Heute ist das Frühstück nicht minder karg als gestern im Hospitz. Heute gibt es Weißbrot und zwar von vorgestern, dafür Café-Latte. Ich bin in Italien! Ok, ich denke, ab sofort verzichte ich wie auf dem Jakobsweg auf das Frühstück und werde am späteren Vormittag eine Focaccia oder ein Panini in einer Bar am Wegesrand essen. Für heute wird es gehen.
Was soll ich zum Weg sagen? Es ist ein traumhaft schöner Tag: die Sonne scheint und ich wandere durch blühende Wiesen, ausschlagenden Wäldern und entlang von Wassergräben, die überall im Aosta Tal beginnend im 14. Jahrhundert – wie ich gelesen habe – zur Bewässerung der Felder angelegt wurden und noch heute genutzt werden. Vornehmlich geht es bis nach Aosta bergab.
Die blühenden Birken zwicken in der Nase und ich sprühe mir dann doch gleich mal ein Antialergikum in die Nase. Seit gestern tuen mir die Fersen vor allem, die des linken Fußes gehörig weh. Ich vermute, dass der steife Bergwanderschuh für meine Füße und meine Art zu laufen ungeeignet ist. Ich brauche eher einen Turnschuh mit einer flexiblen Sohle, um besser die Füße abrollen zu können und nicht so hart mit der Ferse aufsetzen zu müssen.
In Aosta angekommen suche ich gleich mal nach einem Sportgeschäft, bevor die Shops über die Mittagszeit schließen. In der Innenstadt gibt es eine ganze Reihe Geschäfte für Outdoor Aktivitäten aber kein richtiges Sportgeschäft, in dem man eine hinreichende Auswahl an Addidas, Nike oder ähnlichen Marken hätte. Extra in ein Einkaufszentrum außerhalb Aostas möchte ich nicht unbedingt gehen, daher klappere ich die Trekking Geschäfte ab, ob ich etwas geeignetes finde. Im vierten Geschäfte werde ich fündig und ein Verkäufer versteht auch zugleich mein Problem, als ich ihm erzähle, was mir weh tut und was ich vorhabe. Das ist prima, so bekomme ich zwei Schuhe empfohlen und ich entscheide mich nach langem Anprobieren in verschiedensten Größen für einen Schuh von Olang (hab ich noch nie von gehört) und nicht für den von Scarpa, der mir vorne etwas zu eng erscheint. Klasse ist auch der Service: meine Lowas darf ich im Geschäft lagern und bei passender Gelegenheit abholen.
So neu besohlt, schaue ich mir die Stadt und vor allem die Kathedrale an. Beeindruckend ist der dort ausgestellte Schrein aus Gold, der aussieht wie die Bundeslade. Ich kann leider nirgends finden, welche Bedeutung der Schrein tatsächlich hat. Natürlich gehe ich auch über die noch vorhandene Römerbrücke, entlang der Stadtmauer und vorbei an dem Triumphbogen, der von Kaiser Augustus gebaut wurde. Bevor ich die Stadt verlasse, esse ich, in der Sonne in der Fußgängerzone sitzend, ein gigantisches Panini, das ich gar nicht in der Lage bin aufzuessen und trinke zum Abschluss meinen ersten Italienischen Café auf dieser Tour.
Dann geht es raus aus der Stadt und hoch in die Weinberge Richtung Osten weiter das Aostatal entlang. Das Tal hier ist weit belebter als auf der Strecke vom Großen St. Bernhard nach Aosta runter, was man an offenen Bars und Restaurants in den kleinen Ortschaften sieht. Auch hier pilgere ich entlang von Bewässerungskanälen und rauf und runter durch Weinberge, vorbei an Burgruinen und durch Dörfer. Obwohl ich mich in den neuen Schuhen sehr wohl fühle, werde ich in der heißen Sonne vom auf und ab schnell müde. Als ich in dem Dörfchen Seran, das zu dem Dorf Quart gehört, ein B&B sehe, mache ich für heute Schluss.
Wie so oft muss die Wirtin erst mal das Zimmer, in dem drei Betten stehen, fertig machen. Das Bad müsste dringend technisch gewartet werden. Doch arg enttäuscht bin ich, als ich auf Nachfrage erfahre, dass das nächste Restaurant etwa zehn Kilometer entfernt ist. Die Gastgeberin sieht wohl mein Entsetzen und bietet mir Salami und Käse fürs Abendessen an. Das Angebot kann ich nicht ausschlagen, auch wenn ich wenig begeistert bin, da die gute Frau etwas messy mäßiges an sich hat.
Heute habe ich etwas mehr als 27 km geschafft und somit die 200 km Marke überschritten. Hic! Rom ich komme!