sich eh nach den Übernachtsungsmöglichkeiten. Bis kommenden Donnerstag habe ich soweit meine Planung stehen. Danach bin ich mir noch nicht sicher. Es gibt letztlich drei mögliche Routen, bei denen ich vermutlich immer ein N&B finden kann. Sie sind unterschiedlich lang und gehen mal mehr und mal weniger durch die zahlreichen Bergzüge in dieser Region. Spätesten Übermorgen muss ich eine Entscheidung treffen.

Um acht gehe ich zum Essen: sensationell. Dem Hotel gehört auch ein Bauernhof u. a. mit über 100 Olivenbäumen, Weinbergen und Schweinezucht (schwarze Schweine). Im Restaurant wird nur Essen angeboten, das aus Komponenten der eigenen Herstellung stammen. Ich esse eine Pasta mit selbst gerollten Nudeln und einer scharfen Wurst. Danach bekomme ich Schweinelende vom schwarzen Schwein mit Bratkartoffeln und einer super süßen roten Paprika. Anschließend bekomme ich noch ein Eis mit Früchten, ebenso selbst hergestellt. Dazu bekomme ich einen roten Wein aus einer zweitausend Jahre alten Traube, die die Griechen hier her gebracht haben. Heute habe ich sehr lecker gespeist. Damit ich das eigene Olivenöl hinreichend probieren konnte, bekomme ich ein ähnliches Brot wie ich es aus Sardinien kenne, allerdings deutlich dicker aber genauso hart und knusprig. Sehr zufrieden gehe ich heute ins Bett.

Tag 5 – 17.10.25: Malvito – Longro

Meine Stimmung hellt auf

Heute Morgen bringe ich erstmal meine nasse Hängematte zur Post und schicke das ganze Zeug nach Hause. Das kostet ein kleines Vermögen. Wahrscheinlich weil der Postbeamte fast eine Dreiviertel Stunde dazu braucht, mit mir die notwendigen Papiere auszufüllen, den Sack in einen Karton zu legen, ihn zu verschließen und das Paket zu wiegen (3,3 kg). Er wiegt das Paket sich zehnmal bis er sich traut, das Gewicht in die Papiere einzutragen. Am liebsten hätte ich ihm ein Effizenztraining angeboten. Aber jetzt ist es auf dem Weg.

Danach bin ich zurück in mein B&B und habe alle Sachen eingepackt. Ich habe während ich bei der Post war, die Heizung auf volle Pulle gestellt. DAs hat aber nichts mehr gebracht. Dem Grunde nach sind meine kompletten Anziehsachen noch nass. Die einzigen verbliebenen trockenen Sachen habe ich an. Nun gut hilft nichts. Noch schnell ein Fertigverpackte Brioche essen. Auf das Ding war der Vermieter ganz stolz, ist aber nicht zu genießen.

Nun ist es bereits halb zehn. Jetzt muss ich aber los. Mache nach zwei Miunten aber schon Pause, da ich wider erwarten an einer Bar vorbeikomme. Mein B&B Wirt meinte gestern sie sei zu. Dann doch noch einen Cappuccino mit einem frischen Cornetto. Jetzt bin ich für den Tag gerüstet.

Der Rucksack ist nicht nur faktisch leichter, mit dem Wasser, einer Powerbank und der Hängeatte sind das 4,5 Kilogramm weniger. Der Rucksack fühlt sich so großartig an. Entsprechend komme ich zügig voran. Allerdings geht es im wesentlichen erstmal bergab bzw. ich laufe in einer Ebene. Wie angekündigt ist es erstmal trocken. Die Wolken hängen aber tief und tatsächlich fängt es an zu nieseln, was ok ist. Die Regenjacke reicht, um mich trocken zu halten. Nicht lange und der Regen hört auf, obwohl oben in den Bergen dicke dunkele Wolken festhängen. Im Tal wird es erstaunlich warm und extrem schwül. Nach kurzem brauche ich nur noch ein T-Shirt.

Jetzt habe auch die Muse mir die Landschaft anzuschauen. Ich komme an einem alten Weingut vorbei. Das herrschaftliche Gebäude scheint allerdings schon mehreren Generationen nicht mehr, als Unterkunft zu dienen.

Jetzt muss ich mich entscheiden: Folge ich der Outdooractive Empfehlung oder Google Maps, die fast 4 km kürzer ist. Ich entscheide mich für den kürzen Weg. Der führt mich durch eine Tiefebene vorbei an einer Haselnuss-Plantage, zumindest vermute ich, dass es sich um Haselnüsse handelt ohne mir sicher zu sein. Ich wandere an der sicher fünf Kilometer entlang als ich Richtung Berge auf einen sehr holprigen und ausgefahrenen Feldweg abbiegen muss. Der Weg entpuppt sich als eine Herausforderung. Durch die Regenfälle sind die Traktorenspuren gefüllt mit Wasser. Ich muss um diese regelrecht herum balancieren, um nicht in diesen Schlamm hineinzutreten.

Dann kommt die Überraschung und ich weiß jetzt, warum Outdooractive diesen Weg nicht kennt. Ich muss durch einen Fluss, um auf der anderen Seite wieder den Weg aufnehmen zu können. Da ich keine trockenen Sachen mehr habe, bin ich vorsichtig und gehe nicht einfach so durch das Flüsschen, sondern ziehe Schuhe, Strümpfe aus und wickele sehr aufmerksame meine Hosenbeine hoch. Ich bin sehr erstaunt, dass das Wasser nicht eisig kalt ist, eher angenehm erfrischend. Auf der anderen Seite stellt sich mir die Frage, wo ziehe ich meine Strümpfe und Schuhe wieder an. Es ist zu nass und matschig. Also laufe ich barfuß auf dem Weg knapp einen Kilometer bis ich auf eine Straße stoße.

Jetzt muss ich so langsam Höhe gewinnen und schaue nach nicht allzu langer Zeit auf einen Stausee, den der Fluss, den ich gerade überquert habe befällt. Ein ziemlich großer Stausee für so ein Flüsschen. Kein Wunder, dass der wenig Wasser hat. Die Landschaft bleibt lieblich mit großen Weinbergen und Olivenhainen.

Die bedrohlichen Wolken beginnen sich, während ich mich den Bergen wieder nähre und hoch schnaufen muss, zu entleeren. Erst wenig. Trotzdem ziehe ich vorsichtshalber die Regenjacke an. Dann geht es auch schon los. Der Regen wird heftig. Je höher ich komme und je näher ich Longro, meinem heutigen Ziel, komme.

Nun tretscht es. Als ich nach Longro läuft an mir das Wasser in Strömen herab. Ich kann das Handy kaum bedienen, um in den kleinen Gassen des Bergdorfes mich zu orientieren und mein B&B zu finden. Klatsch nass, stehe ich vor der Tür eines, wie später erfahre 500 Jahren alten Hause. Gottseidank öffnet die Besitzerin sofort die Tür als ich klingele.

Sie möchte mir so gerne ihr historisches Haus zeigen, ich will aber nur aus meine nassen Klamotten. Ich triefe und hinterlasse über all mein Spuren, obwohl ich meine Schuhe schon am Eingang ausgezogen habe. Dem Haus sieht man seine 500 Jahre an. Die Installationen sind sicher am wieder dem Stand der Technik angepasst worden aber das hat vermutlich vor mehr als 50 Jahren aufgehört. Die Räume sind kalt und die Klimaanlage kann zwar heizen aber es ist ein leichtes warmes Lüftchen, das da aus der Anlage kommt.

Ich hänge schnell alle Anziehsachen auf und hoffe, Morgen sind sie trotz der bescheidenen Heizung trocken. In dem wirklich kleinen Bad wasche ich schnell meine Sachen und mich. Lange bleibe ich nur unter der heißen Dusche. Anschließend lege ich mich ins Bett unter eine dicke warme Decke. Schnell sende ich der Hausbesitzerin eine WhatsApp, damit sie mir eine Restaurantempfehlung geben kann. Dann falle ich in einen tiefen Schlaf und wache erst zwei Stunden später wieder auf.

Meine Vermieterin hat in der Zwischenzeit Mathe Nachhilfestunden gegeben und zeigt mir nun wirklich ihr Haus. Das hat Museumscharakter und schickt mich in das einzige richtige Restaurant im Ort. Leider regnet es noch im heftig, so dass die gut 700 Meter eine Herausforderung werden.

Ich esse zur Vorspeise Caprese und danach Tagliata mit Porcini. In dem Restaurant ist der Teufel los. Es ist Freitag. Ich bin froh, rechtzeitig gekommen zu sein, so das ich noch einen Tisch bekommen habe.

Als noch nicht alle Plätze belegt sind, kommt eine Familie hinein. Die reden in einer Lautstärke, die meine bei weitem übertrifft. Schreine geradezu jeden der ins Lokal kommt fröhlich an. Alle vier sitzen mit Handy am Tisch und jeder hört bei voller Lautstärker irgendwelche Videoclips an. Irre. Jetzt ist jeder Platz im Raum besetzt und es herrscht eine Kakophonie von Geräuschen. Dazu kommt, dass im Vorraum ein DJ Musik macht. Ich muss jetzt hier raus. Das überfordert mich. Selbst meine Uhr sagt, dass die Umgebungslaustärke viel zu hoch ist.

Während ich am Tresen im Vorraum bezahle fängt der DJ an zu singen und die Gäste sind am jubeln. Was geht denn hier ab.

Tag 4 – 16.10.25: Lago Paglia – Malvito

Ich bin am Ende mit meinen Nerven: Neuplanung

Am Morgen packe ich meine Sachen zusammen. Alles ist durchweicht. Ich fürchte in meinem Rucksack ist alles nass. Schon das Rausholen eines Beutels reicht, dass er bei dem Niederschlag nass wird.

Als ich zusammengepackt habe und ich mit Nerven am Ende bin. Sehe ich zu, dass ich vom Berg komme. Meine Vermutung war richtig, es gibt eine Straße nach unten. Während ich regelrecht nach unten stürze, entscheide ich, dass ich einige Ausrüstungsgegenstände entweder in meiner heutigen Unterkunft, hoffentlich gibt es etwas in der Nähe, denn Empfang ist immer noch nicht.


Der Regen hat aufgehört und schon kann ich wieder die Landschaft und die Vegetation genieße.


Die Olivenbäume sind noch nicht abgeerntet. Man will die Oliven wohl bis zur Reife bringen: Einige sind schon schwarz.

Der Regen lässt nach und hört dann ganz auf. Nach etwa zwei Stunden komme ich in ein kleines Dörfchen. Dort gibt es eine Bar. Hier kann ich schon mal nach einer Unterkunft Ausschau halten und meine blank liegenden Nerven beruhigen. Es gibt etwas nicht all zu weit weg. Der Ort heißt Malvitum und zwei Pizzerien gibt es dort auch. Also,alles gegeben, um meine Bedürfnisse so befriedigen.


Hoch auf dem Berg thront der Ort Malvito: rechter Hand geht es Morgen weiter —> ich werde die Berge meiden

Um halb zwei erreiche ich das B&B. Ich packe meinen Rucksack aus und alles was zur Hängematte gehört zusammen inkl. der zweiten Powerbank in einen eine. Beutel. Das bringe ich hier im Ort Morgen zur Post. An dieser bin ich vorhin vorbei gekommen. Sie hat allerdings nur von 8:20 – 13:45 täglich geöffnet. Damit wird der Rucksack schonmal deutlich leichter. Auch werde ich nur noch eine Flasche Wasser mitnehmen. Essen brauche ich nicht. Allerdings zwei Portion behalte ich, der Rest kommt weg. Damit dürfte ich wieder um die 10kg auf dem Rücken haben.

Nun muss ich alles zum trocknen aufhängen bzw. Vieles meiner Wäsche muss ich mit der Hand waschen und sehen, dass alles bis Morgen trocken wird. Das Zimmer hat eine AirCon Anlage. Die stelle ich auf 27 Grad. Das sollte funktionieren. Ist fürs Schlafen nicht das beste aber die Ausrüstung muss trocknen.

So und nun geht es an die Planung: ich brauche eine neue Route. Diese muss sich nun daran orientieren, dass ich in machbaren Abständen Unterkünfte finde. Das dauert eine Weile. Aber nun habe ich einen neuen Weg und schon mal die beiden nächsten Nächte gebucht.

Als ich den Wetter Forecast mir anschaue, werde ich überrascht: das Wetter wird besser als bisher angenommen. Nur Morgen solle es noch einmal Regnen und dann wird es freundlich und wieder wärmer. Das gibt mir Mut und holt mich aus meinem Stimmungstief.

Tag 3 – 15.10.25: Cinquemiglia – Lago Paglia

Nebel, Nieselregen, Sturmfluten

Um 6 Uhr wache ich auf. Es nieselt. Ich frage mich kurz, ob ich aufstehen soll, um schnell, bevor alles nass ist, zusammenzupacken. Ich habe keine Lust und dreh mich noch einmal um, bis mein Wecker um halb acht mich weckt.

Wieder stelle ich fest, das Abbauen der Hängematte mit Tarp und allem notwendigen Zubehör dauert deutlich länger als im Zelt. Auch finde ich nicht so angenehm, dass ich einiges von meinem Equipment im nassen verpacken muss.

Zum Frühstück esse ich einige Nüsse. Mein Magen rebelliert bereits, als ich den Käse auspacke. Also schnell in den Rucksack mit dem Teil.

Gem. der Wetternachrichten hat pünktlich der Nieselregen um sechs Uhr eingesetzt. Der sollte aber bereits um sieben Uhr vorbei sein. Ab zwölf sollte es Regnen. In Summe 12mm. Es kam anders. Der Nieselregen hat nicht aufgehört. Den ganzen Tag bin ich durch dicken Nebel – ich schätze mit Sichtweiten zwischen 20 und 50 Meter – gewandert. Es war den ganzen Tag duster und der Nebel war nicht nur feucht sondern nass.

Der gestrige Tag steckt mir noch in den Beinen und der Rucksack wird auch nicht leichter. Die Nässe macht mir auch nicht Beine. Ich bin erschöpft. Nach gut zwanzig Kilometern und 800 Höhenmetern bin ich am Ende. Mir wird klar ich muss was ändern und hoffe auf Übermorgen. Dann bin ich in San Sosti, wo ich B&B buchen kann. Bis dahin muss ich mir überlegen, was ich tue. So komme ich zumindest nicht bis nach Rom.

An einem kleinen See sind Picknick Bänke aufgebaut und es gibt gut stehende Bäume. Das ist perfekt. Ich kann meinen Rucksack auf einer Bank platzieren und mit dem Aufbau meiner Hängematte beginnen, ohne dass alles schon in dem aufgeweichten Boden liegen muss.

Ich beginnen mit dem Tarp, so dass ich darunter schon mal trocken bin. Diesmal mache ich es von allen Seiten zu, soweit ein Tarp zu sein kann. Der Wind bläst ordentlich von Nord West. Die eine Langseite zeigt nach Westen: perfekt von dort kann mir der Regen schon mal nichts anhaben. Die nördliche Giebelseite ziehe ich übereinander, so dass ich von dort auch geschützt sein sollte. Dann kommt die Hängematte dran. Ich vermittle sie gut unter dem Tarp und hänge draußen Abtropfschnüre dran. So die Anleitung, um zu verhindern, dass an den Leinen das Regenwasser in die Hängematte laufen kann. Das habe ich auch in einem Video über Schlechtwetter in der Hängematte gesehen. Dann kommt die Luftmatratze dran. Das ist etwas Gefummel unter dem Tarp, aber es geht. Danach lege ich meinen Schlafsacke in die Hängematte und lege noch Handy, IPad, Powerbank sowie Stirnlampe hinein. Dann noch eine Folie unter das Tarp, den Rucksack und Schuhe drauf, damit alles schön trocken bleibt: Fertig.

Nun mache ich mir 100 gr. Onkel Bens Fertigreis warm: schmeckt nicht, kann man aber tüchtig salzen, um Salzmangel vorzubeugen. Irgendwie bekommt mir der nicht. Mein Magen signalisiert: ich bin voll und wenn jetzt noch was rein kommt, kommt es wieder raus. Also lege ich mich in die Hängematte, um zu entspannen. Es ist geradeaus kurz vor sechs. Aber ich döse vor Erschöpfung sofort weg.

Kurz nach sechs geht es los. Der Regen prasselt wild auf die Zeltplane runter. Das hört sich eigentlich ganz toll an, wenn man trocken und warm in der Hängematte schaukelt. Ich lese noch etwas. Was anders kann ich nicht machen, denn auch heute gibt es keinen Empfang.

Um halb zehn fallen mir die Augen zu und ich schlafe sofort tief ein. Bei dem Sauwetter sind auch die Tier nicht aktiv. Ich werde wach, als mir ein Tropfen ins Gesicht plumpst. Was ist da los. Schnell raus aus der Hängematte und nachschauen. So ein Mist. Das Tarp ist nur um wenige Zentimeter länger als die Hängematte. Bei schrägem Wind fällt der Regen direkt im die Hängematte. Ich hole aus meinem Rucksack meine Regenjacke und lege sie über die Hängematte, um diese direkt Beregnung zu verhinden. Auf die andere Seite, die aber aufgrund der Windrichtung nicht betroffen ist, lege ich meine Regenhose. Die Plane unter der Hängematte ist nutzlos. Sie ist zu klein und das Wasser läuft drüber. Nun habe ich auch noch nasse Socken. Bevor ich mich mit den nassen Socken zurück in den Schlafsack lege pinkele ich noch, da ich Sorge habe, dass alle meine Klamotten nass werden, wenn ich meinen Wäschebeutel aus dem Rucksack hole und nicht noch mal raus muss in der Nacht.

Es kommt aber anders: der Wind wird stärker, viel stärker. Der Regen wird stärker, viel stärker. Ich muss immer wieder raus aus der Hängematte, um das schlimmste zu verhindern, das mir das Wasser in die Hängematte läuft. Der Schlafsack ist schon durchweicht, hält aber die Wärme. Alle Anziehsachen, die ich an habe sind durch feuchtet.

Mir wird klar, eine weitere Nacht hier draußen ist unmöglich. Ich bin zu erschöpft, das Hängemattensystem ist für schlechtes Wetter ungeeignet und ich weiß nicht, wie ich das Trocknen kann, da es noch bis kommenden Mittwoch regnen soll.

Ich muss raus aus den Bergen. Entweder nach Westen zum Meer oder nach Osten in eine Art Hochebene. Die Küste hat den Vorteil, dort gibt es hinreichend Orte, um Übernachtungsmöglichkeiten zu finden. Aber die Berge reichen bis zum Meer. Das bedeutet, ich kann eigentlich nur auf eine Hauptverkehrsachse mit Straße und Bahnlinie entlang laufen. Das ist ziemlich öde und auch nicht ganz ungefährlich bei dem Fahrstil der Einheimischen. Nach Osten komme ich sicher schnell in einen Ort, da die Picknick Bänke darauf hinweisen, dass man mit dem Auto hinfahren kann. Ich habe aber keine Ahnung, wie ich weiter komme. Ich entscheide mich für den Osten, weil ich so schnell wie möglich aus dem Schlamassel raus muss und will. Ich habe die Schnauze gestrichen voll.

Tag 2 – 14.10.25: San Fili – Cinquemglia

Jetzt geht es richtig in die Berg

Der Start in den Tag beginnt mit einem Espresso und einem Cornetto. In San Fili ist heute Markttag. Die Stände sind noch nicht fertig, als ich in eine Bar gehe. Ein Käsestand hat seine Auslagen gerade fertig aufgebaut und diese spricht mich an. Da ich die nächsten drei Nächte in den Bergen verbringen werde, bessere ich meinen Essensvorrat mit ein kleinen Stück Peccorino auf. In einem kleinen Dorfladen kaufe ich noch schnelle 2 große Wasserflaschen, die sollten etwa anderthalb Tage reichen, wenn ich an keiner Wasserstelle vorbei kommen sollte. Jetzt hat mein Rucksack bereits fast 14 kg.

Dann geht es los. Die Berge gegenüber von San Fili, die mein Zuhause für die nächsten Tage sein werden, liegen sonnenbeschienen vor mir. Mein Weg führt mich nach Kurzem in den Wald, wo es nun steil bergauf geht. Ich mache Meter um Meter. Nach etwa 200 Höhenmeter zieht mich mein schwerer Rucksack regelrecht rückwärts nach unten. Meine Geschwindigkeit nimmt zusehends ab. Ich quäle mich in Schritten von fünf Höhenmetern nach oben: mache eine kleine Pause und dann krieche ich weiter hoch. Nach ca. 300 Höhenmetern stoße ich auf den Hauptweg des Sentiero und auf den Camino di San Sebastian di Paola. Dem Heiligen Sebastian ehrt die Stadt Paola mit einer Statue, die die Stadt am Wegesrand aufgestellt hat.

Einige wenige Kilometer lauf ich auf einem  Höhenweg immer noch durch einen tiefen Wald. Dann geht es wieder aufwärts ca. 500 Höhenmeter, dann komme ich auf der Passhöhe an. Dort stehen eine Vielzahl, von Sendemasten, die leider nur für einen schlechte Empfang sorgen – aber immerhin mal wieder Empfang. Ganz oben sieht es aus wie auf einer Alm. Hier weiden neben einigen wenigen Kühen vor allem Ziegen. Ich lege eine Rast ein, ich bin völlig erschöpft. Am liebsten würde ich bereits hier mein Nachtlager aufschlagen. Das würde aber eine zusätzliche Nacht im Freien bedeuten. Davor habe ich etwas Angst, da nicht glaube, dass ich dafür hinreichend Ladekapazität dabei habe und diese ist wichtig, damit ich mich orientieren kann. Denn klassische Kartenmaterial habe ich nicht mit, so dass nur mein Handy mich davor schützt, mich zu verlaufen.

Also schleppe ich mich weiter. Kurz hinter der Passhöhe wird nun den Pilgern gehuldigt. Die sehen etwas abgemagert aus. Ich hoffe, an mir bleibt mehr dran. Jetzt geht es gemächlich bergab, manchmal auch bergauf. So kann ich wenigstens einige Kilometer schnelleren Schrittes machen.

Jetzt habe ich gut 20 Kilometer auf der Uhr und mein Tank ist definitiv leer. Da in meinem Wanderführer steht, dass ich gleich an einem Refugio vorbei komme und das auf Wunsch geöffnet wird, fiebere ich nun darauf, dort zu übernachten. Als ich es erreiche, ist mir, sofort klar, hier hat schon über Jahre niemand mehr übernachtet. Es gibt noch nicht mal mehr Wasser im Außenbereich.

Also muss ich mir nun einen schönen Platz suchen, wo ich meine Hängematte auf bauen kann: keine Farne als Bodendecker, nicht zu kleine aber auch nicht zu dicke Bäume, die im ideal Fall 6 Meter aus einander stehen. Während ich suche, komme ich an einem kleinen Flüsschen vorbei. Dort hat jemand eine kleine Hütte aufgebaut, die zwar zerfallen ist, hätte mir für meine Hängematte nichts genutzt Höchsten für ein Zelt, da es ebene Flächen gibt. Hier funktioniert aber der Außenwasserhahn. Das ist super, so kann ich meine Wasserflaschen auffüllen.

Schnell finde ich einen geeigneten Platz und baue mir mein Nachtlager. Es wird auch Zeit, da es jetzt schnell dunkel wird. Das Hängenmattensystem baut sich leider nicht so schnell auf wie mein Zelt. Ich brauche mindestens die dreifache Zeit. Dafür werde ich mit hohem Komfort entschädigt.

Ich mache mir noch schnell einen Tee und beiße einmal in den Käse. Mehr will mein Körper nicht.

Ich könnte super schlafen, aber der Wald bzw. die Waldtiere haben etwas dagegen. Es gibt einige Käuzchen, zumindest glaube ich, dass es Käuzchen sind, die lautstark miteinander kommunizieren. Eins muss in unmittelbarer Nähe sein und macht ordentlich Krawall. Dann schlafe ich tief ein, werde aber nach einiger Zeit wieder geweckt, weil ein Raubtier Beute gemacht hat. Das Beutetier schreit erbitterlich über Minuten, bis es irgendwann der Räuber das Tier getötet hat.

Tag 1 – 13.10.25: von Cosenza nach San Fili

Es ist kalt und die Arbeit lässt mich nicht los

Ich bin heute von Cosenza nach San Fili gelaufen und musste dabei einen ersten Gebirgszug überqueren.

In der Nähe von Cosenza war ich bereits vor 2 Jahren, zusammen mit Pedro. Wir waren damals, am 14.1023, in Reggio di Calabria direkt gegenüber von Messina gestartet und Pedro hatte dann kurz hinter Cosenza schlapp gemacht. Daher habe ich mir Cosenza als Start ausgesucht. Außerdem ist Cosenza gut zu erreichen, so dachte ich bis gestern: vom Baden Airpark bin ich mit Ryanair nach Lamezia Therme geflogen. Das liegt etwa eine Bahnstunde südlich westlich von Cosenza. Die italienische Bahn wollte aber gestern nicht so wie ich mir das vorgestellt habe. Ich war schon verwundert, dass ich kein Ticket für Sonntag im Internet kaufen konnte. Ich habe dann in meinem B&B gefragt, ob es irgendein Problem gäbe. Der Besitzer war sicher, dass alles „normal“ sei; ich solle mir keine Sorgen machen, ggfs.. könnte ich auch einen Flixbus nehmen. Die führen stündlich. Flixbus war leider ausgebucht. Ich bin dann trotzdem zum Bahnhof. Ich konnte dort am Schalter, die Automaten wollten für diesen Tag auch keine Tickets ausgeben, einen Fahrschein erwerben, musste aber ordentlich warten. Irgendwann, das hatte nichts mehr mit der angekündigten Abfahrtszeit zu tun, kam dann ein völlig überfüllter Zug, der uns Bimmelbahn mäßig nach Cosenza gebracht hat.

In Lamezia, das am Meer liegt, war es angenehm warm. In Cosenza war es dann doch bei meiner Ankunft schon etwas frisch. In dem B&B, das recht hübsch eingerichtet war, war es allerdings sehr kalt und die Heizung aus. Mir ist nicht warm geworden – auch nicht im Restaurant, wo ich typisch kalabrisch gegessen habe, sehr Fleisch lastig.

Heute Morgen habe ich erstmal typisch italienisch gefrühstückt: Due Cornetto con un Cappuccino. Dann bin ich mit meinem schweren Rucksack los marschiert. Zunächst, um aus Cosenza und seine Satelitten Ortschaften herauszukommen, über  10 Kilometer auf viel befahrenen und engen Straßen und immer bergauf. Danach ging dann endlich die Straße in einen Forstweg über und später in einen schönen Waldweg, der sich für mich überraschend als Pilgerweg erwies.


… hier enden die Vororte von Cosenza und es wird kalabrisch


… unversehens lande ich auf einem Pilgerweg: Il Camino di San Francesco di Paolo


… bequem zu begehende Waldwege zeichnen den Pilgerweg aus

Fast 900 Meter ging es hoch, hoch, hoch und dann noch steiler bergab etwas mehr als 500 Meter. Mir tut alles weh, obwohl es heute nur gut 20 Kilometer waren. Morgen geht es wieder in die Berge, noch höher hinauf und ebenfalls mit einer Reihe von Abstiegen.


… kurz bevor ich San Fili erreiche steht da ein uralter Baum: was mag er schon alles erlebt haben?

Nach etwa 5 Stunden habe ich völlig erschöpft, mit schmerzenden Schultern und Füßen San Fili erreicht, wo ich mir im Vorfeld ein B&B gebucht hatte, weit und breit die einzige Unterkunft. Das nette Apartment befindet sich in einem typischen süd-italienischem Haus: es liegt zwischen zwei Straßen und ist genau ein Zimmer breit. Es zwei Stockwerke. Im Erdgeschoss ist eine klein Rezeption sowie eine Küche. Über eine Treppe, die das Haus in zwei Hälften teilt, kommt man zu den beiden Zimmern mit einem flachen Giebel. Unten endet die Treppe genau vor der Haustür.

Da ich bereits kurz vor drei angekommen bin, konnte ich nach dem obligatorischen Wäsche waschen und Duschen bis halb acht gut im Bett halb liegend mit schmerzenden Knochen noch arbeiten. Ich hoffe, damit ist nun tatsächlich alles erledigt und ich kann mich aufs Wandern konzentrieren. Das ist auch nötig, da drei harte Tage in den Bergen ohne Unterkünfte und Essensmöglichkeiten vor mir liegen. Entsprechend werde ich früh schlafen, um Kraft zu tanken.