Trotz einer hervorragenden Luftmatratze und einem sehr guten Schlafsack schlafe ich diese Nacht nicht besonders gut. Ich bin todmüde aber tiefer erholsamer Schlaf will sich nicht einstellen. Der Strand wird vom Mond den größten Teil der Nacht hell erleuchtet. Das Zelt ist transparent und ich habe das Gefühl, der Mond schaut mich lächelnd an. Er sagt zwar nicht, warum er mich immer wieder aus dem Schlaf holt, dass er etwas auf dem Herzen hat, geht mir durch den Kopf. Er will, dass ich selbst drauf komme, nur kann ich das Rätsel nicht lösen. Erst gegen fünf Uhr wird es dunkel und ich falle in einen tiefen Schlaf. Der Wecker holt mich um 07:30 Uhr aus einer Tiefschlafphase, so dass ich geraume Zeit brauche, bis ich den Tag tatsächlich beginnen kann.
Nachdem ich in die Gänge gekommen bin, muss ich zunächst einmal 500 Meter den Berg rauf. Wie gestern über kleinste Pfade mit Kletterpartien und nicht erkennbaren Wegen. Nur die enge Wegmarkierung verhindert, dass ich mich verlaufe.
Mit der unglaublichen Geschwindigkeit von deutlich weniger als zwei Kilometer in der Stunde schnaufe ich den Berg hoch. Oben: eine Almlandschaft mit Reisfeldern und der Ankündigung in 150 Meter gibt es eine Bar. Ich freue mich wie Bolle. Denkste – zu!

Bäume mit roten Stämmen habe ich noch nie (bewußt) gesehen
Zu meinem Zwischenziel muss ich über schöne Wege – mit viel Grün und interessanten Bäumen, die Stämme sind ganz rot, noch etwa vier Kilometer laufen. Ich bin völlig erschöpft vom Aufstieg und dem schlechten Schlaf. Zitternd am ganzen Körper, keine vernünftige Blutzirkulation in den Fingern, fröstelnd erreiche ein kleines Dorf und hier gibt es ein kleine, primitive Bar die eine Mutter mit ihrer etwa zehnjährigen Tochter managt. Die Mutter kocht, die Tochter macht den Service; wahrscheinlich auch deshalb, weil die Tochter sich in Englisch artikulieren.
Ich brauche zuckerhaltige Getränke. Zwei Dosen Fanta und fünf Tees erwecken mich aus meiner Starre. Langsam hört das Zittern auf, ich bekomme allmählich wieder Gefühl in meine verschrumpelten Fingerspitzen und auch ein Wärmegefühl durch strömt mich.
Ein weiterer Wanderer wird in die Bar gelockt. Ein Franzose, der ebenfalls den Lykischen Weg geht. Er ist mit einer dünnen kurzen Hose bekleidet. Mich friert gleich wieder, als ich ihn sehe. Er ist ganz erpicht darauf, mit mir weiter zu gehen.
Also laufen wir gemeinsam los. Nach wenigen Kilometern als wieder steil bergauf geht, lasse ich ihn ziehen: der läuft mir zu schnell. Ohne sich zu verabschieden aber mit dem Wissen, wo ich heute übernachten werde zischt er los.
Auf dem nächsten Hochplateau gehe ich davon aus, es mehr oder weniger geschafft zu haben. Denn jetzt muss nur noch 600 Meter runter und es sind keine fünf Kilometer mehr. Nach kurzer Zeit hört der breite und angenehm zu laufende Weg auf und geht wieder in einen steil abfallenden oft völlig zu gewucherten Pfad über. Es wird rutschig da am Nachmittag dicke dunkle Wolken mit viel Feuchtigkeit den Berg umhüllen. Jetzt gilt es höllisch aufzupassen, dass man in der Nebelsuppe, den Weg bzw. die Markierung nicht aus dem Auge verliert und mindestens genauso wichtig auf dem Geröll oder den riesigen oft mehr als 60 Grad geneigten Felsplatten stürzt.

Wo ist der Weg?

Der Pfad ist dicht bewachsen
Der Abstieg zieht sich und zieht sich dadurch ewig hin. Dann treffe ich auf Wegweiser zu meinem Hotel für heute Nacht. Es sind zwar immer noch zwei Kilometer zu gehen, aber ab dem Schild wird es wieder flacher und ich kann ordentlich ausschreiten.
Im Hotel angekommen werde ich nicht nur vom Wirt sondern auch von „meinem“ Franzosen – Pierre – empfangen. 19:30 Uhr ist Abendessen angesagt. Kaum Zeit meine Wäsche zu waschen und mich wieder menschlich herzurichten. Kurz nach halb acht, ich bin noch nicht ganz fertig, werde ich schon gerufen: das Essen steht auf dem Tisch. In der Wohnküche des Wirtes wird gegessen. Der Wirt, der perfekt Englisch spricht und viele Jahre in Holland gearbeitet hat, setzt sich zu uns und wir unterhalten uns prächtig.
Zum Abschluss wird noch vereinbart, wann es Frühstück gibt. Pierre will schon um 07:00 Uhr los. Definitiv zu früh für mich. Unsere Ziele für Morgen sind auch völlig unterschiedlich, so verabschiede ich mich von ihm und wir wünschen uns eine gute Reise.