Zauberhafte Bergwelten an der Grenze von Kalabrien und Basilicata
Heute müssen im wesentlichen Bilder sprechen. Das erste Bild zeigt die Normannen Burg, die hoch über Murano Calabro thront und die Stadt Jahrhunderte geschützt hat. Da der Zugang noch geschlossen ist, laufe ich einmal um die Burg herum und habe dadurch schonmal 60 zusätzliche Höhenmeter auf der Uhr.

Danach geht es ab in den Wald und in die Berge. Ich wandere durch den Nord-Östlichen Teil der Kalabrischen Abruzzen, die ständig neue, unglaublich schöne Landschaften zeigen. Gemeinsam sind die Almwiesen, auf denen vornehmlich Rinder grasen. Ich komme auch an Pferdeherden und Schafen vor bei. Die Pferde lassen sich nicht fotografieren. Noch viel ängstlicher als die Kühe rennen die Pferde vor mir davon, sobald sie Witterung von mir aufnehmen.



Die Als ich gerade auf meinem Handy nach dem Weg schaue, kreuzt ein Bauer, der ein Pferd führt, meinen Weg. Nachdem ich ihn mit einem Buon Giorno begrüßt habe, rattert er los und ich verstehe nicht ein einziges Wort. Erst als ich ihm mitteile, dass ich kein Italienisch spreche, spricht er artikuliert und langsam. Es ist überall auf dem gesamten Globus das selbe Verhalten, das Menschen an den Tag legen, wenn klar wird, man spricht ihre Sprache nicht. Sie sprechen weiter, geben sich zwar Mühe, artikulierter zu sprechen, was natürlich nichts daran ändert, dass man nichts versteht. Viele versuchen durch Wiederholungen und lauter Sprache, sich verständlich zu machen. Hilft aber immer noch nichts. Gut in diesem Fall habe ich das Eine oder Andere verstanden. Ich glaube, er wollte mir klar machen, dass ich nicht nach dem Weg schauen muss, sondern einfach den Berg hoch zu gehen habe. Oben ergibt sich der Weg von selbst – oder so was ähnliches. Er verabschiedet sich damit, dass er sich noch „schnell“ erkundigt, ob ich Engländer oder Deutscher bin. Er hat schon mal von Stuttgart gehört. Wieder erzählt er mir etwas, was ich ganz und gar nicht verstehe. Dann geht er seinen Weg fröhlich weiter, vermutlich in der Annahme, ein tolles Gespräch mit eine Deutschen geführt zu haben.

Auf ca. 1.400 Meter Höhe überquere ich einen Pass und anschließend wechselt der Eindruck vollständig. Ich pilgere durch eine Hochebene und habe eine fantastische Aussicht. Tatsächlich ist es nicht notwendig, einem Weg zu folgen. Man kann einfach in der Ferne einen Punkt anvisieren und auf diesen zulaufen. Passieren kann nichts, da es einfach eben ist, nur mit einigen wenigen Erhebungen. Klar ist, da verbergen sich keine Schluchten oder verborgenen Einschnitte, die den gewählten Weg unmöglich machen könnten.

Nach einer geraumen Zeit folge ich einem Wasserlauf/Weg durch einen Wald nach unten. Ich vermute, es handelt sich um einen Weg, der aber durch den Starkregen in den letzten Tagen zu einem Wasserlauf wurde und entsprechend Geröll und lose Erde mit ins Tal gerissen hat, weshalb der Weg zur Zeit wie ein versiegtes Flussbett aussieht.

Als ich wieder runter ins Tal komme, liegt für einen Augenblick der Stausee Lago del Pantano vor mir. Zu dem muss ich runter. Als ich ihn erreiche, laufe ich unter der Autobahn durch. Auf der anderen Seite geht es noch Stück den Berg hoch und wieder durch einen Wald. Schon erreiche ich nach 26 Kilometern und fast 1.200 Höhenmetern Marmanno, das auch als Tor zu Kalabrien bekannt sei: aus den noch schrofferen Bergen Basilicatas in das lieblichere Kalabrien, so kann man es im Internet nachlesen. Mein Eindruck von Kalabrien ist alles andere als lieblich. Erst hat es vor zwei Jahren Pedro mürbe gemacht und diesmal hat es mich an den Rand der Verzweiflung getrieben. Ich bin nicht der Typ, der mal so einfach aufgibt. Aber am Tag vier lagen meine Nerven blank. Da gab es mehr Emotionen als Rationalität.
Als Abschlussbild gibt es jetzt aber keine Burg, sondern eine Kathedrale. Es gibt nur ein Außenbild, da schnell klar wird, als ich mir die Kathedrale von innen anschaue, dass diese schon bessere Tage gesehen hat. Die Bedeutung von Mormanno hat wohl stark abgenommen. Ich kann mir gut vorstellen, dass im Mittelalter, wenn die Menschen vom Norden nach Kalabrien wollten und Basilicata haben queren müssen, dass sie das Ankommen in Mormanno wie eine Erlösung empfunden habe: Endlich raus aus den unwirtlichen Pollino Bergen. Ich werde, weil ich einiges darüber gelesen habe, diese auch nur am Rande streifen. In den Pollino Bergen gibt es kaum Orte mit Herbergen. Da ich nicht mehr draußen übernachten kann und will, muss ich einen Weg wählen, der die Region nur streift. Meine Ziel ist Kompanien: Benevento, wo ich bereits vor 6 Jahren auf der Via Appia durchgekommen bin. Dann wird es ein einfacher Home Run.

Aber bevor das passiert, liegt Morgen eine schwere Etappe vor mir mit 37 Kilometer und ca. 650 Höhenmetern, natürlich durch die Pollino Berge. Ich muss es unbedingt bis nach Lauria schaffen. Drückt die Daumen, dass ich nicht schlapp mache.
Nachtrag: ich war in der Alten Post (sie schreiben es Alten Poste) essen. Einem Deutschen Restaurant mit Biergarten und Andechser vom Fass und König Ludwig aus der Flasche. Das Essen war allerdings Italienisch.
