Den Tag beginne ich mit einem Cappuccino und einem Brioche, da ich bis nach Aula, das sind etwa 24 km, nur durch die Pampa wandere. Hier und dort gibt es einige Hausansammlungen, in denen ich keine Bars erwarte Bars.
Toll an der heutigen Route: ich gehe nicht einmal auf der Straße außer in Aula selbst. Dafür allerdings ständig hoch und runter. Die höchste Erhebung ist gut 500 m üNN, trotzdem schaffe ich es auf über 1.250 Höhenmeter.
Die Landschaft ist herrlich. Es gibt eine Vielzahl mal größerer mal kleinerer Flüsse und Bäche, die die Erde und auch die Luft feucht halten. Bei der Wärme ideal für die Vegetation. Entsprechend sind die Wege schmal und oft zugewuchert. Das reduziert meine Geschwindigkeit erheblich.
Mitten in der Wildnis komme ich an einem sehr gepflegten Weingut, das keine Strassenanbindung hat, vorbei. Die Ansiedlungen, die ich durchwandere, geben sich, als hätten sie sich seit dem Mittelalter nicht mehr weiter entwickelt.
Trotz der meist unberührt wirkenden Natur hat die Zivilisation ihre Hand im Spiel. Es gibt am Wegesrand Rastplätze zum Grillen und Picknicken. Ich frage mich, wer die nutzt, denn die Wege sehen nicht so aus, als würden sie benutzt werden. Als ich nach zwei Stunden an einem solchen mal wieder vorbei komme. Raste ich. Ich esse eine Aprikose und einen Apfel. Danach dürfen meine Füße ruhen. Also lege ich mich auf eine Bank, den Rucksack als Kopfkissen und schon schlafe ich ein. Nach einer Stunde wache ich wieder auf. Gut dann haben nicht nur die Füße etwas Ruhe bekommen.
So jetzt aber geschwind nach Aula. Anders als die Führer finde ich diese s Städtchen gar nicht schön und einladend. Es ist eine Industriestadt und so gibt sie sich auch. Am Ortsausgang finde ich eine hübsche Bar, die von einem jungen Pärchen geführt wird und sich sehr um mein Wohlergehen bemühen. So esse ich nicht ein einfaches Panino sondern bekomme einen leckern Crêpe bereit. Sie sind der Meinung, ich brauche etwas warmes.
Ich muss mich entscheiden, was ich mache. Typischerweise ist Aula eine Übernachtungsstation. Ich will aber noch weiter: (a) gefällt es mir hier nicht und (b) ich fühle mich noch fit genug für ein paar Kilometer. Ich hatte eigentlich gehofft, es bis Sarzana zu schaffen. Das ist aber definitiv zu weit. Laut Google Maps sind es noch 18 km. Dann käme ich auf über 40 km. Das würde ich zwar schaffen, ich weiß nur nicht, ob meine Füße dann wieder streiken und ich bin froh, dass sie einigermaßen wieder funktionieren – über Blasen möchte hier allerdings nicht sprechen, denn so wie die Sehnenschmerzen zurück gegangen sind so sind die Blasen gesprossen. Die feuchte Wärme ist scheinbar besonders gut für Blasenbildung.
Zwischen Aula und Sarzana gibt es in den Bergen noch genau einen Ort durch den ich kommen werde. Dort gibt es auf booking.com ein B&B, das ich dann auch so gleich buche. Laut booking.com muss man spätestens bis 14:30 Uhr ankommen. Es ist schon fast zwei und es sind bis in den Ort noch etwa 12 km. Nicht zu schaffen. Also Vermerke ich bei der Buchung, dass ich erst um 17:00 Uhr ankommen werden. Eine Dame schreibt zurück, dass sie bis 18:00 Uhr im Hause sei und dann weg müsse. Ich frage per Email, ob es ein Restaurant, Pizzeria oder eine Bar im Ort gibt, wo ich zu Abend essen kann oder etwas zu essen mitbringen muss. Sofort erhalte ich die Antwort: ja es gibt ein Restaurant aber eben auch nur eins. Das reicht mir und alle mal besser als aus der Bar in Aula ein Panino mitzunehmen.
Die 12 km nach Ponzano Superiore haben es in sich. Ich komme an meine Leistungsgrenzen. Hitze und Feuchtigkeit tun ihr übriges, um mich an den Rand der totalen Erschöpfung zu bringen. Kurz vor Ponzano meldet meine Uhr, dass noch niemand so viele Kalorien beim Wandern verbrannt hat wie ich und dies ein neuen Rekord darstellt. Ehrlich, das hilft mir auch nicht und so schleppe ich mich an mein Tagesziel. Wow, was für ein Ort. Er liegt auf einem Berg mit Sicht bis zum Meer. Zwar habe ich nicht mehr die Kraft den mittelalterlichen Stadtkern zu besichtigen, ich gehe direkt am Rande dieses Stadtkerns zu meinem B&! Von wo ich zum Meer Richtung La Spezia sehen kann. Einfach unglaublich!
Als ich die Wirten frage, wie ich zu dem Restaurant komme erklärt sie mir doch glatt, dass ich knapp zwei Kilomet den Berg runter gehen muss. Zwei Kilometer hin und zwei Kilometer zurück sind vier Kilometer. Da hätte ich ja gleich nach Sarzana marschieren können. Die Wirtin sieht wohl mein Entsetzen und sagt, dass das Restaurant weit und breit das einzige sei, dafür aber exzellent. Sie bietet an, mir einen Tisch zu reservieren. Ok, mir bleibt schließlich nichts anders übrig. Denn eins ist sicher ohne Abendessen, kann ich gleich für morgen ein Taxi bestellen. Dann fragt sie, wann ich morgen frühstücken möchte. Da ich so nahe an Sarzana bin, möchte ich darauf verzichten. Das lässt sie nicht zu: ich müsse zumindest ihren selbst gebackenen Kuchen probieren. Gut dann werde ich diesen probieren und einen Cappuccino dazu trinken.
Heute brauche ich über zwei Stunden, um mich von dem Tag zu erholen. Mir graut vor dem Weg zum Restaurant: soll ich in Flipflops gehen oder doch Schuhe anziehen und meine Blasen in Aufruhr versetzen. Ich entschließe mich für Schuhe. Vier Kilometer in Summe scheinen mir doch etwas ambitioniert für Flipflops zu sein.
Das Restaurant entpuppt sich als ein absoluter Hit. Das beste nach dem Restaurant des Alpes am Fußes des Großen St. Bernhard. Ich bin begeistert und esse gegen meine Gewohnheit sogar einen Nachtisch.
Heute komme ich auf 36 km, 2.200 kKalorien, 3,8 l Flüssigkeitsverlust und 1.250 m Höhenmeter.