Tag 12 – 24.10.25: Auletta – Colliano

Ernte

Niemand scheint zuhause zu sein, als ich das B&B verlasse. Den Schlüssel lege ich zurück in das Schlüsselkästchen, nachdem ich mich aus dieser Zwergentür gezwängt habe. Über enge und immer wieder sich verzweigende kleinste Gassen erreiche ich endlich die Hauptstraße. Erst weit am Ende des Ortes gibt es eine Bar.

Vor der Tür hängen einige ältere Männer in Arbeitskleidung ab und trinken schon mal das erste Bier. Einer von ihnen ist neugierig, kommt rein und stellt sich neben mich an die Bar. Er will wissen, was ich in meinem Aufzug so mache. Dass ich lustvoll durch die Berge wandere, versteht er nicht. Nach einigen wenigen Fragen und meinen kurzen Antworten – für richtigen Smalltalk reicht mein Wortschatz nicht – geht er raus, gesellt sich wieder zu seinen Kumpanen und die Männer lachen. Ich nehme an, er hat ihnen erzählt, was er aus mir heraus gebracht hat, und nun lästern sie jetzt erstmal ordentlich ab.

Als ich aufbreche, wünschen mir die Männer lachend eine gute Reise. Auch heute war ich der Annahme, Auletta läge oben. Ich muss dann doch noch sicher gut 150 Meter den Berg rauf. Auf allen Feldern, wo noch etwas wächst, wird geerntet. Ich vermute, da heute kein Regen angesagt ist, werden alle Hände eingesetzt, um vornehmlich die Oliven zu ernten. Es gibt hier und da noch einige schwarze Trauben, die ebenfalls gelesen werden. In einem Vorgarten werden Tomaten von einer älteren Frau mit Stock geerntet, die sich kaum noch bücken kann. Als ich meine Schritte verlangsame, um ihr kurz zuzuschauen, bietet sie mir eine Tomate an, die ich gerne akzeptiere und mit Genuss esse.

Aus Auletta muss ich, wie bereits berichtet, den Berg hoch. Kaum auf der Höhe angekommen, geht es wieder runter in ein Tal, wo ich einen Fluß zu überqueren habe. Mein Weg orientiert sich an der Brücke über den Fluss und nicht an der Topografie des Geländes. Auf der anderen Seite sehe ich, Buccino hoch oben auf einem Bergkamm liegen. Über diesen Bergkamm, der aus dem Tal gut 400 Meter in die Höhe ragt, muss ich rüber. Ich könnte diesen zwar umgehen, das würde aber über 40 Kilometer Umweg bedeuten. Entsprechend hatte ich gestern beim Planen der kommenden Tage beschlossen, ich gehe mehr oder weniger direkt nach Norden. Das bedeutet zwar für heute und Morgen jeweils etwas mehr als 1.000 Höhenmeter und an beiden Tagen je etwas mehr als 30 Kilometer, danach geht es dann aber eben bis nach Benevento, wo ich möglicherweise durch die Abkürzung einen Ruhetag bekommen werde.

Zurück zu heute. Völlig verschwitzt komme ich oben in Buccino an. In der ersten Bar trinke ich erstmal einen halben Liter Saft und danach noch einen Café. Von hier steige ich wieder ab in ein weites vor mir liegendes Tal zwischen zwei Erhebungen hindurch. Hier sind keine Industriebetriebe zu erkennen. In dem Tal wird Ackerbau betrieben. Das erfreut meine Augen.

Mitten im nichts liegt an einer kaum befahrenen Landstraße auf einem kleinen Hügel eine Bar. Darin arbeiten zwei sehr junge Leute. Ich denke, die beiden sind noch Teenager. Auch hier trinke ich wieder erstmal einen Saft, esse ein Ministück Pizza und zum Abschluss gibt es noch einen Café. Die zwei sprechen etwas Englisch und wollen wissen, was ich mache. Die beiden sind ungläubig, dass jemand einfach so durch Italien wandert und dann noch hier im Süden. Sie lassen sich mehrfach versichern, dass ich Italien mag und es toll in Italien ist. Sie wollen dann weiter wissen, wo ich gestartet bin und und wo ich hin will. Das müssen die beiden erstmal googeln. Je mehr sich damit beschäftigen, um so mehr Fragen stellen sie und um so erstaunter sind sie. Die junge Frau will noch neugierig wissen, wie alt ich bin. Ich sei ja älter als ihr Großvater und der sitze nur noch zu Hause auf dem Sofa oder vor der Tür auf der Bank. Außerdem sehe der viel älter aus. Ich bedanke mich geschmeichelt über das implizite Kompliment.

Das gibt mir noch einmal Schwung und den brauche ich. Ich kämpfe nicht nur mit den Höhenmetern sondern auch mit dem starken Wind, der mal aus Norden mir direkt ins Gesicht bläst oder von Norden Osten kommend mich ordentlich traktiert. Es ist heute sonnig und und über die Mittagszeit 18 Grad warm. Durch den Wind und möglicherweise durch meine verschwitzten Sachen finde ich es meist eher frisch.

Ich habe, weil es im Ort nichts anderes gab, ein Hotel gebucht. Das ich bei allen Bemühungen nicht finde. Ich frage den weit und breit einzigen Passanten, er hat noch nie von dem Hotel gehört. Ich checke nochmal den Namen, die Adresse und schaue in Google Maps nach: ich muss richtig sein. Da beim besten Willen nichts auf eine Unterkunft im Umkreis von 100 Meter hinweist, mache ich ein Foto, von dem Geschäft, vor dem ich stehe, und schicke dieses per WhatsApp an meine Wirtsleute, mit der Bitte um Hilfe. Keine Reaktion, dann rufe ich an: keine Reaktion. Ich mache mir schon Gedanken, was das wohl bedeutet und bastele bereits an einem Plan B: es gibt noch ein zweites Hotel nach GoogleMaps weiter oben im Ort, das ich über Booking.com nicht buchen konnte. Dann bekomme ich eine WhatsApp Nachricht mit den exakten Standortdaten. Als ich die öffne, sehe ich, dass es genau dieses andere Hotel ist. Ok, das klappt also doch. Leider ist es noch eine halbe Stunde dorthin, da das Hotel viel weiter oben direkt bei der Normannen Burg liegt und ich in weit ausholenden Serpentinen nach oben gehen muss.

Auch wenn ich etwas verschnupft darüber bin, dass die Gastwirte mir nicht gleich die korrekte Adresse gesendet haben, so erfreuter bin ich, dass ich im Hotel, dessen einziger Gast ich bin, zu Abendessen kann. Noch erfreuter bin ich, dass das Zimmer Fußbodenheizung hat und wohltemperiert ist. Welch eine Wonne, in ein rundum warmes Zimmer zu kommen.

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