Warum geht es im Leben? Um uns – uns Menschen!
Obwohl es heute Nacht heftig geregnet hat, werde ich von Sonnenstrahlen, die freundlich in mein Zimmer scheinen, geweckt. Es wird zwar nicht warm aber die Sonne begleitet mich durch den Tag.
Ich bin überrascht, dass noch immer nicht alle Trauben gelesen sind. Immerhin bin ich noch immer südlich von Neapel. Aber tatsächlich werden hier und da Trauben gelesen und in hinreichend vielen Weinbergen reifen noch immer die roten Trauben.
Ich kann nicht widerstehen und mopse mir hier und da mal eine Traube. Die schwarzen Oliven lachen mich ebenfalls an, weshalb ich eine reife Olive pflücke, wissend, dass sie eigentlich unbearbeitet nicht genießbar sind. Die Olive zerfällt praktisch in meinem Mund und schmeckt wie öliger Pfeffer mit einer starken Bitternote.

Leider komme ich heute nur an einer Bar vorbei. Mein Café Konsum ist damit ausgesprochen gering im Vergleich zu den letzten Tagen. Ich glaube, ich kenne nun fast alle Bars zwischen Cosenza und Benevento. Je weiter ich nach Norden komme, um so besser (cremiger und schokoladiger) wird der Espresso. Ich möchte behaupten in Kalabrien ist durchschnittlich der Espresso weniger gut als bei uns Zuhause. Hier in Kampanien ist er auf einem Niveau, der schwer zu toppen ist.

Nach der Hälfte meines heutigen Weges erreiche ich die historische Via Appia. Die Begegnung fällt nicht positiv für unsere Epoche aus. Mitten im Nichts stehen – so denke ich zunächst zwei Torbögen – in der Gegend unmotiviert herum. Ich frage mich, warum hat gerade hier ein Römer Torbögen anlegen lassen. Als ich vor einem Fluss stehe, wird mir klar, die beiden Torbögen werden wohl Überreste eines Aquaducts sein. Die Römer haben den Fluss trockenen Fußes überquert. Ich muss Schuhe und Strümpfe ausziehen und durch den Fluß sehr vorsichtig waten, da die Steine sau-glitschig sind. Hinfallen möchte ich selbstverständlich nicht, da ich dann von oben bis unten nass bin, einschließlich meines Equipments.

Das macht mir mal wieder klar, was für eine Hochkultur die Römer waren und wie lange sie die Welt dominiert haben. Wenn der Zerfall des Westens und allen vorweg der Amerikaner so weiter geht, waren die Römer weitaus länger DIE führende Kraft in der Welt. Den Amerikanern bzw. dem Westen war im besten Fall vergönnt, die Welt über drei bis vier Generationen zu beherrschen. Ich bin gespannt, ob wir noch erleben werden, wer die neue Weltmacht sein wird und welche kulturellen Veränderungen sie mitbringen wird. Oder erleben wir lediglich noch den diffusen Übergang bis sich die neuen Machtverhältnisse etabliert haben. Die Veränderungen sind so rasend, dass es es gut möglich ist, dass wir bewußt den Machtübergang erleben werden.

Wenn es bei nassen Füßen bleibt, ist alles ok. Nach ziemlich genau 30 Kilometer erreiche ich Benevento, wo die punischen Kriege stattgefunden haben und die Stadt daher mehrfach zerstört wurde. Nach dem Niedergang des Römischen Reiches fiel die Stadt in die Hände der Normannen auch wenn diese kurzzeitig sich den Mauren geschlagen gegeben mussten, so ist das Stadtbild geprägt von Kulturdenkmälern unterschiedlichster Epochen: Ägypter (möglicherweise Catharer), Römer und der christlichen Normannen. Letzter haben es zumindest geschafft eine Kirche zu einem Denkmal mit Status Weltkulturerbe zu machen.
Obwohl ich vor hatte, nur etwas einfaches zu essen, bin ich in das nächst beste Restaurant in unmittelbarer Nähe meines Hotels gegangen. Es gab um acht noch keinen anderen Gast. Als ich um halb zehn gehe, gibt es noch immer keinen anderen Gast., was ich gar nicht verstehen kann. Ich habe eine tollen Weißwein aus der Gegend von Avellino, einen Fiano, getrunken. Ich hatte zur Vorspeise eine Pulpo gebraten auf Kartoffelbrei, danach Kabeljau auf Ruccola und dazu einen gemischten Salat. Vor allem der Salat war köstlich mit einem regionalen Frischziegenkäse. Über diesen habe ich mich mit dem Wirt unterhalten, was dazu geführt hat, das er mir verschiedene regionale Käse präsentiert: einer köstlicher als der andere. Was lernen wir daraus? Der Untergang einer Kultur bedeutet nicht, dass trotzdem fantastische Produkte für das leibliche Wohl überleben und immer weiter verbessert werden – und dass die Menschen tolle Menschen bleiben, was immer für Regime herrschen.

Nachschlag: nachdem ich bezahlt habe, lädt mich der Wirt zu einem lokalen Likör ein. Danach „muss“ ich verschiedene regionale Produkte von Käse über Wurst bis hin zu Weinen und noch mehr Likören probieren. Es wird reichlich lustig und wir verstehen uns, trotz der Sprachdifferenzen prächtig. Dann schwanke ich zurück ins Hotel, nicht ohne der Römischen Kultur zu huldigen und den tollen Menschen, die ich auf meinen Reisen treffe.
P.S.: ich werde Morgen den Beitrag Korrekturlesen, heute geht nichts mehr